Ja, ja, ich weiß: Persönlichkeitsentwicklung, Prozessoptimierung, Modernisierung … das alles scheint mittlerweile doch eh zum guten Ton zu gehören. Und was uns Menschen mit Pferden betrifft, wissen wir doch längst, dass Reiten und Arbeit mit Pferden eine stetige Weiterentwicklung, lebenslanges Lernen und persönliches Wachstum von uns verlangt.
Also warum schreibe ich diesen Artikel über die Neu-Ausrichtung meiner Arbeit?
Es gibt Lebensphasen, die einen dazu zwingen (nicht im negativen Sinne), sich weiterzuentwickeln, alte Dinge über Bord zu werfen oder zumindest einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, neue Wege zu finden und auszuprobieren und Prioritäten neu zu setzen.
Und plötzlich werden allgemeine Schlagworte wie Persönlichkeitsentwicklung konkret und bekommen eine ganz neue Bedeutung für einen selbst und die eigene Arbeit.
Ein Leben mit Kindern und einem Pferdejob
Für mich waren es in den letzten Jahren meine Kinder, die mich dazu gebracht haben, meinen Alltag und meine Strukturen an die doch stark veränderten Lebensumstände anzupassen. Und die Lebensumstände mit kleinen Kindern verändern sich unweigerlich, das können alle Eltern unter euch bestätigen, da bin ich sicher.
Corona hat für uns alle nur noch verstärkt, was durch Kinder sowieso schon passiert: Der Beruf und die eigene Selbstverwirklichung stehen nicht mehr an erster Stelle. Und das ist auch gut so! Für eine bestimmte Zeit.
Aber irgendwann habe zumindest ich gemerkt, dass ich ohne meinen Beruf (und in dem Fall auch meine Berufung) gar nicht die Mama sein kann, die ich für meine Kinder gerne sein möchte. Ich brauche diesen Lebensbereich, in dem die Pferde eine so große Rolle spielen, und auch wenn dann weniger Zeit für meine Familie übrig bleibt, bleibt manchmal trotz meiner Arbeit am Ende des Tages mehr Energie übrig.
Weil mir die Arbeit mit Pferden und Menschen so viel Energie und Kraft und Freude zurückgibt, dass ich trotz Müdigkeit und Zeitmangel doch wieder viel besser die Mama sein kann, die ich gerne sein möchte.
Aber wie kann das gehen?
Also hat sich für mich unweigerlich die Frage gestellt: Wie soll das gehen? Abends nach Feierabend Einzelstunden geben und nicht da sein, wenn die Kinder ins Bett gehen? Das ganze Wochenende Kurse geben und kaum Zeit als Familie miteinander verbringen? Das wollte ich nicht. Aber wie kann ich meinen Beruf ausüben und ausleben und trotzdem für meine Kinder da sein?
Und ist es unabhängig davon überhaupt noch state of the art, Einzelstunden zu geben, die von Mal zu Mal neu verabredet und im Anschluss bar bezahlt werden? Ohne Bindung, ohne Planbarkeit, ohne klare Richtung, sondern eher von akutem Problem zu akutem Problem denkend? Ohne praxisnahes, fundiertes Lehrmaterial und engen, persönlichen Kundenservice? Nur weil man das immer schon so gemacht hat, muss es für immer so bleiben?
Ja, der Reitsport ist grundsätzlich traditionell geprägt und eher konservativ, aber muss das auch bei meinen Kunden und mir so sein? Was in anderen Branchen schon längst gängig ist und Planbarkeit, Struktur, Fokus und Zufriedenheit für beide Seiten mit sich bringt, darf doch auch im Pferdebereich Einzug halten, finde ich.