Category: Horsemanship

Auf’s Pferd aufsteigen in aller Ruhe: Wie du dein Pferd an der Aufstiegshilfe einparkst (und es dort stillsteht!)

Aufs eigene Pferd aufsteigen

Eigentlich einfach, oder nicht?

Ich muss immer ein bisschen Schmunzeln, wenn ich sehe, wie Pferde sich mit ihren im Aufsteigen begriffenen Menschen über den Platz manövrieren und es mit unglaublich sicherem Timing jedes Mal schaffen, sich genau in der Sekunde wegzubewegen, in der der Reiter seinen Fuß in den Steigbügel setzen will.

Weniger lustig, eher unverständlich, finde ich es dagegen, wenn Pferde von ein bis zwei Personen am Boden festgehalten werden müssen, damit der Reiter überhaupt aufsitzen kann.

Wenn Pferd und Reiter nicht in der Lage sind diese Aufgabe zu zweit zu meistern, dann hat Reiten in dieser Beziehung momentan für mein Empfinden auch nichts zu suchen.

Dann heißt es, back to basics und erstmal am Boden an einer funktionierenden Verständigung und einer echten Verbindung arbeiten, damit das Aufsteigen später kein Thema mehr ist.

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Wenn ein Pferd seinen Reiter nicht aufsteigen lässt, ist das ein klares Signal und kann sogar auf Unbehagen oder Schmerzen beim Aufsitzen oder Reiten hindeuten. Mögliche Ursachen, wie z. B. ein unpassender Sattel, müssen daher unbedingt abgeklärt werden!

Im Grunde ist es ganz einfach dem Pferd beizubringen, an einer Aufstiegshilfe einzuparken und stehen zu bleiben, bis der Reiter im Sattel Platz genommen hat. Deshalb wundere ich mich auch immer, warum manche Reiter es sich so unnötig schwer machen!

Aber einfach ist etwas eben nur, wenn man weiß, wie es gehen kann! Und das sogar ohne ständiges Futterlob 😉

Und genau das erkläre ich dir jetzt.

In diesem Artikel erfährst du

  • welche Vorübungen du machen solltest,
  • wie du das Einparken an der Aufstiegshilfe Schritt für Schritt übst,
  • wie dein Pferd lernt, zu warten
  • und wie du zur Not auch mal ohne Aufstiegshilfe aufsteigen kannst, ohne dein Pferd zu stark zu belasten.

Entspanntes Aufsteigen mit und ohne Aufstiegshilfe muss also ab jetzt absolut kein langfristiges Problemthema mehr für dich und dein Pferd sein. 🙂

Schritt für Schritt zum entspannten Aufsteigen

Beim Einparken an einer Aufstiegshilfe muss dein Pferd an dich herantreten, anstatt – wie bei den meisten Übungen – vor dir zu weichen. Das muss dein Pferd zunächst einmal verstehen und sich auch trauen zu tun.

Pferde, die sehr höflich sind und lieber einen größeren Abstand zwischen sich und dem Menschen haben, finden das am Anfang schwierig.

Eher büffelige Pferde mit wenig Individualabstand können dagegen beim Ansaugen – so nenne ich die Übungen, bei denen das Pferd auf den Menschen zukommt – über das Ziel hinausschießen und den Menschen anrempeln.

Stelle also sicher, dass eine gewisse Grunderziehung schon vorhanden ist, damit dein Pferd dir nicht unnötig auf die Füße tritt. Denn das ist natürlich auch beim Ansaugen nicht Ziel der Übung.

Merke!

Ansaugen = Alle Übungen, bei denen das Pferd in Richtung des Menschen weicht.

Ansaugen an der Bande

Zur Vorbereitung aufs Einparken stellst du dein Pferd auf den Hufschlag parallel zur Bande und positionierst dich frontal vor seinem Kopf. Jetzt nimmst du dein Pferd am Halfter und drückst seine Nase leicht Richtung Bande, sodass es nach außen gestellt ist.

In der anderen Hand hältst du die Gerte und tippst den äußeren Hüfthöcker deines Pferdes an, bis es mit der Hinterhand einen Schritt nach innen kommt. Dann lobst du es ausgiebig und wiederholst die Übung, bis dein Pferd dich gut versteht.

Dein Pferd sollte dich dabei nicht aus dem Weg drängeln, sondern nur die Hinterhand bewegen!

Tipp Körpersprache!

Nutze zusätzlich zur Gerte auch deine Körpersprache und lehne dich zurück, während du über die Kruppe hinwegschaust. Stell dir vor, deine Schultern saugen die Kruppe deines Pferdes an.

Wenn dein Pferd sehr groß ist oder zu viel Vorwärtstendenz in dieser Übung hat, kannst du die Gerte oder den Stick auch unter dem Pferdehals hindurch auf die gegenüberliegende Seite bringen und dein Pferd dort touchieren.

Du kannst die Übung natürlich von beiden Seiten machen! Die meisten Pferde fühlen sich allerdings auf der linken Hand zu Beginn wesentlich wohler als auf der rechten Hand.

Aufs-Pferd-Aufsteigen-Ansaugen-Variante
Ansaugen = In Richtung Mensch weichen, hier im Seitwärts ohne Bande

Einparken mit Hocker

Wenn das Ansaugen an der Bande gut funktioniert, stellst du dich auf einen Hocker an der Bande und wiederholst die Übung. Für manche Pferde macht es einen großen Unterschied, ob der Mensch erhöht oder auf dem Boden steht. Übe wieder, bis dein Pferd dich gut versteht, sich wohlfühlt und auf leichte Hilfen mit der Hinterhand herumtritt.

Frage so lange weiter, bis dein Pferd neben deinem Hocker steht und lobe es ausgiebig, indem du es kraulst und abstreichst. Von der Ausgangsposition an der Bande bis zur Parkposition am Hocker hat es nun eine 180° Drehung gemacht.

Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Aufs-Pferd-Aufsteigen-Einparken-Aufstiegshilfe
Mit Hilfe der Bande übst du, dein Pferd an eine Aufstiegshilfe herantreten zu lassen

Noch ein Tipp: Wenn dein Pferd eingeparkt hat, steige vom Hocker und führe eine Runde als Dankeschön. Dann steigst du wieder auf den Hocker und saugst dein Pferd erneut an, bis es in der richtigen Position steht.

So lernt dein Pferd, dass deine erhöhte Position immer „herankommen“ und nicht „weggehen“ heißt.

Einparken mit Aufstiegshilfe

Wenn du am Stall eine fest installierte Aufstiegshilfe hast, kannst du jetzt dort üben. Nutzt du weiter den Hocker, übe an verschiedenen Stellen auf dem Platz oder auf dem Hof und gewöhne dein Pferd daran, die Übung auch ohne Bande auszuführen.

Ohne Anlehnung an der Bande verlieren Pferde manchmal die Orientierung und weichen mit der Hinterhand von uns weg, anstatt heranzukommen. Achte dann besonders auf die Stellung!

Die Pferdenase muss von dir wegschauen, damit die Hinterhand herankommen kann. Tippe solange mit der Gerte, bis dein Pferd wieder einen Schritt in die richtige Richtung macht und belohne es dann.

Aufs-Pferd-Aufsteigen-Einparken-Aufstiegshilfe-ohne-Bande
Einparken an einer Aufstiegshilfe ohne Anlehnung an der Bande

Diese Übung ist am Anfang echter Denksport für die Pferde. Also lass dir Zeit und mach alles ganz in Ruhe.

Wenn dein Pferd neben dir still steht, belohne es! Der Schwerpunkt liegt auf dem Stillstehen und Kraulen, nicht auf dem Aufsteigen.

Auf- und Absteigen üben

Steht dein Pferd wirklich wie eine Statue neben der Aufstiegshilfe und hat diesen Platz als richtigen Wohlfühlort für sich abgespeichert, übst du das Aufsteigen. Auch das machst du Schritt für Schritt.

Du setzt also den Fuß in den Bügel und wenn es stehen bleibt, kraulst dein Pferd weiter und nimmst zur Belohnung den Fuß wieder aus dem Bügel heraus. So arbeitest du dich kleinschrittig vor, bis du dich ganz in Ruhe in den Sattel setzen kannst.

Anstatt loszureiten, kraulst und lobst du weiter und steigst dann einfach wieder ab. Dann gehst du wieder eine Runde führen, parkst dein Pferd dann wieder ein und so weiter. Dein Pferd soll das Ganze am besten richtig langweilig finden.

Warten üben

Wenn deinem Pferd die Geduld zum Warten fehlt und es nach dem Aufsitzen gern direkt losgeht, musst du ihm helfen, die Spannung abzubauen bzw. ihm das Stehenbleiben schmackhaft machen.

Option 1: Du kannst es losgehen lassen und nach einigen Schritten eine Vorhandwendung, ein Seitwärts oder eine andere anstrengende Übung, die Nachgiebigkeit erfordert, abfragen. Im Anschluss reitest du es wieder an die Aufstiegshilfe heran und machst dort wieder Pause.

Option 2: Manchen ungeduldigen Pferden hilft an dieser Stelle auch ein Leckerli. Wenn sie wissen, dass vor dem Losgehen auf jeden Fall noch ein Keks von oben kommt, bleiben sie geduldiger stehen und warten länger ab.

Du kennst dein Pferd am besten. Also entscheide, welche Option euch besser hilft.

Verschiedene Aufstiegshilfen

Um das entspannte Aufsteigen zu festigen, übst du jetzt in verschiedenen Situationen und an unterschiedlichen Orten. Zum Beispiel also auch im Gelände, wenn sich eine passende Aufstiegshilfe, wie ein Baumstamm oder ein großer Stein, bietet.

Aufs-Pferd-Aufsteigen-Einparken-Zaun
Nutze verschiedenste Aufstiegshilfen, um das Einparken zu üben

Je ungewohnter die Umgebung bzw. je angespannter dein Pferd, desto schwieriger wird das Einparken, Stehenbleiben und Aufsteigen werden. Lass dir hier unbedingt viel Zeit, arbeite kleinschrittig und belohne dein Pferd auch für kleine Fortschritte, auch wenn es die Übung ja eigentlich schon als Ganzes beherrscht.

Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe

Dass Aufstiegshilfen den Pferderücken schonen, brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber es kann natürlich in bestimmten Situationen auch einmal nötig sein, ohne Aufstiegshilfe aufzusitzen. Um das möglichst pferdeschonend zu tun, habe ich hier noch ein paar Tipps:

  1. Wenn möglich, z. B. durch unebenen Boden, positioniere dich so, dass du etwas höher stehst, als dein Pferd.
  2. Setze den Fuß vorsichtig in den Bügel, damit du deinem Pferd nicht an Bauch oder Ellenbogen wehtust.
  3. Der Sattel muss fest genug gegurtet sein, wenn du niemanden zum Gegenhalten hast.
  4. Greife zum Aufsitzen lieber in die Mähne, als an Vorderzwiesel, Horn, Kranz oder Cantle. Am Sattel hast du eine deutlich höhere Hebelwirkung auf die Dornfortsätze der Wirbelsäule als das am Mähnenkamm der Fall ist.
  5. Bring deine Hüfte so schnell wie möglich dicht über das Pferd.
  6. Balancier dich aus und setze dich vorsichtig in den Sattel.
  7. Steige von beiden Seiten abwechselnd auf! Kannst du nicht? Unbedingt üben!
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Du solltest zur Not auch vom Boden aufsteigen können, und zwar von beiden Seiten!

Probleme beim Aufsteigen

Bleibt dein Pferd beim Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe nicht stehen, hinterfrage den Grund dafür. Ist es ihm unangenehm? Kommt es extrem aus der Balance? Rutscht der Sattel? Ist das Aufsitzen eventuell sogar schmerzhaft für dein Pferd?

Diese Ursachen musst du erkennen und darauf entsprechend reagieren! Alles andere wäre unfair und nicht gerade förderlich für eure Beziehung!

Manchmal haben Pferde aber auch trotz gut sitzender Sättel und leichter, gut koordinierter Reiter gelernt, dass sie den Menschen mit kleinen Ausweichbewegungen im richtigen Moment sehr effektiv vom Aufsitzen abhalten können und so noch etwas länger Pause vor der Arbeit haben.

(Hier muss ich immer Schmunzeln, denn die Pferde sind wahnsinnig effektiv in ihrem Handeln und der Mensch meist ziemlich ratlos.)

Ist das der Fall, müssen wir das Pferd wieder „umtrainieren“ und ihm zeigen, dass es schöner ist, den Reiter aufsitzen zu lassen, als sich ihm durch Ausweichen zu entziehen.

Meist haben wir Menschen dieses unerwünschte Verhalten des Pferdes sogar noch verstärkt, indem wir unbewusst immer im falschen Moment die Pause (also Belohnung) gegeben haben.

Das kannst du dir so vorstellen:

  • Mensch setzt den Fuß in den Bügel, Pferd weicht zur Seite, Mensch bricht das Aufsitzen ab, stellt den Fuß wieder auf den Boden, sortiert sich neu, ergo Pause fürs Pferd!

Oder:

  • Mensch begibt sich in Vorbereitung aufs Aufsitzen neben das Pferd, Pferd weicht rückwärts aus, Mensch gelangt gar nicht erst an die Sattellage, bricht ab, führt Pferd wieder vorwärts, sortiert sich neu, ergo Pause fürs Pferd!

Ist dein Pferd so ein kleiner Schlaumeier, lass dich von ihm nicht aus dem Konzept bringen. Bleib dran an deinem Vorhaben.

Wenn es rückwärts ausweicht, beweg dich einfach passiv und freundlich mit ihm mit, bis es stehenbleibt und lobe es dann. So zeigst du ihm, dass du freundlich aber bestimmt dranbleibst und es dich (durch sein Ausweichen) nicht loswird.

Im Gegenzug solltest du seine Annahme, dass du dich nun gleich schnellstmöglich in den Sattel schwingen willst, nicht direkt bestätigen, sondern dir erstmal Zeit für Lob und Pause nehmen.

Das Gleiche gilt, wenn dein Pferd sich entzieht, sobald du den Fuß im Steigbügel hast. Versuch den Fuß im Bügel zu lassen und beweg dich mit deinem Pferd mit – eben hüpfend auf einem Bein – während du es bittest, wieder stehen zu bleiben. Sowie es steht, Fuß aus dem Bügel nehmen und loben. (Ja, für diese Übung musst du ziemlich gelenkig und sportlich sein. ;-))

Bleibt dein Pferd irgendwann stehen, lobst du es, nimmst den Fuß aus dem Bügel und ihr entspannt euch beide bei einer kleinen Pause.

Ich habe noch kein Pferd kennengelernt, das nicht nach kurzer Zeit sein Programm geändert und das Ausweichen durch Stehenbleiben ersetzt hat.

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Fazit

Es gibt wirklich keinen Grund, mit dem Hocker hinter deinem Pferd herzulaufen oder drei Leute zum Festhalten des Pferdes zu benötigen, bloß um aufs Pferd Aufsteigen zu können.

Jedes Pferd kann lernen, an der Aufstiegshilfe einzuparken und dort zu warten. Für mich gehört das zur absoluten Grundausbildung am Boden dazu.

Aufsteigen in aller Ruhe ist entspannter für dich und dein Pferd und gesünder für den Pferderücken ist es allemal. Nicht zuletzt ist es eine sehr wichtige Übung, um junge Pferde auf das Reiten vorzubereiten und ein wichtiger Prüfstein, ob das Pferd überhaupt bereit ist, einen Reiter aufsitzen zu lassen.

Grundvoraussetzung für das Einparken ist, dass dein Pferd gelernt hat in deine Richtung zu weichen und mit der Hinterhand auf dich zuzukommen. Hat es das verstanden, kannst du das Ansaugen von einer erhöhten Position üben.

Anschließend übst du an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Aufstiegshilfen.

Beim Aufsitzen und Absteigen lässt du dir viel Zeit, damit dein Pferd lernt, zu warten.

Und auch das Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe solltest du üben, damit es möglichst schonend ist und pferderückenfreundlich klappt. Wenn du ein paar Regeln beachtest, meisterst du auch diese Aufgabe mit deinem Pferd.

So oder so, Probleme beim Aufsteigen müssen nicht sein und lassen sich mit gezielter Übung und ein bisschen Zeit in den allermeisten Fällen ganz einfach lösen.

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Horsemanship versus Beziehung – Wie Pferde echte Beziehungen aufbauen und was das für dein Training bedeutet

Eure Pferde wollen mit euch kooperieren! Sie wollen nicht unterdrückt, auf ihren Platz verwiesen und mit starren Regeln und Gesetzen in Form gepresst werden. Sie wollen mit euch zusammenarbeiten und sind an einer echten Beziehung zu euch interessiert. Einer Beziehung, in der es euch beiden gut geht.

Erziehung versus Beziehung?

Als Mutter von zwei Kindern beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema Erziehung. Bzw. spricht man heute lieber von Beziehung statt von Erziehung. Und das ist schön. Denn wir wollen in erster Linie eine Beziehung zu unseren Kindern haben (und zu unseren Pferden ebenso!) und sie nicht vorrangig in bestimmte Normen und Formen pressen.

In der bedürfnis- oder beziehungsorientierten Erziehung (im englischen attachment parenting; attachment = Bindung, Verbundenheit) geht es darum, hinter jedem Verhalten eines Kindes das zugrundeliegende Bedürfnis zu erkennen – und zu befriedigen.

Die neuste Forschung geht davon aus, dass Kinder grundsätzlich immer mit ihren Eltern kooperieren wollen. Sie verfolgen das gleiche übergeordnete Ziel, nämlich ein harmonisches Zusammensein, in dem sich jeder authentisch zeigen darf, gesehen wird und in dem alle Beteiligten wachsen und sich entfalten dürfen. Immer unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Freiheiten des Anderen.

Kooperieren unsere Kinder einmal nicht mit uns, gibt es dafür einen Grund. Entweder stimmt das kurzfristige Ziel des Kindes nicht mit dem kurzfristigen Ziel der Eltern überein oder das Kind hat ein bestimmtes unerfülltes Bedürfnis, das es davon abhält, mit seinen Eltern zu kooperieren.

Bei den Pferden ist es nicht anders! Je länger ich mich gedanklich in den beiden Themenbereichen „Beziehungsorientierte Erziehung“ und „Beziehung Pferd-Mensch“ bewege, desto mehr Parallelen entdecke ich!

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Pferde möchten eine Beziehung haben

Dein Pferd möchte mir dir kooperieren. Es ist an einer echten Beziehung interessiert. Alle Pferde suchen nach Verbindung. Innerhalb ihrer Herde und auch außerhalb. Und wenn unsere Pferde einmal nicht kooperieren, dann hat das einen Grund. Die Frage ist nur, wie du damit umgehst.

Du kannst dein Pferd maßregeln und mit Druck auf es einwirken und somit das Verhalten unterbinden. In der Kindererziehung hat man das früher auch so gemacht. Man nennt das Behaviorismus. Mit Lob und Tadel wurden (werden manchmal immer noch) bestimmte Verhaltensweisen an- bzw. abgewöhnt.

Oder: Du kannst hinter das Verhalten deines Pferdes schauen und herausfinden, was dazu geführt hat, dass es dieses Verhalten zeigt. Ist es Unverständnis? Angst? Eine negative Erfahrung? Ein körperliches Problem? Erlernte Hilflosigkeit? Ein bestimmter Außenreiz? Oder hat es in dem Moment einfach zu viel aufgestaute Energie, die über ein bestimmtes Ventil entweichen musste?

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Steigen kann eine Stressreaktion sein

Reaktionen wie Erschrecken, Bocken, Steigen usw. sind oft unmittelbare Stressreaktionen, die keinen Denkprozess im Gehirn durchlaufen, sondern aufgrund eines hohen Adrenalinspiegels reflexartig ablaufen. (Emily Kieson u. Jessie Sams, 2020) Es ergibt daher wenig Sinn, dieses instinktive Verhalten zu bestrafen und dein Pferd noch mehr unter Stress zu setzen.

Versteh mich nicht falsch: Natürlich gibt es Verhaltensweisen, die sofort unterbunden werden müssen, da sie in direktem Zusammenhang mit euer beider Sicherheit stehen. Und es ist elementar wichtig, dass dein Pferd gewisse Grundregeln kennt und befolgt. Es sind eben Pferde mit rund 600kg Eigengewicht und keine kleinen Kinder.

Das beziehungsorientierte Training

Die wichtigste Voraussetzung für ein beziehungsorientiertes Training ist, dass dein Pferd und du eine gemeinsame Sprache entwickelt habt. Dass es dich versteht, dich respektiert und dir vertraut und du ihm das gleiche Verständnis, Vertrauen und den gleichen Respekt entgegenbringen kannst.

Denn dann kannst du individuell auf dein Pferd eingehen, es mit seinen Stimmungen, seinen mentalen Themen und seinen Bedürfnissen sehen und wahrnehmen.

Dann kannst du auch unterscheiden, ob dein Pferd sich rüpelig verhält, weil es eben die Grundregeln zwischen Pferd und Mensch noch nicht ausreichend kennt und ihr noch keine echte Beziehung zueinander aufgebaut habt, oder ob es gerade ein Problem hat, bei dem es dein Verständnis und deine Hilfe gebrauchen kann!

Wenn du die Ursache für ein Verhalten deines Pferdes herausgefunden hast, kannst du auf der Beziehungsebene darauf reagieren. Du musst es für das Verhalten nicht mit starr festgelegten Regeln und Maßnahmen strafen, sondern du kannst der Situation entsprechend reagieren und auf dein Pferd eingehen.

Eine vernünftige Grunderziehung am Boden ist somit die Basis für eine echte Beziehung zum Pferd.

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Für eine funktionierende Beziehung braucht es eine gemeinsame Sprache

Frag dich deshalb immer, was ein bestimmtes Verhalten ursprünglich (evolutionär) ausdrücken sollte und setzte es dann in den Kontext aus momentanen Außenreizen und aktueller Verfassung deines Pferdes. Denn jedes Verhalten hat eine Funktion – und wenn es in dem Fall nur die Funktion der Kommunikation ist!

 

Um seine Bedeutung zu verstehen, muss jedes Verhalten in dem Kontext beurteilt werden, in dem es auftritt. Emily Kieson und Jessie Sams

Wie bauen Pferde Beziehungen auf?

Aber wie baust du denn jetzt eine echte Beziehung zu deinem Pferd auf?

Dazu müssen wir wissen, wie Pferde überhaupt Freundschaften knüpfen und Verbindungen eingehen und inwiefern sich das von unserer Art, Beziehungen aufzubauen, unterscheidet.

Zu diesem Thema haben die Forscherinnen Emily Kieson und Jessie Sams 2020 einen Workshop gehalten, in dem sie die Ergebnisse verschiedener Studien vorgestellt haben. Die wichtigsten Fakten gebe ich dir hier an die Hand.

 

Keine Hierarchien in der Herde

Starten wir mit dem vielleicht größten und hartnäckigsten Mythos zum Thema, wie Pferde zusammenleben und wie eine Herde organisiert ist:

Unter natürlichen Bedingungen haben Pferde innerhalb ihrer Herde soziale Netzwerke und KEINE Hierarchien (wie es immer noch oft angenommen wird).

Jedes Pferd bestimmt also, welche anderen Pferde es innerhalb der Herde mag und somit auch, mit wem es Zeit verbringen und wem es nah sein möchte.

Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass das heute weit verbreitete Verständnis von Horsemanship, immer unsere Stellung als Leittier bzw. Herdenchef deutlich machen zu müssen, zu kurz greift: Wir sollten viel mehr auf die Beziehung zu unserem Pferd achten!

Individuellen Raum teilen

Pferde teilen ihren individuellen Raum mit einem befreundeten Pferd. D. h., dass ein Pferd die individuelle Blase eines befreundeten Pferdes betreten und sich dort aufhalten darf.

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Freunde dürfen gegenseitig den individuellen Raum des Anderen betreten

Gemeinsame Zeit und Erfahrungen

Außerdem verbringen sie viel gemeinsame Zeit miteinander (sie bewegen sich gemeinsam, fressen und dösen zeitgleich und in der Nähe des anderen) und sie teilen Erfahrungen, indem sie z. B. gemeinsam neue Objekte erkunden. Bei solchen gemeinsamen Aktivitäten gibt es keinen Anführer.

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Gemeinsames Dösen in der Sicherheit der Herde

Körperkontakt

Gegenseitiges Berühren kann, muss jedoch nicht zwingend zum Beziehungsaufbau genutzt werden. Auch bereits befreundete Pferde berühren sich nicht unbedingt regelmäßig. So ist auch das gegenseitige Fellkraulen (im englischen mutual grooming) kein Muss in einer Pferdefreundschaft – es ist aber ein sicheres Zeichen dafür, dass sie eine Freundschaft verbindet. Geht die Berührung hingegen nur von einem Pferd aus, ist das in der Regel nicht der Fall.

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Gegenseitiges Fellkraulen unter befreundeten Pferden

Höflichkeit und Respekt

In einer Freundschaft achten die Pferde gegenseitig stark auf die Bedürfnisse des Anderen. Das betrifft besonders die Entscheidungen darüber, was gemacht wird und wieviel Kontakt erwünscht ist.

Das Vorgehen beim gegenseitigen Fellkraulen ist noch nicht komplett erforscht, aber klar ist, dass die Pferde sich gegenseitig „fragen“, an welcher Stelle gerade wieviel Kraulen angenehm ist und dann auf die Antwort des Anderen warten. So respektieren sie die Bedürfnisse und Wünsche des Gegenübers und stärken ihre Bindung zueinander.

 

Körpersprache

Um miteinander zu kommunizieren, nutzen Pferde KEINEN Augenkontakt. Sie benutzen hauptsächlich nonverbale Signale, also Körpersprache.

Keine Futtergeschenke

Und zum Schluss kommt noch ein Fakt, der viele vielleicht enttäuschen, wenn auch nicht wirklich überraschen wird: Pferde geben sich gegenseitig KEIN Futter, um ihre soziale Bindung aufzubauen oder zu stärken!

Das heißt also auch, dass Futter sich nicht eignet, um eine echte Beziehung zu deinem Pferd aufzubauen!

Natürlich gibt es bestimmte Situationen, in denen man mit Futter als positiver Verstärkung durchaus sinnvoll arbeiten kann. Dabei geht es dann aber eben um Training und nicht um Beziehungsaufbau.

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Hier wird der Raum beim Fressen geteilt. Das Teilen des Heus resultiert daraus, spielt für die Pferde zum Beziehungsaufbau jedoch keine Rolle.

Und wie bauen wir Menschen Beziehungen auf – im Vergleich zu Pferden?

Bei uns Menschen funktioniert der Beziehungsaufbau in vielerlei Hinsicht etwas anders als bei Pferden.

 

Blickkontakt und Sprache

Als erste Kontaktaufnahme dient uns, anders als den Pferden, meist der direkte Blickkontakt. Danach kommunizieren wir sehr viel über verbale Sprache (auch wenn unsere Körpersprache und Mimik eine wahrscheinlich ebenso wichtige Rolle spielen).

Pferde hingegen kommunizieren fast ausschließlich über Körpersprache und lesen auch permanent an unserer Körperhaltung und unserem Muskeltonus ab, wie wir uns fühlen und was wir gerade ausstrahlen.

 

Ressourcen teilen

Wir Menschen teilen außerdem unsere Ressourcen – z. B. Essen – mit unseren Freunden. Ein sehr wichtiger Unterschied zu den Pferden. Denn das Teilen von Nahrung und das Versorgen eines Anderen mit Essen hat in der Menschheit eine sehr große Bedeutung.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die meisten Menschen auch (ihre) Tiere gerne füttern und sich dabei gut fühlen. Für unsere Pferde hat das Teilen von Futter allerdings nichts mit dem Aufbau oder der Stärkung einer echten Beziehung zu tun.

 

Körperkontakt

Berührungen sind ebenfalls ein unter Menschen oft genutztes Mittel, um Verbindung herzustellen. Die Berührungen müssen dabei allerdings, anders als bei den Pferden, nicht immer gegenseitig sein. Auch ein Auflegen der Hand auf den Arm eines Freundes schafft Nähe.

Wir klopfen uns auch gegenseitig auf Rücken oder Schulter und empfinden das als positive, anerkennende Berührung. Pferde hingegen kennen in ihrer intraspezifischen Kommunikation kein Klopfen.

Trotzdem ist das Klopfen des Pferdes als Lob weit verbreitet und anerkannt und viele Pferde werden das auch durch Konditionierung als solches erkennen. Aber eine angenehme, beziehungsstärkende Berührung ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht, da wäre Streicheln oder Kraulen die pferdegerechtere Alternative.

 

Gemeinsame Zeit und Erfahrungen

Wie die Pferde verbringen auch wir Menschen zum Beziehungsaufbau Zeit miteinander. Wir suchen die Nähe des Anderen und besonders gemeinsame Aktivitäten und Erfahrungen stärken das Band einer Freundschaft.

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Es gibt Unterschiede, aber auch einige Gemeinsamkeiten in der Art, wie Pferde und Menschen Beziehungen aufbauen

Wie finden Pferd und Mensch zusammen?

Über ausgiebig zusammen verbrachte Zeit, Nähe, gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen sowie eine gemeinsame Sprache können Mensch und Pferd eine echte Beziehung zueinander aufbauen. Im Vordergrund sollten dabei immer der gegenseitige Respekt für den Partner und die Achtung seiner Integrität stehen.

Das heißt für uns Menschen, dass wir die Grenzen des Pferdes feinfühlig wahrnehmen und respektieren sollten. Eben so, wie die Pferde es untereinander auch tun, wenn sie Freundschaften knüpfen.

Katja Seide und Danielle Graf beschreiben in einem ihrer Bücher über bindungsorientierte Erziehung die für menschliche Beziehungen allgemein gültigen 5 Säulen einer Beziehung.

Diese 5 Säulen sind aber nicht nur für zwischenmenschliche, sondern genauso für Pferd-Mensch-Beziehungen von Bedeutung.

  1. Wahrgenommen werden

Wir Menschen wollen als das gesehen werden, was wir sind: als Mensch, als Individuum, mit all unseren Eigenheiten und Besonderheiten. Wir wollen uns anerkannt und wertgeschätzt fühlen. Genauso geht es unseren Pferden.

– Trainiere nicht auf Autopilot, sondern nimm dein Pferd wirklich wahr und nimm es an, wie es ist.

  1. Beachtung der Bedürfnisse des Anderen

In einer guten Beziehung sollten beide die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse des Anderen erkennen und respektieren.

– Was braucht dein Pferd also gerade? Womit beschäftig es sich gern, womit eher nicht? Was mag es und gegen was hegt es eine Abneigung? Wo liegen seine besonderen Stärken?

  1. Gemeinsames Tun

Gemeinsam verbrachte Zeit und gemeinsame Erfahrungen schweißen zusammen und stärken die Bindung.

– Verbringe Zeit mit deinem Pferd und erlebe zusammen mit ihm neue, positive und vielleicht spannende Dinge. Orientiere dich an seinen Interessen und Stärken.

  1. Emotionale Resonanz

Wenn man auf der gleichen Wellenlänge ist, ist es leichter, eine enge, stabile Beziehung aufzubauen.

– Wenn dein Pferd vom Typ her zu dir passt, habt ihr wahrscheinlich schon eine ziemlich gute Zeit zusammen. Wenn aber z.B. ein sehr energetisches Pferd auf einen nach Entspannung suchenden Menschen trifft, kann es schwieriger werden. Trotzdem hilft es, sich emotional auf sein Pferd einzustellen.

  1. Empathie

Welche Absichten hat mein Gegenüber und welche Motive liegen seinem Verhalten zugrunde? Empathie bedeutet, sich in den Anderen einzufühlen.

– Fühl dich also in dein Pferd ein. Wie fühlt es sich in einer bestimmten Situation und warum verhält es sich auf eine bestimmte Art und Weise?

Wie passen diese Erkenntnisse nun mit unserem Pferdetraining zusammen?

Schließlich geht es im Training doch durchaus darum, ein bestimmtes Verhalten an- oder abzugewöhnen oder das Pferd zu konditionieren.

Tatsächlich muss ich dich enttäuschen, wenn du jetzt den Eindruck gewonnen haben solltest, dass du dein Pferd allein dadurch ausbilden kannst, es zu kraulen, mit ihm auf der Wiese zu chillen und gemeinsamen spazieren zu gehen.

Natürlich braucht es eine Grunderziehung, gewisse Regeln, Respekt, Vertrauen und Höflichkeit. Und wenn wir unser Pferd für ein bestimmtes Aufgabenfeld ausbilden wollen, dann braucht es auch das entsprechende Training, um ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet und ihr gewachsen zu sein.

Aber: Mir wird immer klarer, dass es nicht nur viel schöner ist, wenn das Pferd dabei mit uns in einem Boot sitzt, sondern dies beiden, Pferd und Mensch, das Training zudem ungemein erleichtert: Wenn wir eine echte Beziehung haben, also befreundet sind, können wir mit einer viel höheren Eigenmotivation und Zufriedenheit des Pferdes rechnen.

Für mich ist die Basis einer Beziehung die respektvolle Grunderziehung, also das Abstecken von gewissen Rahmenbedingungen, an die sich Pferd UND Mensch halten.

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Freundliche und respektvolle Kontaktaufnahme

Ich möchte, dass mein Raum und meine Grenzen gewahrt werden und dass mein Pferd vorsichtig und freundlich mit mir in Kontakt tritt. Genauso muss ich natürlich auch den Raum des Pferdes respektieren und seine körperliche Integrität wahren. Ich muss also seine momentanen Grenzen wahrnehmen und akzeptieren, anstatt achtlos über sie hinwegzugehen. Dazu gehört z. B., dass ich das Pferd nicht einfach so am Kopf berühre, wenn es das nicht mag.

Dass es als Reitpferd natürlich trotzdem lernen muss, gewisse Berührungen am Körper zu akzeptieren, ist klar. Aber auch das kann ich ihm höflich, geduldig und respektvoll beibringen.

Fazit: Passen Horsemanship und Beziehung zusammen?

Pferdegerechter Umgang in einer respektvollen Beziehung – nichts anderes heißt für mich auch der Begriff „horsemanship“ in seiner ursprünglichen Bedeutung.

Heute ist der Begriff Horsemanship jedoch stark mit bestimmten Trainingsmethoden und Ausrüstungsgegenständen belegt, wie dem Knotenhalfter und dem Stick. Das ist schade, denn die eigentliche Idee hinter dem Wort scheint mir dabei etwas in den Hintergrund gerückt zu sein.

Ich nehme heute in der Pferdewelt zwei Extreme von „Beziehungsaufbau“ zwischen Mensch und Pferd wahr, die aus meiner Sicht beide nicht artgerecht sind:

Das eine Extrem ist die Art von Horsemanship, die sehr strikten Regeln innerhalb eines recht starren Systems folgt und für mein Gefühl von einer eher maskulinen, technischen Dominanz geprägt ist.

In dieser Ausprägung geht es weniger um das Bedürfnis oder den Kontext eines Verhaltens, als vielmehr um das Verhalten selbst und dessen Korrektur. Die Führungsposition des Menschen wird wiederholt und stark betont.

Pferde, die nach diesem Schema gearbeitet werden, erlebe ich oft als brav, aber nicht als besonders motiviert oder zufrieden. Sie machen auf mich häufig einen eher frustrierten Eindruck.

Das andere Extrem ist der Versuch, eine Beziehung zum Pferd auf einer vermenschlicht wirkenden Ebene aufzubauen: Dabei werden menschliche Beziehungsmuster auf das Pferd projiziert und so dessen Verhaltensweisen falsch interpretiert.

Dabei wird das Pferd mit seinen arttypischen Bedürfnissen verkannt, zum Beispiel, wenn es aus falscher Tierliebe mit überflüssigen Futtergeschenken überversorgt wird. Dafür fehlen in einer solchen Pferd-Mensch-Beziehung meiner Erfahrung nach oft echter Respekt, Vertrauen und Sicherheit.

Für mich ist die Frage, ob Horsemanship und Beziehung zusammenpassen, eigentlich gar keine Frage. Denn: Sie passen auf jeden Fall zusammen! Wenn man es richtig macht!

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Partner fürs Leben

Wir können uns über Bodenarbeit eine gemeinsame Sprache mit dem Pferd aufbauen und so gewisse Grundregeln der Höflichkeit und des Respekts etablieren. Außerdem können wir unserem Pferd so zeigen, dass wir seine Körpersprache verstehen, seine Bedürfnisse erkennen und diese respektieren. Das allein schafft schon Verbindung und Nähe.

Auf dieser Basis können wir nun harmonisch Zeit mit unserem Pferd verbringen und gemeinsam Erfahrungen sammeln.

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Gemeinsames Tun und positive Erfahrungen stärken die Beziehung

Um die Bindung zu stärken, sollte es immer mal wieder einen Raum geben, in dem beide gleichberechtigt sind und gemeinsam entscheiden können. Pferd und Mensch sollten zusammen spielen können, Neues erkunden, ohne Plan, ohne definiertes Ziel, ohne Anführer, einfach gemeinsam als Team. Und natürlich immer nur so weit, wie sich beide wohlfühlen.

Und wenn wir dann noch die Geduld haben, die Beziehung zu unserem Pferd über Jahre hinweg wirklich wachsen zu lassen und seine Bedürfnisse über unsere eigenen Wünsche und Vorstellungen zu stellen, dann tragen wir dazu bei, dass unser Pferd zufrieden, selbstbewusst und ausgeglichen wird – und wir gewinnen einen verlässlichen Partner fürs Leben.

Hast du schon einmal so über das Thema Beziehung zu deinem Pferd nachgedacht? Wie harmonisch ist die Beziehung zwischen dir und deinem Pferd?

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Entspanntes Auftrensen: Warum dein Pferd sich beim Aufzäumen entzieht und wie du das nachhaltig ändern kannst

Kennst du das? Du hast dein Pferd fertig geputzt und schon gesattelt und nun fehlt nur noch die Trense damit es losgehen kann mit dem Reiten. Du merkst, wie du dich schon etwas verspannst, während du die Trense holst und das Halfter löst. Aber du willst ja positiv denken, also hoffst du einfach bis zur letzten Sekunde, dass dein Pferd es heute NICHT macht: Den Kopf wegziehen, sobald du es auftrensen möchtest.

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Und? Hat es heute geklappt? Oder musstest du dich wieder auf Zehenspitzen deinem Pferd entgegenrecken, um überhaupt eine Chance zu haben, mit der Trense in der Hand seinen Kopf zu berühren? Tja. Wenn du dich hier wiederfindest, dann lies unbedingt weiter.

Ich erkläre dir in diesem Artikel, wie entspanntes Auftrensen überhaupt aussieht, warum es wichtig ist und in welchen 3 Schritten du es mit deinem Pferd erreichen kannst.

 

Checkliste für entspanntes Auftrensen

Für mich sieht entspanntes Aufzäumen so aus:

  • Du gehst mit der Trense in der Hand zu deinem Pferd und ziehst ihm das Halfter aus.
  • Es bleibt ruhig neben dir stehen und senkt auf deine Berührung hin willig den Kopf.
  • Locker hältst du das Kopfstück in einer Hand und führst das Gebiss mit der anderen zum Maul.
  • Dein Pferd öffnet sanft sein Maul, sodass du das Gebiss vorsichtig hineinlegen kannst.
  • Zufrieden kaut dein Pferd, während du bequem ganz in Ruhe alle Riemen und Schnallen schließen kannst.

Dass dein Pferd sich so oder so ähnlich, aber auf jeden Fall bereitwillig in Ruhe auftrensen lässt, ist extrem wichtig. Zum einen kannst du so beim Auftrensen wirklich sanft sein, denn du hast Zeit und kommst an alle Stellen des empfindlichen Pferdekopfes und –mauls bequem heran. Zum anderen kann dein Pferd dir signalisieren, dass es bereit ist, die Trense zu nehmen wenn es dir den Kopf zuwendet.

In dieser entspannten Haltung sollte sich dein Pferd auftrensen lassen
Was passiert leider oft stattdessen?

Oft haben Pferde aus den unterschiedlichsten Gründen gelernt, dass Auftrensen blöd ist und dass sie sich dem entziehen können, indem sie den Kopf wegdrehen, hochreißen, rückwärtsgehen oder das Maul nicht öffnen. Weil wir Menschen oft nur in schnellen Lösungen denken (wir wollen ja schließlich aufsteigen und losreiten), versuchen wir, den Kopf des Pferdes herunterzuziehen, ihn irgendwie zu fixieren und das Gebiss mehr schnell als sanft ins Maul zu schieben.

Dass das Problem davon nicht kleiner wird ist klar, oder?

Worauf kommt es also an? Letztendlich auf das richtige Üben. Aber vorher musst du herausfinden, warum dein Pferd ursprünglich mit diesem Verhalten begonnen hat. Hier sind die häufigsten Gründe:

 

Häufige Gründe fürs Kopf-Hochreißen beim Auftrensen

  1. Dein Pferd ist noch jung und ist noch nicht ans Gebiss gewöhnt
  2. Dein Pferd hat Zahnprobleme: Wolfszähne, Milchzahnkappen, Haken etc.
  3. Dein Pferd zeigt eine Überempfindlichkeit an den Ohren oder dem Genick
  4. Das Gebissstück ist schlecht verarbeitet, scharfkantig oder anderweitig ungeeignet
  5. Das Kopfstück passt deinem Pferd nicht richtig
  6. Dein Pferd wurde oft unsanft aufgetrenst (z.B. Gebiss gegen die Zähne oder die Ohren zurückgeklemmt)
  7. Dein Pferd hat gelernt, dass es ihm einen Vorteil bringt, sich nach oben zu entziehen
  8. Allgemeines Unwohlsein deines Pferdes mit dem Gebiss z.B. durch harte Einwirkung beim Reiten

Na? Kannst du dein Pferd schon zuordnen oder tappst du noch im Dunkeln?

Es ist wirklich wichtig, die Ursache(n!) zu finden und diese zu beheben, bevor du mit dem Üben des entspannten Auftrensen beginnst. Denn das Verhalten deines Pferdes hat ja schließlich einen berechtigten Grund und ist ein Zeichen dafür, dass du etwas ändern, beheben und verbessern musst.

Mir ist es sehr wichtig, dass wir das Verhalten nicht nur wegtrainieren, sondern die Ursache herausfinden und beheben und erst dann zu einem harmonischen Miteinander durch gutes Training kommen. Darauf hat jedes Pferd ein Recht!

Schritt 1: Pferd durchchecken

Überprüfe also zunächst dein Pferd. Lässt es sich überall am Kopf bereitwillig anfassen? Auch an den Ohren, am Genick und am Maul? Kannst du seine Ohren bewegen und öffnet dein Pferd sein Maul, wenn du einen Finger in die Maulspalte auf die Lade legst? Ist es noch im Zahnwechsel und hat es evtl. Wolfszähne? Wie weit ist es ausgebildet? Wie lange wird es schon am Gebiss gearbeitet oder ist es ihm noch ganz neu?

Wenn du irgendwelche körperlichen Ursachen vermutest, zieh auf jeden Fall einen Experten zu Rate. Tierärzte, Pferdedentalpraktiker und Therapeuten können dein Pferd durchchecken, behandeln und mögliche körperliche Ursachen beheben.

 

Schritt 2: Ausrüstung durchchecken

Kontrolliere das Kopfstück. Ist es intakt und gut verarbeitet? Ist es korrekt zusammengebaut? Passt es deinem Pferd oder ist es zu klein, zu groß oder schlecht sitzend? Ist es korrekt verschnallt? Wie sieht es mit dem Gebiss aus? Ist es heil, hochwertig verarbeitet und frei von scharfen Kanten? Oder kann sich der Maulwinkel deines Pferdes zwischen Mundstück und Gebissring einklemmen? Passt die Größe? Drückt es auf die Zunge? Passt die Art des Gebisses zum Ausbildungsstand deines Pferdes und zu deinen reiterlichen Fähigkeiten? Lässt sich dein Pferd überhaupt fein auf diesem Gebiss reiten?

Erst wenn du sicher bist, dass nicht nur dein Pferd, sondern auch dein Zaumzeug in Ordnung ist, kannst du dich dem Üben des Auftrensens widmen.

Das Gebiss muss deinem Pferd gut passen und darf keine Schmerzen verursachen
Negative Erwartungshaltung auflösen

Es kann gut sein, dass du bei deinem Pferd und dem Trensenzaum nun einige Missstände beheben konntest, es beim Aufzäumen aber immer noch den Kopf hochnimmt oder sich anderweitig entzieht. Das Gleiche kann der Fall sein, wenn du überhaupt keine körperlichen Ursachen am Pferd oder Mängel am Zaum finden konntest.

In beiden Fällen zeigt dein Pferd das Verhalten weiterhin, weil es die unangenehmen Erfahrungen beim Auftrensen immer noch antizipiert. Ihm fehlt noch die Erfahrung, dass die Schmerzen, die Überempfindlichkeit, das Drücken, Scheuern und Klemmen oder das unsanfte ins Maul drücken des Gebisses jetzt weg sind und dass das Auftrensen nun in einer neuen und viel entspannteren Art und Weise stattfindet.

Diese Erfahrung darfst du ihm jetzt mit Schritt 3 schenken. J

Schritt 3: Das Auftrensen richtig üben

  1. Kopf senken üben

Lege deinem Pferd die rechte Hand ins Genick und die linke Hand auf den Nasenrücken. Mit ganz leichtem Druck bittest du dein Pferd, seinen Kopf in deine Richtung zu senken. Immer wenn es nachgibt, belohnst du es, indem du den Druck wegnimmst und es ausgiebig lobst und kraulst.

Tipp: Wenn die Übung ganz frei nicht funktioniert, weil dein Pferd sich zu stark entzieht, übe mit einem Halfter. Dann kannst etwas besser einwirken.

  1. Finger ins Maul legen

Lege deinem Pferd eine Hand vors Maul und warte bis es die Berührung entspannt toleriert, am besten mit gesenktem Kopf. Dann legst du deinen Daumen in die Maulspalte und auf die Lade, damit dein Pferd sein Maul öffnet. Es soll einfach nur ruhig kauen und keine Abwehrreaktion zeigen. Wiederhole das so oft, bis dein Pferd dabei entspannt bleibt.

  1. Ohren anfassen und bewegen

Da beim Auftrensen automatisch die Ohren berührt und bewegt werden, ist es hilfreich, wenn dein Pferd das gut toleriert. Berühre also beide Ohren einzeln: umfasse sie, bewege sie nach hinten und vorne usw. bis dein Pferd entspannt und mit gesenktem Kopf dabei stehen bleibt.

Tipp: Entzieht dein Pferd sich, arbeite wieder mit Halfter. Wenn dein Pferd den Kopf wegdreht oder wegzuckt, bleib mit der Hand sanft am Ohr, bis es sich entspannt. Erst dann nimmst du zur Belohnung die Hand weg und lobst ausgiebig. So funktioniert die Desensibilisierung am besten.

  1. Trense präsentieren

Halte jetzt den Trensenzaum in der rechten Hand am Genickstück und halte ihn deinem Pferd vor den Kopf. Deine rechte Hand kommt von oben zwischen die Ohren deines Pferdes und kann so im Genick die Kopfhöhe regulieren. Deine linke Hand hilft am Nasenrücken beim Kopfsenken. Entzieht sich dein Pferd wieder, bleibst du mit der Trense in der Hand dran und wartest bis es den Kopf wieder senkt und sich entspannt, bevor du die Trense wegnimmst und eine kurze Pause machst. Du belohnst also immer, wenn das Pferd sich zur Trense hin orientiert und entspannt. So zeigst du ihm, dass die Trense nicht unangenehm ist.

  1. Gebiss ins Maul legen

Wenn du deinem Pferd die Trense problemlos mit der rechten Hand vor den Kopf hängen kannst, legst du deine linke Hand unter das Gebissstück und führst es Richtung Maul. Wie in der zweiten Übung öffnest du jetzt mit dem Daumen das Pferdemaul und hebst das Gebiss vorsichtig auf die Zunge. Ich versuche, die Zähne überhaupt nicht zu berühren. Wenn es nicht klonkt, hat es gut geklappt. Lass dein Pferd ein bisschen mit dem Gebiss spielen und es dann wieder ausspucken. Sollte dein Pferd vor dem Gebiss doch noch zurückschrecken, bleib wieder sanft dran, bis es sich mit dem Gebiss vor dem Maul entspannt und belohne das Kopfsenken, indem du den Zaum ganz wegnimmst.

  1. Auftrensen

Erst wenn alle vorangegangenen Schritte entspannt klappen, trenst du dein Pferd richtig auf, indem du das Genickstück über die Ohren ziehst. Ich ziehe den Genickriemen immer erst über das eine, dann über das andere Ohr nach hinten. Vielleicht mag dein Pferd es aber lieber, wenn du die Ohren nach vorne drückst und das Genickstück dann hinter den Ohren richtig platzierst. Probiere es einfach aus. Anschließend kannst du alle Riemen in Ruhe schließen.

Tipp: Wenn dein Pferd besonders empfindlich ist oder viel Schopf und Mähne hat, stelle das Kopfstück zum Auftrensen doch einfach ein paar Löcher größer, dann ist es leichter.

  1. Abtrensen

Das Abtrensen machst du in umgekehrter Reihenfolge: Kopf senken, Riemen öffnen, Genickstück vorsichtig über die Ohren nach vorne ziehen, warten, Pferd langsam selbst das Gebiss „ausspucken“ lassen, damit es nicht gegen die Zähne schlägt, loben und kraulen.

Tipp: Genauso wie das Auftrensen kannst du auch das Aufhalftern üben. Mach es dir z. B. einfach zur Regel, dass dein Pferd ins Halfter „eintaucht“.

Manche Pferde sind empfindlich an den Ohren

Fazit

Also noch mal kurz zusammengefasst:

  • Wenn dein Pferd sich beim Auftrensen entzieht und dir zeigt, dass es das Auftrensen als unangenehm erfährt, finde als erstes den Grund heraus.
  • Wenn der körperliche Zustand des Pferdes sowie dein Trensenzaum in Ordnung sind, kannst du mit dem Üben des entspannten Auftrensens anfangen. Zeit, Ruhe, Timing und Wiederholung sind wichtig beim Üben.
  • Mache das erwünschte Verhalten für dein Pferd angenehm, das unerwünschte Verhalten unbequem.
  • Bleibe immer achtsam beim Auftrensen und lass dir Zeit. Die Zeit, die du vor dem Reiten in solche Dinge investierst, wird sich mehrfach auszahlen.
  • Registriere, wenn dein Pferd einmal nicht in die Trense „einsteigen“ möchte. Das hat bei der vorangegangenen Ausbildung immer einen Grund, den du unbedingt herausfinden solltest!

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So steht dein Pferd sicher und entspannt am Anbinder

Pferde sind klaustrophobisch veranlagt. Fast alle Pferde. Wenn wir sie also an einem Ort fixieren wollen, und dazu gehört auch das Anbinden, ist das für unsere Pferde schon mal per se nicht gerade die absolute Traumsituation und viele Pferde und Menschen haben schon schlechte Erfahrungen mit dem Thema Anbinden gemacht.

Der Horror ist:

Das Pferd hängt sich auf, zerrt wie irre am Strick, sitzt mit der Hinterhand schon fast auf dem Boden und wir fragen uns, welcher Teil der Ausrüstung – Halfter, Haken, Strick, Anbinder – nun wohl als erstes klein beigibt und endlich dem immensen Druck weicht und unseren panischen Kraftprotz von Pferd loslässt, bevor unser Tier ernstlich zu Schaden kommt. Einmal befreit, prescht unser Pferd vielleicht sogar noch quer über den Hof davon. Aber das ist ein anderes Thema.

Puh, diese Situation mag keiner. Kein Mensch und kein Pferd. Mein Cortisolspiegel (Cortisol ist eines unserer Stresshormone) ist glaube ich allein durchs Beschreiben dieser Situation schon gestiegen. Was kannst du also tun, wenn dein Pferd zu oben beschriebenem Verhalten neigt?

 

Strategie 1

Du bindest dein Pferd nie mehr an und / oder kaufst alles, was der Markt hergibt an dehnbaren Stricken, mit Sollbruchstellen versehenen Halftern, sich selbstöffnenden Panikhaken und was es sonst noch alles gibt.

 

ODER

 

Strategie 2

Du zeigst deinem Pferd, wie es dem Gefühl der Beengung beim Anbinden entgegenwirken kann und wie es sich selbst aus dem Druck befreit – ohne darauf angewiesen zu sein, dass irgendein Teil des Materials nachgibt. Hilf deinem Pferd und zeige ihm, dass es auch beim Anbinden selbstbestimmt sein kann!

 

Die 3 Voraussetzungen für entspanntes Anbinden:

  1. Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht.
  2. Der Anbindeplatz muss sicher sein.
  3. Lass dein Pferd nicht allein.
1. Dem Druck weichen

Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht. Heißt für diese Situation, es muss vor allen Dingen wissen, wie es dem Druck im Genick weicht. Es sollte also in der Lage sein, dem Druck deiner Hand in seinem Genick nach unten zu weichen und seinen Kopf zu senken und dort unten auch eine Weile entspannt zu verharren und zu warten.

Beim Führen sollte es keinen Oppositionsreflex mehr zeigen, sich also nicht ins Halfter hängen bis du mithilfe des Stricks seinen Hals in die Länge gezogen hast, während es wie angewurzelt stehenbleibt, sondern es sollte dir willig am Seil folgen. Und es muss bereitwillig deine treibenden Hilfen nach vorne annehmen, um aus dem Druck heraus vorwärts zu weichen.

Genau diese Übung machst du mit ihm auch am Anbinder, damit es lernt aus dem Druck heraus nach vorne Richtung Anbinder zu gehen. Dazu legst du den Strick einmal um den Haltebalken und behältst ihn in der Hand während du so viel Kontakt aufnimmst, dass dein Pferd den Zug im Genick spürt.

Hilf ihm dann mit einer treibenden Hilfe z. B. mit einer Gerte oder einem Stick die richtige Lösung zu finden und auf den Anbinder zuzugehen anstatt sich aufzuhängen und loszureißen.

Wenn es deinem Pferd schwerfällt und es nach hinten in den Druck reinzieht, kannst du zur Not nachregulieren und das Seil etwas locker lassen, bevor dein Pferd in Panik gerät.

Dem Druck am Anbinder weichen lernen
2. Sicherer Anbindeplatz

Der Anbindeplatz muss sicher sein. Heißt: Der Anbindebalken oder Haken in der Wand muss möglichst hoch angebracht sein. Das ist an den meisten Ställen leider nicht der Fall. Es gibt allerdings den Merksatz „Tie to the eye“, will heißen, Pferde am besten auf Augenhöhe anbinden. In der Höhe wirken weniger Kräfte auf die empfindlichen Strukturen unseres Pferdes, sollte es sich doch einmal unkontrolliert ins Seil hängen.

Außerdem kann dein Pferd nicht so gut mit dem Kopf unter dem Seil hindurchtauchen und sich dadurch aufhängen, wenn es so hoch angebunden ist.

Unsere Anbinder sind meist eher auf Brusthöhe, was ein Verheddern im Strick erleichtert. Besonders wenn dein Pferd versucht, sich zu Schubbern oder einfach eine Vorliebe dafür hat, mit dem Kopf unter dem Strick herumzuspielen. Vielleicht weil es dort unten das Grasbüschel erhaschen möchte? Oder weil es ein Spielkind ist und versucht, sich mit dieser Turnübung das Halfter auszuziehen?

Aber auch wenn der Anbinder an eurem Stall nun einmal niedrig ist, kannst du noch etwas tun, um ihn für dein Pferd sicherer zu machen:

Binde dein Pferd kurz an!

Klingt paradox, ist aber so. Ungefähr eine Unterarmlänge vom Haken unter dem Kinn bis zum Balken bzw. zum Ring in der Wand. So kann dein Pferd nicht mit dem Kopf unterm Seil durchtauchen, es kann nicht vom Boden fressen (was es ja eigentlich beim Putzen und Fertigmachen sowie nicht sollte) und es kann sich auch nicht mit den Beinen im Strick verheddern.

Dass die Anbindeumgebung ausreichend großzügig gestaltet sein sollte und möglichst frei von Verletzungsrisiken, setze ich hier einfach mal voraus.

Passende Stricklänge beim Anbinden
Kurzes Anbinden ist sicherer als zu langes Anbinden
3. Bleib dabei

Lass dein Pferd nicht allein! (Ja, du musst dann allen Kram aus der Sattelkammer vorher parat haben!) Dein Pferd weiß nun ja schon, wie es selbstständig aus dem ängstigenden und beengenden Druck wieder herauskommt, nämlich indem es einen Schritt nach vorne auf den Anbinder zugeht.

Trotzdem kann natürlich immer mal etwas Unvorhersehbares passieren. Es erschrickt sich zum Beispiel und dann ist es schön, wenn du da bist und ihm helfen kannst. Und zwar nicht, indem du schnellstmöglich den Strick durchschneidest (bitte nur im äußersten Notfall), sondern indem du ihm hilfst, auch in einer Stresssituation die richtige Lösung zu finden, nämlich selbstständig aus dem Druck herauszugehen und wieder einen Schritt auf den Anbinder zuzugehen.

Lass dein Pferd nicht unbeaufsichtigt am Anbinder stehen
Entspannt und ruhig stehen

Wenn du diese drei Aspekte hast, wird das Anbinden für euch kein Thema mehr sein. Dein Pferd wird sicher und entspannt am Anbinder stehen können und somit kannst auch du locker und entspannt sein.

Wir müssen uns klar machen, unser Pferd hat zwar Stress beim Losreißen, aber am Ende ist es frei. Es hat sich aus dem Druck befreit. Nur hat es eine Lösung gewählt, die für dich und dein Pferd stressig und gefährlich ist.

Zeige ihm also lieber die Lösung, die für euch beide viel entspannter und harmonischer ist, indem du ihm beibringst selbstständig dem Druck nach vorne zu weichen.

So fühlt sich dein vierbeiniger Klaustrophobiker viel selbstbestimmter und wohler in der ihm eigentlich eher unangenehmen Situation des Anbindens.

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