Category: Sicherheit

Pferde straßensicher machen – In 6 Schritten zum Verlasspferd im Straßenverkehr

Die LKWs rauschen vorbei, während du mit deinem Pferd an der Landstraße stehst und wartest. Fast schon gelangweilt steht es in entspannter Haltung neben dir, der Zügel hängt durch. Endlich überquert ihr die Straße und setzt euren Weg fort. Knatternde Motorräder, brummende Trecker und klingelnde Fahrradfahrer überholen euch dicht. Dein Pferd trottet gemütlich schnaubend dahin, denn du hast es straßensicher gemacht.

Könnte das eine Situation auf eurem Ausritt sein? Wenn ja, brauchst du nicht weiterzulesen.

Wenn nein, dann ist dieser Artikel für dich. Denn es geht darum, wie du dein Pferd straßensicher machst und es zu einem echten Verlasspferd im Straßenverkehr wird.

In diesem Artikel gebe ich dir 6 konkrete Schritte an die Hand, mit denen du die Straßensicherheit deines Pferdes trainieren, verbessern und festigen kannst.

Der Ist-Zustand

Vorab musst du natürlich wissen, wie der Ist-Zustand in Bezug auf die Straßensicherheit deines Pferdes ist.

  • Wie findet dein Pferd Autos? Straßen? Bestimmte Fahrzeuge?
  • Was sind eure bisherigen Erfahrungen mit Straßenverkehr?
  • Gab es negative Erlebnisse mit Fahrzeugen, Straßen, Brücken etc.?
  • Assoziiert dein Pferd Stress oder Angst mit Autos oder ist es ein „unbeschriebenes Blatt“?
  • Unabhängig vom Straßenverkehr: Wie steht es um eure bisherige Verständigung am Boden und euer gegenseitiges Vertrauen?
  • Wenn du reitest: Wie rittig ist dein Pferd und wie sicher steht es auch in stressigen Situationen an deinen Hilfen?

An dieser Stelle, ist mir ganz wichtig zu sagen:

Wenn bereits schlechte Erfahrungen mit Straßen, Verkehr oder Fahrzeugen bestehen und dein Pferd in der Vergangenheit schon einmal panisch wurde oder / und es Unfälle gegeben hat, dann nimm dir bitte einen erfahrenen und professionellen Trainer zu Hilfe.

Dieser hat mehr Erfahrung, mehr Routine, andere Trainingsbedingungen und vor Allem ist die Situation für ihn nicht mit Angst besetzt.

Die Sicherheit von dir, deinem Pferd und von Dritten steht hier an erster Stelle!

Einen ausführlichen Artikel zum Thema Angst beim Reiten und was wir dagegen tun können, findest du übrigens hier.

6 Schritte zum straßensicheren Pferd

Abhängig vom Ist-Zustand durchläufst du nun die folgenden 6 Schritte, um dein Pferd straßensicher zu machen und es zu einem echten Verlasspferd im Straßenverkehr werden zu lassen.

Du weißt am besten, in welchen Schritt ihr am meisten investieren müsst, sodass du die 6 Schritte für dich und dein Pferd anpassen kannst.

Schritt 1 – Bodenarbeit

Als erstes überprüfst du die Verständigung mit deinem Pferd vom Boden und verbesserst sie gegebenenfalls wenn nötig.

Eine feine und leichte Kommunikation vom Boden beinhaltet für mich:

  • Sicheres Führen von beiden Seiten
  • Sofortiges Anhalten und Stillstehen
  • Leichtes Rückwärtsrichten
  • Kontrolle der Vorhand
  • Verschieben der Hinterhand und
  • Kopf senken als abrufbare entspannte Körperhaltung

Kannst du all diese Übungen leicht abrufen, habt ihr sehr wahrscheinlich ausreichend Vertrauen und Respekt aufgebaut und könnt euch nebeneinander sicher fühlen.

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Schritt 2 – Gelassenheitstraining

Um dein Pferd auf eventuell stressige und unbekannte Situationen an der Straße vorzubereiten, solltest du seine generelle Gelassenheit trainieren. Das kannst du durch typisches Gelassenheitstraining und Aussacken machen.

Dein Pferd lernt so neue Reize kennen und es lernt vor Allem auch, wie es mit neuen, furchteinflößenden Reizen umgehen kann.

Es lernt, sich auf dich als Mensch und als vertrauenswürdigen Partner zu verlassen und Sicherheit und Entspannung bei dir zu suchen, anstatt seinen Instinkten zu folgen und ohne Nachdenken zu fliehen.

Außerdem kannst du durch diese Übungen einschätzen, wie dein Pferd sich unter Stress verhält und wie seine Reaktion auf Außenreize aussieht.

Du erfährst auch, wie gut eure Kommunikation unter Anspannung noch funktioniert.

Sehr wichtig zu wissen übrigens!

Schritt 3 – Erste Erfahrungen an der Straße

Wenn du noch nicht viel mit deinem Pferd im Gelände warst und hier noch ein bisschen Übungsbedarf hast, schau doch mal den Artikel Ausreiten üben – Die 13 besten Tipps zur Vorbereitung auf einen sicheren Ausritt.

Wenn dein Pferd mit dem Gelände schon vertraut ist, kannst du dich an die ersten Erfahrungen an der Straßen wagen.

Hierfür brauchst du eine geeignete Stelle, an der ausreichend Platz zum Ausweichen ist und keine gefährlichen Engpässe, Zäune, Gräben etc. euch den Weg versperren, solltet ihr mehr Abstand zur Straße benötigen.

Sehr gut eignet sich zum Beispiel für den Anfang auch eine an die Straße grenzende Koppel oder eine Wiese in Sicht- und Hörweite zur Straße.

Suche dir einen passenden Ort aus, an dem du dich wohlfühlst und so ohne Stress die ersten Erfahrungen mit deinem Pferd an der Straße machen kannst.

Ziel dieses Schritts ist, dein Pferd an der Straßen einschätzen zu lernen und seine Reizschwelle herauszufinden.

Wo endet seine Komfortzone und wie reagiert es, wenn du diese Komfortzone ausdehnst?

Tipp

Wenn du schon weißt, dass dein Pferd sehr ängstlich ist, nimm dir für diese ersten Erfahrungen am besten auch schon ein sicheres Begleitpferd mit.

Schritt 4 – Üben, üben, üben

Nachdem du nun weißt, wo ihr steht, geht es jetzt ans Üben.

Dein Ziel ist es, die Komfortzone deines Pferdes so weit auszudehnen, dass es alles, was es als Reitpferd im Straßenverkehr leisten muss, ohne Stress bewältigen kann.

Dafür ist es wichtig, dass es positive Erfahrungen sammeln kann. Versuche also immer, die Trainingssequenzen an der Straße so zu beenden, dass dein Pferd sich dabei gut fühlen kann.

Vielleicht kannst du einem Radfahrer, einem Trecker oder einem langsam fahrenden Auto hinterhergehen oder -reiten, um deinem Pferd das Gefühl zu geben, dass es das Fahrzeug vertreiben kann.

Oder du entfernst dich wieder von der Straße, sobald dein Pferd es geschafft hat, sich zu entspannen.

Je nachdem wie schwer dein Pferd sich tut, helfen auch sichere und erfahrene Pferde, die an der Straße Ruhe ausstrahlen, deinem Pferd, sich besser zu fühlen und zu entspannen.

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Ein erfahrenes Begleitpferd gibt deinem Pferd Ruhe und Sicherheit an der Straße

Schritt 5 – Herausforderungen suchen

Im nächsten Schritt fragst du das Geübte routinemäßig ab und suchst dir und deinem Pferd zusätzlich neue Herausforderungen, um es noch straßensicherer zu machen.

In diesen Situationen kannst du überprüfen, wie sicher dein Pferd wirklich ist und in wie weit es das Gelernte auch auf neue Situationen übertragen kann.

Gibt es eine Bahnstrecke in eurer Nähe? Vielleicht kannst du mit ausreichend Abstand auf einer Wiese daneben gehen und warten bis ein Zug kommt?

Oder kannst du mit deinem Pferd eine Brücke überqueren, unter der der Verkehr schnell hindurch saust?

Wie sieht es aus mit großen Erntemaschinen? Motorradgruppen oder Kutschen?

Auch bei diesem Schritt steht euer beider Sicherheit an erster Stelle! Lass dich begleiten und begib dich nicht in unnötig gefährliche Situationen.

Schritt 6 – Routine

Im letzten Schritt soll der Straßenverkehr wirklich zur Routine werden. Wie alles, was wir nur ab und an mal machen, bleibt auch der Verkehr etwas Außergewöhnliches, wenn wir ihn nicht regelmäßig in unser Training einbeziehen.

Daher solltest du die Straßensicherheit deines Pferdes regelmäßig abfragen und immer wieder neue Situationen schaffen, in denen dein Pferd Selbstvertrauen gewinnen und an seiner Aufgabe im Straßenverkehr wachsen kann.

Fazit

Manche Pferde sind aufgrund ihres unerschrockenen Interieurs und ihrer Vorerfahrungen von Beginn an sicherer im Straßenverkehr als andere Pferde.

Aber: Straßensicherheit kann man mit jedem Pferd trainieren, und sollte dies auch tun! Denn du weißt nie (zumindest nicht, wenn du ausreitest), wann du in Situationen kommst, in denen du Fahrzeugen begegnest.

Die für mich aus Trainersicht wichtigste Voraussetzung für ein sicheres und entspanntes Pferd im Straßenverkehr ist die fundierte Grundausbildung des Pferdes und (!) des Menschen am Boden und später auch unter dem Sattel. Denn eine funktionierende Kommunikation schafft Sicherheit und Sicherheit schafft Entspannung und Gelassenheit.

Mit diesen 6 Schritten kannst du dein Pferd zum Verlasspferd an der Straße machen:

  • Bodenarbeit
  • Gelassenheitstraining
  • Erste Erfahrungen an der Straße
  • Üben, üben, üben
  • Herausforderungen suchen
  • Routine entstehen lassen

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Und noch einmal der wichtige Hinweis zum Schluss:

Wenn du dich nicht sicher fühlst im Umgang mit deinem Pferd oder im Training an der Straße, dann hol dir unbedingt Hilfe von einem erfahrenen Trainer vor Ort!

Ist dein Pferd straßensicher? Was sind deine Erfahrungen mit Pferden im Straßenverkehr? Schreine gerne einen Kommentar weiter unten!

Angst beim Reiten – Wie sie sich äußert und was du dagegen tun kannst

Pferde nehmen unsere Emotionen wahr und auch wir Menschen können den Gemütszustand unseres Pferdes spüren. Was das bedeuten kann, wenn es um Gefühle wie Angst beim Reiten geht, wissen viele Reiter aus Erfahrung: Pferd und Mensch geraten in eine Angstspirale und bestärken sich gegenseitig in ihrer Angst. Keine schöne Erfahrung – weder für Pferd noch Mensch.

Aber wann tritt Angst überhaupt auf? Fürchten sich Pferd und Mensch vor der gleichen Sache, der gleichen Situation, dem gleichen Objekt?

Und wie äußert sich Angst bei Pferd und Mensch auf körperlicher und psychischer Ebene?

Und vor Allem: Was können wir gegen die Angst beim Reiten tun?

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In diesem Artikel bekommst du Antworten auf diese Fragen sowie aufschlussreiche Fakten und hilfreiche Anregungen zum Thema Angst beim Reiten.

Definition von Angst versus Furcht

Die Begriffe Angst und Furcht benutzen wir im Sprachgebrauch oft synonym. Dabei gibt es durchaus einen Unterschied zwischen Angst und Furcht:

Angst bezeichnet ein Grundgefühl, das sich auf der Basis von tatsächlicher oder angenommener Bedrohung entwickelt. Angst ist also eher vage und kann mit keiner konkreten Situation in Verbindung gebracht werden.

Der seltener benutzte Begriff der Furcht dagegen wird verwendet, wenn sich der Gefühlszustand direkt auf ein bedrohliches Objekt oder auf eine bedrohliche Situation bezieht. Furcht ist also im Gegensatz zur Angst sehr konkret, situationsbezogen und damit auch zeitlich begrenzt.

Antonyme (Gegenwörter) zu Furcht und Angst sind Begriffe wie Neugierde, Gelassenheit und Zuversicht.

Wie äußert sich Angst bei Mensch und Pferd?

Angst kann sich beim Menschen auf vier Ebenen äußern:

auf der körperlichen, der emotionalen, der kognitiven und der Verhaltensebene.

Angst gehört bei Mensch und Pferd zur Grundausstattung an Gefühlen. Sie hat durchaus ihre Berechtigung, da sie uns vor Gefahren oder risikoreichen Aktionen schützen und damit unser Überleben sichern kann.

Körperliche Ebene

Empfinden wir Menschen Angst, versetzt sich unser Körper in Alarmbereitschaft, in den sogenannten Kampf- oder Flucht-Modus. Damit können unterschiedliche körperliche Symptome einhergehen.

Einige Beispiele sind:

  • Herzklopfen und Pulsbeschleunigung
  • Atemnot
  • Zittern
  • Schweißausbrüche
  • Pupillenerweiterung
  • bleiches Gesicht
  • trockener Mund
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Schlaflosigkeit
  • erhöhter Muskeltonus

Viele dieser Symptome zeigen auch unsere Pferde, wenn sie Angst haben:

Starkes Herzklopfen, dass manchmal sogar durch den Sattel zu spüren ist, aufgeblähte Nüstern, geweitete Augen, angespannte Muskulatur, vermehrtes Schwitzen, häufiges Absetzen von Kot (Stressäppeln) und keine Kauaktivität sind Beispiele für körperliche Angstreaktionen beim Pferd.

Emotionale Ebene – Gefühle

Auf emotionaler Ebene kann das Grundgefühl der Angst je nach Mensch und Situation unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Oft zieht die Angst noch weitere Emotionen wie

  • Nervosität
  • Pessimismus
  • Überforderungsgefühl
  • Gereiztheit
  • Dünnhäutigkeit oder
  • Hilflosigkeit

nach sich.

Auch wenn es schwieriger zu erforschen ist, können wir ähnliche Gefühle bei unseren Pferden ebenfalls beobachten.

Ein Pferd in Angst ist nervös und sucht nach einem schnellen Ausweg aus der Situation. Es wird auf unsere Anfragen dünnhäutiger und extremer (oder gar nicht) reagieren, als unter gewohnten Umständen und wenn es sich der Situation nicht gewachsen fühlt, jedoch keinen Ausweg findet, können wir wahrscheinlich auch von einer Art empfundener Überforderung und Hilflosigkeit ausgehen.

Kognitive Ebene – Gedanken

Auf der kognitiven Ebene äußert sich Angst in negativen Gedanken, Befürchtungen, Sorgen und negativen Bewertungen. Durch das gedankliche Befassen mit einer gefürchteten Situation wird zusätzliche Erwartungsangst geschürt und eine erwartete Situation und ihr vermeintlicher Ablauf werden im Kopf katastrophisiert (Worst-Case-Szenario).

Wichtig ist, sich klar zu machen, dass diese Gedanken oft nicht den Tatsachen entsprechen, sondern eher der Angst selbst entspringen.

Verhaltensebene

Auf der Verhaltensebene führt Angst vor allem zu Vermeidungsverhalten – sowohl beim Menschen als häufig auch beim Pferd.

Dieses Vermeidungsverhalten kann bei uns Menschen zum Aufschieben (prokrastinieren) einer bestimmten Situation oder Aufgabe sowie zum Bedürfnis, bestimmte Dinge stark kontrollieren zu wollen, führen.

Bei Pferden führt es dazu, dass bestimmte Situationen oder Objekte gänzlich gemieden werden.

Angst lässt uns unsere Muskulatur verkrampfen oder uns komplett erstarren. Wir können durch Angst regelrecht handlungsunfähig werden.

Zu viel Angst ist daher ein starker Leistungshemmer.

In Maßen kann uns Angst allerdings auch auf Gefahren hinweisen, uns Risiken bewusst machen und uns durch eine erhöhte Herzfrequenz und vermehrte Durchblutung auch handlungsfähig werden lassen.

Ein Pferd wird durch Angst kurzfristig körperlich leistungsfähiger, was ihm bei einer Flucht zugutekommt.

Angst kann also auch durchaus hilfreich sein.

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Angst kann sich auf vier Ebenen äußern

Wovor hat das Pferd Angst?

Aber wovor haben Pferde denn nun typischerweise Angst?

Als in der Steppe lebendes Beutetier ist das Pferd evolutionär darauf gepolt, vor lauernden, sich anpirschenden und aus Bodennähe angreifenden Raubtieren zu flüchten. Pferde nehmen daher Bewegungen in der Ferne und rasche Bewegungen am Boden besonders gut wahr.

Ein Fahrradfahrer am Feldrand in der Ferne kann Pferde schon mal in Alarmbereitschaft versetzen. Genauso erschrecken Pferde typischerweise vor einer über den Boden wehenden Plastiktüte o. Ä., wenn noch keine entsprechende Gewöhnung an den Reiz stattgefunden hat.

Wer mit Pferden zu tun hat, weiß: Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt. Pferde können sich je nach Vorerfahrung auch vor Traktoren, Kühen, fremden Geräuschen, Anhängern, der gruseligen Ecke in der Reithalle und anderen Dingen fürchten.

Aber sich klar zu machen, wovor Pferde typischerweise Angst haben, kann helfen, sie besser zu verstehen und einzuschätzen.

Hier ein paar Beispiele:

  • Sich verändernder Untergrund (Wasser, Matsch, Gullideckel, Fahrbahnbelag …)
  • Mülltonnen, Stromkästen, Bänke
  • Uneinsichtige Hecken oder Knicks
  • Heranlaufende Hunde
  • Kinderwagen, Fahrradfahrer etc.
  • Kleinere Findlinge oder Baumstümpfe

Was ängstigt den Menschen?

Wir Menschen hingegen wissen natürlich, dass uns auf dem Ausritt weder die Mülltonne am Straßenrand, noch der Gullideckel, noch der Baumstumpf oder der nahende Kinderwagen angreifen und fressen werden.

Vielleicht kann man so auch das Unverständnis erklären, mit dem einige Reiter auf die Angst ihres Pferdes vor solchen Alltagsgegenständen reagieren.

Viel häufiger jedoch ist es so, dass der Reiter zwar keine Angst vor dem Baumstumpf hat, sehr wohl aber vor der Reaktion seines Pferdes auf den Baumstumpf.

Nun haben also Pferd UND Mensch Angst. Zwar nicht vor dem gleichen Objekt, aber vor der gleichen Situation.

Da das Pferd die Angst des Reiters spürt, sieht es sich in seiner Annahme, der Baumstumpf sei gefährlich, natürlich bestärkt. Schließlich strahlt sein Herdenpartner, der Mensch, ja auch Angst aus.

Und fertig ist die Angstspirale.

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Pferd und Reiter können sich gegenseitig in ihrer Angst bestärken

Wege aus der Angstspirale

Beim Pferd zeigt sich die Angst nun also auf ihren unterschiedlichen Ebenen z. B. durch Verspannung, Herzklopfen, Stressäppeln, geblähte Nüstern, Nervosität und verminderter Bereitschaft auf die Reiterhilfen zu reagieren.

Beim Menschen hat die Angst sich vielleicht schon im Vorfeld der Situation durch negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf den Ausritt geäußert und zeigt sich nun ebenfalls auf körperlicher Ebene durch Verkrampfung und erhöhte Puls- und Atemfrequenz.

Auf der Verhaltensebene versucht der Mensch nun vielleicht schnellstmöglich aus der Situation zu entkommen, was natürlich nur kurzfristig eine Erleichterung verschafft.

Langfristig muss unbedingt eine andere Strategie her, damit die Angst beim Reiten gar nicht mehr auftritt.

Wie kann das also gehen?

Du findest im Folgenden verschiedene Anregungen, wie du Angst beim Reiten oder in der Arbeit mit dem Pferd begegnen kannst.

Angst akzeptieren

Zunächst einmal ist es mit der Angst wie mit allen anderen Gefühlen auch: Sie möchte wahrgenommen werden.

Der erste Schritt für uns Reiter ist also, die eigene Angst anzuerkennen und sie zu tolerieren. Es kann sogar helfen, sie anzusprechen und in eine Art Dialog mit der Angst zu gehen. Vielleicht finden wir so heraus, warum die Angst da ist und wovor sie uns beschützen möchte.

Ignorieren wir die Angst oder gehen über sie hinweg, wird sie meist nur noch schlimmer.

Ausbildungsstand überprüfen

Sehr oft haben Reiter Angst vor einem Kontrollverlust und der damit einhergehenden Gefahr für Mensch und Pferd.

Meiner Erfahrung nach ist eine wirklich fundierte Grundausbildung des Pferdes UND des Reiters die beste Möglichkeit, einen Kontrollverlust zu vermeiden. Je besser die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch ist und je mehr verschiedene Angstreize Pferd und Reiter innerhalb der Ausbildung kennengelernt haben, desto mehr Sicherheit und Vertrauen entsteht.

Überprüfe also noch einmal kritisch, wie gut dein Pferd in verschiedenen Situationen wirklich an den Hilfen steht – am Boden und unter dem Sattel.

Wenn du Verbesserungsbedarf entdeckst, dann arbeite in gewohnter und ruhiger Umgebung daran und übe immer Schritt für Schritt vom Leichten zum Schweren. Fast immer liegt die Ursache in der Basis. Also scheu dich nicht, noch einmal etliche Schritte zurückzugehen.

Außerdem kannst du dein Pferd mittels systematischer Desensibilisierung an Angstreize gewöhnen und ihm so mehr Sicherheit, Vertrauen und Gelassenheit geben.

Embodiment

Der Begriff Embodiment ist eigentlich eher im Humanbereich bekannt, ist aber inzwischen auch im Pferdebereich nicht mehr ganz neu.

Unter Embodiment wird das Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt verstanden. Es wird davon ausgegangen, dass unsere Erlebnisse und Erfahrungen nicht nur im Großhirn, sondern auch in den Zellen unseres Körpers gespeichert werden. Unsere Gedanken und Erfahrungen beeinflussen somit unseren Körper.

Umgekehrt konnten Wissenschaftler nachweisen, dass eine gewisse Körperhaltung, Gestik oder Mimik eine entsprechende psychische Reaktion hervorrufen kann. (Niedenthal et al, “Embodiment in Attitudes, Social Perception, and Emotion”, 2005)

Wenn es dich interessiert: Den kompletten Artikel findest du hier.

Eine aufrechte, entspannte und offene Körperhaltung kann uns also helfen, uns weniger ängstlich und verkrampft zu fühlen und stattdessen gelassener in eine beunruhigende Situation hineinzugehen.

Auch eine tiefe Bauchatmung, ein lockerer Kiefer und ein Lächeln im Gesicht können wirklich helfen, sich auf dem Pferd von Angst zu befreien.

Ich mache meine Schüler besonders in angespannten Situationen immer wieder darauf aufmerksam, die Kiefermuskulatur locker zu lassen und zu lächeln. Auch pfeifen oder summen kann gut funktionieren.

Beim Pferd können wir uns Embodiment ebenfalls zunutze machen, indem wir das Pferd ganz bewusst in eine entspannte Körperhaltung bringen. Mit gedehnter Oberlinie, also tiefer Kopf-Hals-Position, können Pferde sich deutlich besser entspannen (Parasympathikus ist aktiv), als wenn sie die Rückenmuskulatur anspannen und den Hals stark aufrichten (Sympathikus ist aktiv).


Im Mini-Videotraining lernst du übrigens, wie du deinem Pferd das Kopfsenken ganz einfach beibringen kannst. Diese Übung ist wirklich ein Schlüssel, um gestressten Pferden wieder zu mehr Gelassenheit zu verhelfen.


Auch das Biegen und Übertreten eignet sich prima, um das Pferd in eine Haltung und eine Bewegung zu bringen, in der es bei korrekter Ausführung seine Bauchmuskulatur (ventrale Muskelkette) nutzt, die vom Parasympathikus angesprochen wird und Beruhigung und Entspannung fördert.

Das Pferd in Stellung, Biegung oder im leichten Seitwärts durch Angstsituationen zu reiten, kann deshalb auch wirklich wahre Wunder bewirken.

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Mit gedehnter Oberlinie und tiefer Kopf-Hals-Haltung können Pferde besser entspannen

Entkatastrophisieren mit der Szenario-Technik

Oftmals spielen sich in unseren Köpfen die schlimmsten Horrorszenarien ab. Dabei haben diese Szenarien nicht immer etwas mit der Realität zu tun. Sie schüren jedoch unsere Angst.

Hier kann es helfen, die gefürchtete Situation zu entkatastrophisieren, indem wir uns möglichst objektiv das Worst-Case-Szenario, das Best-Case-Szenario und das wahrscheinlichste Szenario ausmalen.

Durch die verschiedenen Ergebnisse dieses Gedankenspiels entwickeln wir eine erweiterte und angemessenere Perspektive auf die Angstsituation.

Ein Beispiel:

Worst-Case-Szenario: Mein Pferd scheut auf dem Ausritt vor dem Baumstumpf, geht durch, ich falle herunter, breche mit einen Halswirbel und bin querschnittsgelähmt.

Best-Case-Szenario: Mein Pferd sieht den Baumstumpf auf dem Ausritt, stuft ihn als ungefährlich ein und geht in ruhigem Schritt am langen Zügel ganz entspannt daran vorbei.

Wahrscheinlichstes Szenario: Mein Pferd erblickt den Baumstumpf auf dem Ausritt, hebt den Kopf, verspannt sich etwas, lässt sich dann jedoch durch meine Hilfen gut einrahmen und geht in leichter Stellung im Schenkelweichen am Baumstumpf vorbei.

Gedankendisziplin

Ein weiterer Tipp, um der Angst entgegenzuwirken, ist Gedankendisziplin. Wir können unser Gehirn trainieren, möglichst positiv zu denken und uns dabei z. B. auch schöne, ermutigende Erinnerungen, die wir mit unserem Pferd gesammelt haben, zunutze machen. Dadurch kommen wir in eine gute psychophysiologische Verfassung, die negative Gedanken und Angst hemmt.

Schaltet unser Gehirn wieder in den Dramamodus und schürt unsere Angst, drücken wir gedanklich auf Stopp und konzentrieren uns bewusst auf unsere Stärken und das Positive.

Visualisierungen

Die Visualisierung ist eine weitere Methode aus dem Mentaltraining und kann dabei helfen, Angst vor bestimmten Situationen aufzulösen. In der Visualisierung arbeiten wir mit inneren Bildern. Wir stellen uns die ängstigende Situation bildhaft vor und malen sie uns so aus, wie wir sie gerne erleben würden.

Es geht darum, ein sehr detailliertes Bild dessen zu erschaffen, was wir in dieser Situation mit unserem Pferd erleben und fühlen möchten. Dabei können sogar die gleichen Gefühle ausgelöst werden, als wenn wir die Situation tatsächlich erlebt hätten.

In unserem Gehirn stärken wir dadurch bestimmte neuronale Bahnen. Es ist ein bisschen so, als hätten wir unsere Visualisierung schon in Wirklichkeit erlebt. Das wiederum erhöht die Chancen, dass die ausgemalte Version der Situation wirklich so eintritt, wie wir es uns wünschen.

Bei regelmäßiger Anwendung dieser Technik kann sich unsere Gehirnstruktur tatsächlich verändern. Grund dafür ist die sogenannte Neuroplastizität des Gehirns. Der gleiche Effekt tritt übrigens auch bei regelmäßiger Meditation ein.

Wenn es dich interessiert: Einen kleinen Artikel zum Thema Visualisierung findest du hier.

Dialog gibt Sicherheit

Reden hilft ja bekanntlich oft in Konfliktsituationen. Genauso kann uns auch ein Self-Talk – ein Dialog mit uns selbst – helfen, Angstsituationen besser zu meistern.

Wenn du ruhig mit dir und deinem Pferd sprichst, während ihr euch in einer angespannten Situation befindet, kann das euch beide beruhigen. Das Verbalisieren hilft vielen Menschen, die Gefahren und Risiken aber auch die Lösungsstrategien klar zu definieren.

Und wer einen Plan hat, fühlt sich gleich schon nicht mehr ganz so hilflos und ausgeliefert.

Konkrete Mutsätze eignen sich ebenfalls gut.

Ein Beispiel:

Ich habe alles spielend leicht unter Kontrolle, fühle mich sicher und mein Pferd vertraut mir.“

Probiere einfach aus, was sich für dich richtig anfühlt.

Noch ein positiver Nebeneffekt: Beim Reden atmest du automatisch aus und bewegst deine Gesichtsmuskulatur, was wiederum für zusätzliche Entspannung sorgt.

Humor nutzen

Zu guter Letzt kann uns auch Humor helfen. In den seltensten Fällen befinden wir uns mit unserem Pferd in akuter Lebensgefahr. Manches dürfen wir darum auch einfach etwas leichter nehmen und mit Humor betrachten.

Dein Pferd ist beim Spaziergang mit allen Vieren gleichzeitig in die Luft gesprungen, um dann neben dir wie angewurzelt stehen zu bleiben und nach kurzem Zögern doch vertrauensvoll weiter zu gehen?

Oder bist du fürchterlich zusammengezuckt, weil du mit dem Erschrecken deines Pferdes gerechnet hattest, dabei hat es nur herzhaft geschnaubt?

So what? Das ist ok. Du darfst gerne mal über dich und dein Pferd lachen. Das hilft, die Spannung zu lösen.

Fazit

Angst beim Reiten ist ein großes und wichtiges Thema. Um sie zu verstehen und ihr entgegenwirken zu können, hilft ein gewisses Hintergrundwissen.

Angst äußert sich bei Menschen (und Pferden) auf vier verschiedenen Ebenen: körperlich, emotional, kognitiv und im Verhalten.

Pferde fürchten sich arttypischer Weise vor Objekten, die in der Art der Erscheinung und Bewegung einem Raubtier ähneln. Aber auch völlig andere Gegenstände, Geräusche oder Orte können Angst auslösen.

Menschen dagegen fürchten sich meist eher vor der unkontrollierbaren Reaktion des Pferdes auf einen Angstreiz und den damit einhergehenden Gefahren, wie Durchgehen oder Abwerfen.

Um die Spirale der Angst beim Reiten zu unterbrechen, können wir verschiedene Methoden und Techniken anwenden:

  • Die Angst bewusst wahrnehmen und annehmen
  • Den Ausbildungstand von Pferd und Reiter verbessern
  • Mit Embodiment für mehr Entspannung, Gelassenheit und Selbstvertrauen sorgen
  • Mit der Szenario-Technik die Situation im Kopf entkatastrophisieren
  • Durch Gedankendisziplin bewusst unser Denken steuern
  • Mit Visualisierungen das Wunschergebnis konkretisieren
  • In einen verbalen Dialog mit uns selbst und unserem Pferd gehen
  • Die Dinge mit Humor nehmen

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Alle diese Tipps können dir helfen, Angst beim Reiten in unterschiedlichen Situationen zu verringern oder aufzulösen.

Die für mich aus Trainersicht wichtigste Voraussetzung für angstfreies und entspanntes Reiten ist die fundierte und vielseitige Basisausbildung des Pferdes und des Menschen. Denn Wissen schafft Verständnis und Verständnis schafft Sicherheit.

Für die praktische Umsetzung ist ein erfahrener, empathischer Trainer, der dich und dein Pferd vor Ort individuell unterstützen kann, natürlich ebenfalls sehr förderlich.

Kennst du auch Angstsituationen mit deinem Pferd? Was sind deine Strategien und was hilft dir am besten?

Scroll runter und schreib mir gerne einen Kommentar unter diesen Artikel!

Ausreiten üben – Die 13 besten Tipps zur Vorbereitung auf einen sicheren Ausritt

Es ist Mai, das Wetter oft gut und die Tage lang. Die Temperaturen sind noch moderat und auch Fliegen und Bremsen halten sich vielerorts noch in Grenzen. Die perfekten Bedingungen für’s Ausreiten. Wenn denn das Pferd auch mitmacht!

Ausreiten braucht Vorbereitung und Übung

Denn nur weil jetzt Mai ist, können wir nicht einfach plötzlich losreiten. Zumindest nicht, wenn unser Pferd noch nicht aufs Geländereiten vorbereitet ist.

Ausreiten musst du genauso üben, wie das Reiten in der Bahn!

Und eigentlich ist es sogar noch viel anspruchsvoller, als das Reiten auf dem Platz. Genaugenommen ist es für mich die Königsdisziplin des guten Freizeitreitens.

Denn alles was wir beim Ausreiten brauchen (Kontrolle über Tempo, Richtung, Akzeptanz diverser Reize etc.) muss zunächst auf dem Platz geübt werden und zu 100% funktionieren, bevor wir es auch auf dem Ausritt unter dem Einfluss verschiedenster Außenreize problemlos abrufen können.

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In den folgenden Tipps erfährst du

  • mit welchen Aufgaben du dein Pferd auf den ersten Ausritt vorbereiten kannst und
  • wie du das Ausreiten so üben kannst, damit du und dein Pferd eine entspannte und sichere Zeit im Gelände habt

Meine besten Tipps zum Ausreiten

 

Tipp 1: Bereite dein Pferd in gewohnter Umgebung auf’s Ausreiten vor

Die Vorbereitung zum Ausreiten beginnt auf dem Platz. Übe auf dem Platz, dein Pferd vom Boden und unter dem Sattel sicher in Richtung und Tempo zu kontrollieren. Auch das Anhalten und Rückwärtsrichten, sowie die Notbremse (Vorhandwendung) müssen jederzeit problemlos abrufbar sein.

Das Seitwärtsrichten und das Verschieben der Hinterhand sollten funktionieren, damit du dein Pferd bei Bedarf mit deinen Hilfen einrahmen und es in Stresssituationen gut begleiten kannst.

Genauere Tipps zum Thema Anhalten findest du hier. Wie du das Rückwärtsrichten verbessern kannst, kannst du hier nachlesen.

Tipp 2: Überprüfe die Rittigkeit deines Pferdes unter Stress

Bringe dich und dein Pferd gezielt in Situationen, in denen es abgelenkt ist, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie dein Pferd unter Ablenkung auf deine Hilfen reagiert.

Du weißt am besten, was dein Pferd reizt: Fremde Pferde, die am Hof vorbeikommen? Fahrzeuge auf dem Feldweg in der Ferne? Windiges Wetter? Unbekannte Gegenstände?

Versuche deinem Pferd durch ihm bekannte Übungen (Übergänge, Stellung, Seitwärts etc.) Sicherheit zu vermitteln und es mit deinen Hilfen einzurahmen. Beschäftige es durch kleine, einfache Aufgaben.

Du willst seine Aufmerksamkeit zu dir zurückbringen, damit es dir zuhört und bei dir Sicherheit und Entspannung finden kann.

Tipp 3: Geh mit deinem Pferd spazieren

Bevor du ausreitest, geh mit deinem Pferd spazieren. Spaziergänge sind wie Ausritte, nur eben zu Fuß. Der Vorteil ist, dass du deinem Pferd am Boden alles zeigen kannst. Wenn dein Pferd eine gute Basisausbildung am Boden hat, wird es sich neben dir sicherer fühlen, als wenn du im Sattel sitzt.

Außerdem fühlen sich viele Reiter zunächst auch am Boden sicherer als auf dem Pferd. Voraussetzung ist natürlich, dass dein Pferd sich am Boden gut kontrollieren lässt und deinen Raum respektiert.

Drei Übungen, mit denen du das Vertrauen und die Sicherheit zwischen dir und deinem Pferd am Boden verbessern kannst, lernst du im Mini-Videotraining, das du hier für 0 € anfordern kannst.

Tipp 4: Wähle die für dich passende Ausrüstung

Zum Ausreiten braucht dein Pferd selbstverständlich einen passenden Sattel, indem aber auch du dich wohl und sicher fühlst. Als Zäumung nutzt du immer das, was dein Pferd von der Vorbereitung auf dem Platz kennt und worauf es fein und verlässlich reagiert.

Ohne Frage können dich ein Helm und eine Sicherheitsweste bei Stürzen schützen. Ich empfehle jedem, das zu nutzen, was ihm hilft sich auf dem Pferd sicher und entspannt zu fühlen. Denn das dient am Ende auch dem Pferd und eurer Beziehung am meisten.

Mir ist es wichtig zu sagen, dass Helm und Weste jedoch keinesfalls eine solide Grundausbildung des Pferdes ersetzen und weder fehlende reiterliche Fitness noch reiterliches Können wettmachen!

Tipp 5: Erweitere deinen Radius Stück für Stück und reite nicht einfach plötzlich vom Hof

Kannst du dein Pferd zuhause auf dem Platz kontrolliert und entspannt reiten und hast du auch eine gute Idee davon, wie dein Pferd trotz Ablenkung auf dich und deine Hilfen reagiert, kannst du beginnen, deinen Radius Stück für Stück zu erweitern.

Ich sage das so konkret, weil ich oft erlebe, dass Ausreiten für viele eine „Entweder-ganz-oder-gar-nicht“-Frage zu sein scheint. Das muss es aber nicht sein.

Wenn wir uns von dem Druck befreien, gleich eine ganze Runde ausreiten zu müssen, können wir in kleinen, zu bewältigenden Schritten unsere Komfortzone ausweiten.

Was spricht denn dagegen, erst einmal kreuz und quer über den Hof zu reiten, wenn du dich zum ersten Mal aus der Halle heraustraust? Oder den Hof nur kurz zu verlassen und nach ein bisschen auf und ab reiten wieder zurückzukehren, um die Einheit dann gemütlich auf dem Platz zu beenden?

Tipp 6: Kenne das Gelände und potentielle Gefahrenquellen

Bevor du das erste Mal wirklich ausreiten gehst, mache dich mit den örtlichen Begebenheiten vertraut. Du solltest das Gelände kennen und auch wissen, wo welche Art von Herausforderungen (Straßen, Brücken, Wasser, Untergründe, Kühe, Radfahrer, …) auf dich und dein Pferd warten könnten.

Wenn du zur Vorbereitung schon spazieren gegangen bist, kennst du dich wahrscheinlich schon gut aus. Umso besser.

Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Ausreiten-üben-Wasser-durchqueren
Wenn du auf deinem Ausritt Wasser durchqueren musst - und sei es auch nur eine breite Pfütze - solltest du das mit deinem Pferd in Ruhe üben

Tipp 7: Gewöhne dein Pferd an Straßen, Trecker, Kutschen etc.

Auf dem Ausritt muss dein Pferd natürlich am besten auch verkehrssicher sein. Auch wenn du auf deiner Geländerunde vielleicht keine Straßen kreuzen musst, es kann immer anders kommen als geplant.

Mache dein Pferd also vorher mit Fahrzeugen, landwirtschaftlichen Maschinen, Fußgängern, Kinderwagen und wenn möglich auch mit Kutschen vertraut.

Du weißt am besten, was dir in deiner Region am wahrscheinlichsten begegnen kann. Sei also vorbereitet. Umso gelassener werden du und dein Pferd sein.

Tipp 8: Löse schwierige Situationen vom Boden und steige danach wieder auf

Bist du nun am Ausreiten und gerätst in eine Situation, in der dein Pferd sich unwohl fühlt und sich verspannt, und du dein Pferd vom Sattel aus nicht genügend an deine Hilfen stellen und beruhigen kannst, dann steige ab und löse die Situation vom Boden. Für viele Pferde ist es dann schon nur noch halb so schlimm.

Das Gleiche gilt natürlich, wenn du dich selbst im Sattel unsicher fühlst. Absteigen ist keine Schande! Im Gegenteil!

Ich mache das tatsächlich sehr oft. Sowohl bei jungen Pferden als auch bei meinem erfahrenen Pferd Walter.

Damit du im Gelände bei Bedarf gut vom Boden arbeiten kannst, ist es hilfreich, ein geeignetes Kopfstück dabei zu haben. Ich nutze zum Beispiel gerne ein Knotenhalfter unterhalb der Trense. Das Führseil knote ich während des Reitens einfach an den Sattel, damit es nicht stört. So ist alles schnell zur Hand.

Tipp 9: Reite im Gelände genauso, wie sonst auf dem Platz

Dieser Punkt ist super wichtig. Wir Reiter neigen dazu, in neuen Situationen anders zu reiten, als in gewohnter Umgebung. Vielleicht kennst du das vom Turnier. Vor lauter Anspannung und Konzentration, wirken wir auf das Pferd plötzlich wie ein anderer Mensch.

Es erkennt uns nicht wieder und findet in uns folglich auch nicht den sicheren Fels in der Brandung, den es in ungewohnten Situationen bräuchte.

Darum: Mach im Gelände alles genauso, wie du es auf dem Platz geübt hast. Wirke auf dein Pferd ein, hole seine Aufmerksamkeit zu dir zurück, wenn es sich zu sehr auf das Außen konzentriert, rahme es ein und reite die gleichen Übungen, die du auch auf dem Platz abfragst (Stellung, Übergänge, Seitwärts, …)

Diese bekannten Übungen geben euch beiden Sicherheit.

Vergiss nicht, zwischendurch auch immer wieder nachzugeben, damit dein Pferd seinen Hals entspannen und sich lösen kann!

Tipp 10: Reite vorausschauend und sei proaktiv

Ein weiterer super wichtiger Punkt! Schau voraus und sei proaktiv. Blicke also wirklich voraus, scanne deine Umgebung und erkenne potentiell schwierige Situationen frühzeitig. Antizipiere das Verhalten von anderen Menschen oder Reitern und auch die Reaktion deines Pferdes darauf.

Je früher du bemerkst, in welche Richtung sich eine Situation entwickelt und in welche Richtung dein Pferd denkt (Flucht oder lieber dem Menschen zuhören?), desto eher und meist auch sanfter kannst du reagieren.

Werde in Stresssituationen auf keinen Fall passiv, denn das verunsichert dein Pferd noch mehr. Bist du keine wahrnehmbare Stütze für dein Pferd, wird es sich umso mehr dazu gezwungen sehen, sich selbst um sein Überleben zu kümmern und im Zweifel zu flüchten.

Tipp 11: Achte beim Ausreiten auf eure Tagesform

Es gibt so Tage, da passt es einfach nicht. Irgendwie bist du noch gestresst von der Arbeit und dein Pferd vermutet auch hinter jedem Busch ein Gespenst. Tja, dann ist das vielleicht einfach nicht der Tag, um entspannt auszureiten. Und das ist ok.

Man muss nicht jedes Thema an jedem Tag trainieren, nur weil das vielleicht einmal der ursprüngliche Plan war. Und schon gar nicht, wenn es um ein Thema geht, das euch vielleicht Gelassenheit und Mut gleichermaßen abverlangt.

Wie du das passende Thema für deine Trainingseinheit finden kannst, erfährst du übrigens in diesem Artikel.

Ist es also windig und dein Pferd nervös oder es ist Feiertag und viele Radfahrer und Reiter sind unterwegs? Wenn du weißt, dass sich dein Pferd damit noch unwohl fühlt, dann verschiebe das Ausreiten üben einfach auf einen anderen Tag.

Tipp 12: Lass dich zu Beginn von einem erfahrenen Pferd-Reiter-Paar begleiten

Mach dir bewusst, welch großen Stress es für manche Pferde bedeutet, die eigene Herde und die vertraute Umgebung zu verlassen. Solchen Pferden hilft es extrem, wenn ein anderes, erfahrenes Pferd den Ausritt begleitet.

Ein Verlasspferd kann dir und deinem unerfahrenen Pferd natürlich auch später noch helfen, neue Situationen zu meistern oder Sicherheit zu vermitteln.

Nach und nach kannst du dann üben, dich im Gelände von dem Begleitpferd zu entfernen und zu trennen, bis du schließlich mit deinem Pferd alleine ausreiten kannst.

Manche Pferde tun sich auch schwer, alleine vom Hof weg zu gehen. Das ist fast immer ein Zeichen dafür, dass sich dein Pferd mit dir als alleinigem Herdenersatz noch nicht sicher genug fühlt.

Hier hilft es, wieder mehr vom Boden an der Beziehung zu arbeiten und mehr Vertrauen aufzubauen.

Wenn dein Pferd jedoch nur noch einen kleinen Stups braucht, um mit dir alleine den Hof zu verlassen, kannst du es auch einfach das erste Stück vom Hof wegführen und erst später aufsteigen.

Tipps zum Aufsteigen im Gelände, auch ohne Aufstiegshilfe, findest du hier.

Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Ausreiten-üben-erfahrenes-Begleitpferd
Ein erfahrenes Begleitpferd kann dir und deinem Pferd bei den ersten Ausritten viel Sicherheit geben

15 Minuten Mini-Videotraining

mit 3 Übungen für mehr Sicherheit und Vertrauen

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Tipp 13: Hab dein Handy dabei und gib immer jemandem Bescheid, welche Strecke du reiten wirst

Wenn du alleine ausreitest, solltest du natürlich ein Handy dabei haben (möglichst an dir und nicht in der Satteltasche), um im Notfall Hilfe rufen zu können.

Für diesen Aspekt kannst du natürlich auch sämtliche Möglichkeiten der modernen Technik für dich nutzen und zum Beispiel über eine App deinen Standort teilen.

Informiere zusätzlich immer eine Person am Stall über deine geplante Strecke und deine ungefähre Rückkehr. So fällt auf, wenn du dich verspätest und es ist klar, wo man nach dir suchen kann.

Fazit: Ein Plädoyer fürs Ausreiten(üben!)

Um sicher und entspannt Ausreiten zu können, braucht es ein gewisses Maß an Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten – seitens des Menschen und seitens des Pferdes.

Um dies zu erreichen bedarf es wiederum einiger Zeit und Erfahrung. Es ist also klar, dass man Ausreiten üben muss – aber eben auch kann!

Denn oft investieren wir in das Ausreitenüben deutlich weniger Zeit, als in das Üben verschiedener Lektionen auf dem Platz. Daher müssen wir uns nicht wundern, wenn uns und unserem Pferd noch die nötige Routine und Gelassenheit auf dem Ausritt fehlen.

Natürlich muss am Boden und unter dem Sattel erst die Basis gelegt werden, aber dann profitieren Mensch und Pferd enorm vom Üben im Gelände, sowohl körperlich als auch mental.

Viele Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Ausreiten lassen sich außerdem durch Training und richtiges Üben wunderbar überwinden.

Somit sind die oben genannten Tipps auch gleichzeitig ein Sicherheitsupgrade für dich und dein Pferd. Denn Studien haben gezeigt, dass ein Großteil der Unfälle mit Pferden durch bessere Vorbereitung und gutes Training hätten vermieden werden können.

In diesem Sinne: Los geht’s mit dem Ausreiten üben! Wie wäre es? Entspannter Ausritt mit deinem Pferd – sagen wir – Ende des Sommers?

Wie ist das Thema Ausreiten für dich? Bist du noch ängstlich oder seid ihr schon Geländeprofis? 🙂

Scroll gern runter und schreib mir einen Kommentar!

Rückwärtsrichten simpel erklärt: So versteht dich dein Pferd ganz leicht

An welche Stelle der Ausbildung gehört das Rückwärtsrichten eigentlich? Was macht diese Übung zu einer Grundvoraussetzung und zur anspruchsvollen Lektion zugleich und wie kannst du sie mit deinem Pferd am einfachsten üben? Was tun, wenn das Pferd unterm Sattel partout keinen Schritt rückwärts gehen mag und wie schaffst du es, deine Hilfengebung immer weiter zu verfeinern? Um diese Fragen geht es in diesem Artikel.

Rückwärtsrichten: Basisübung oder höhere Lektion?

Das Rückwärtsrichten eines Pferdes gehört für mich zur absoluten Basisausbildung, sowohl am Boden als auch unter dem Sattel. Es ist eine der ersten Lektionen, die ich bei fremden Pferden abfrage, und die erste Übung, die ich jungen Pferden zu Beginn der Ausbildung beibringe.

Gleichzeitig ist ein korrekt ausgeführtes, durchlässiges Rückwärtsrichten aber auch eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die eine solide Ausbildung von Pferd und Reiter bereits voraussetzt.

Zu Beginn muss das Rückwärtsrichten natürlich noch nicht perfekt sein, aber ich erwarte einige wenige Schritte des Weichens vor meiner geschlossenen Hand.

Das Rückwärtsrichten bildet außerdem die Basis für ein gutes Anhalten, was wiederum ein wichtiger Sicherheitsaspekt in der Arbeit mit Pferden ist.

Trotzdem gibt es viele Pferde, die sich nicht oder nur sehr wiederwillig rückwärtsrichten lassen.

Warum ist das so?

Zum einen liegt Rückwärtsgehen nicht unbedingt in der Natur des Fluchttieres Pferd. Unter muskulärer oder mentaler Anspannung sind Pferde zum Teil überhaupt nicht in der Lage korrekt rückwärtszugehen.

Zum anderen habe ich den Eindruck, dass viele Pferde die Hilfengebung des Rückwärtsrichtens nicht richtig verstehen und die Lektion daher gar nicht ausführen können.

Ich sehe immer wieder Reiter, die durch ein falsches Hilfenverständnis gleichzeitig „vorne ziehen und hinten treiben“. Die Pferde wissen dabei gar nicht, wohin sie sich bewegen sollen. Also gehen sie entweder gegen die Hand oder versuchen sich anderweitig zu entziehen und dem Druck zu entkommen.

Auf mentaler Ebene fördert das Rückwärtstreten – korrekt ausgeführt – die Durchlässigkeit und lenkt den Fokus des Pferdes hin zum Reiter – und damit zum Zuhören. Bei einem leichten und flüssigen Rückwärts wird das Pferd erst fühlen (Hilfen wahrnehmen), dann denken (nach der richtigen Lösung suchen) und dann handeln (rückwärts weichen), anstatt sich im Gegensatz dazu zu verspannen und ans Fliehen zu denken.

Du förderst mit einem guten Rückwärtsrichten also Denk- und Bewegungsmuster, die du beim Reiten und in der Arbeit mit Pferden definitiv trainieren willst.

Willst du mehr wissen?

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So erklärst du deinem Pferd das Rückwärtsrichten

Wenn du das Rückwärtsrichten mit deinem Pferd endlich Schritt für Schritt erarbeiten und es zu eurer Lieblingsübung machen möchtest, dann kommen hier die ultimativen Tipps, wie du das Rückwärtsrichten mit deinem Pferd üben kannst.

In diesem Artikel lernst du,

  • wie du das Rückwärtsrichten vom Boden vorbereitest,
  • wie du das Rückwärts in den Sattel überträgst,
  • mit welchem Trick zu deinem Pferd helfen kannst, den Rückwärtsgang unterm Sattel zu finden,
  • wie du die Hilfengebung im Rückwärtsrichten verfeinerst und
  • wie du das Rückwärtsrichten gymnastisch wertvoll gestaltest.

Vorbereitung am Boden

Um dein Pferd auf das Rückwärtsrichten unter dem Sattel vorzubereiten, beginnst du vom Boden. Dein Pferd kann dabei schon von unten deine spätere Zügelhilfe kennenlernen. Bei Missverständnissen kannst du ihm durch deine Körpersprache noch zusätzlich helfen.

So geht’s:

  1. Du stellst dich neben dein Pferd, Blickrichtung nach vorne, und richtest es am Halfter rückwärts. Frage mit deiner Hand ganz dicht am Pferdehals, sodass der Zug des Seils aus Richtung des Widerrists kommt, dort wo später deine Zügelhand ist.
  2. Sobald dein Pferd einen Schritt nach hinten weicht oder sein Gewicht nach hinten verlagert, gibst du nach und lobst dein Pferd. Dann fragst du erneut, bis ihr mehrere Tritte Rückwärts ganz leicht hintereinander schafft. Du sensibilisierst dein Pferd mit dieser Übung auf den Druck auf dem Nasenrücken.
  3. Im nächsten Schritt übst du mit dem gleichen Kopfstück und Zügel, mit dem du später auch reiten willst. Nehmen wir als Beispiel eine Wassertrense.
  4. Du stellst dich jetzt neben die Sattellage deines Pferdes und nimmst beide Zügel über dem Widerrist auf, sodass sie ungefähr in der Position sind, in der später auch deine Reiterhand ist.
  5. Jetzt fragst du mit einem leichten, gleichmäßigen Zügelkontakt, ob dein Pferd dem Druck am Gebiss einen Schritt rückwärts weichen kann und belohnst es wieder, wie oben beschrieben. Nach kurzer Zeit solltet ihr ganz leicht mehrere Tritte Rückwärts schaffen.

Jetzt hast du die Basis gelegt.

Tipp!

Natürlich kannst du das Rückwärtsrichten auch mit einem Stimmkommando begleiten. Ich nutze „Whoa“ fürs Anhalten und auch fürs Rückwärtsrichten unter dem Sattel.

Das erste Rückwärts unter dem Sattel

Nachdem das Rückwärts am Boden gut klappt, steigst du auf und beginnst mit dem Üben unter dem Sattel. Dein Pferd hat ja nun aufgrund der vorherigen Übung schon die Rückwärts-Idee und wird dich meist schnell verstehen.

So geht’s:

  1. Du sitzt aufrecht, entspannt und in neutraler Position im Sattel. Jetzt beginnst du dein Becken leicht abzukippen, sodass deine Sitzbeinhöcker im Sattel etwas nach vorne rollen und deine Gesäßtaschen mehr Kontakt mit der Sattelfläche bekommen. Dein unterer Rücken wird dabei etwas rund (Gegenteil von Hohlkreuz).
  2. Zusätzlich nimmst du an beiden Zügeln leichten und gleichmäßigen Kontakt auf. Diese Übung kennt dein Pferd ja schon vom Boden und sollte nun mit einer Gewichtsverlagerung nach hinten oder einem Tritt Rückwärts reagieren.
  3. Sobald es das tut, gibst du den Zügel natürlich nach und setzt dich wieder in die neutrale Position. So übst du weiter, bis du mehrere Tritte hintereinander abfragen kannst. Für jeden einzelnen Tritt belohnst du dein Pferd, indem du deine Hand leicht vorgibst.

Wichtig!

Deine Zügelhilfe sollte nie rückwärts einwirken. Der Kontakt entsteht durch ein leichtes Anheben der Hand und muss immer weich, also ohne Impulse, sein. Dein Pferd soll mit der Nase vor oder an der Senkrechten sein und sich auf keinen Fall verkriechen!
Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Rückwärtsrichten-unter-dem-Sattel
Im Rückwärtstreten sollte sich die Kruppe absenken, der Rücken aufwölben und die Nase vor der Senkrechten bleiben

Wenn der Rückwärtsgang hakt

Sollte sich dein Pferd trotz der vorangegangenen Vorbereitung, körperlicher Gesundheit sowie grundsätzlicher Losgelassenheit unter dem Sattel nicht Rückwärtsrichten lassen, überprüfe bitte noch einmal all deine Hilfen und deine Vorarbeit.

Wenn dein Pferd „Nein“ sagt, hat das immer einen Grund, den du herausfinden musst.

Oft wirken wir als Reiter (unbewusst) zu stark ein oder geben unseren Pferden nicht genug Zeit, die richtige Antwort auf unsere Frage herauszufinden. Das kann besonders beim Rückwärts zu Problemen führen.

Es gibt aber auch Pferde, die sich mit dieser Übung eben einfach etwas schwerer tun als andere. Oft haben diese Pferde noch leichte Balanceprobleme und finden nicht heraus, wie sie sich unter dem Reiter im Rückwärts koordinieren können. Diese Pferde blockieren dann in der Bewegung. Es fühlt sich an, als würden sie ihre Vorderbeine in den Boden rammen und es lässt sich kein einziger Huf mehr bewegen.

Du kannst dann aus der Übung raus gehen und nach einigen Schritten vorwärts erneut beginnen. Oft hilft auch das Mobilisieren der Vorhand in einer Hinterhandwendung oder auf einer Volte in Außenstellung.

Wenn dein Pferd diese Lektionen unter dem Sattel noch nicht beherrscht, habe ich hier noch einen weiteren Tipp für dich: Die Schaukel.

Dieser „Trick“ beruht darauf, das Pferd im Halten leicht aus der Balance zu bringen und ihm so einen Ausgleichsschritt zu entlocken.

So geht’s:

  1. Du fragst dein Pferd wie oben beschrieben ganz freundlich nach einem Schritt Rückwärts.
  2. Wenn es blockiert und beginnt sich fest zu machen, fängst du an, deine Steigbügel rechts und links abwechselnd auszutreten und so dein Gewicht im Sattel hin und her zu bewegen. Ich „schaukele“ ca. alle 2 Sekunden leicht von rechts nach links. Probiere einfach aus, mit welchem Rhythmus du dein Pferd so schaukeln kannst, sodass es bald einen Schritt macht.
  3. Um sich auszubalancieren bewegen die Pferde meist zuerst ein Vorderbein. Da deine Hand während der ganzen Übung leichten Kontakt zum Maul hatte – die Tür vorne also zu ist -, kann es sehr gut sein, dass dein Pferd sein Vorderbein beim Ausbalancieren nach hinten versetzt.
  4. Und Schwupps kannst du dein Pferd für den ersten Schritt Rückwärts überschwänglich loben und belohnen.

Ist die Übung einmal verstanden, machen die allermeisten Pferde sehr schnelle Fortschritte und fangen an, das Rückwärtsrichten richtig zu mögen.

Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Rückwärtsrichten-Vorhand-mobilisieren
Die Vorhand muss beweglich sein, um einen Schritt Rückwärts zu ermöglichen

Die Hilfengebung im Rückwärtsrichten verfeinern

Nachdem ihr jetzt den Rückwärtsgang unterm Sattel gefunden habt, kannst du beginnen deine Hilfen zu verfeinern.

Mein Ziel ist zum Beispiel, dass mein Pferd nur auf meine Sitzhilfe Rückwärts geht. Willst du das auch erreichen, beginne das Rückwärtsrichten immer zuerst über deinen Sitz. Lass dein Pferd unter dein Gewicht Rückwärts treten und schließe deine Hand erst, wenn dein Pferd noch Unterstützung braucht.

Wenn das Pferd freiwillig, also ohne Druck durch deine Hand, in der Rückwärtsbewegung ist, kannst du beginnen an der Form zu arbeiten. Dafür braucht es deine Schenkelhilfe.

Manchen Pferden hilft es, wenn der Reiter die Knie vermehrt schließt, andere Pferde fühlen sich besser eingerahmt, wenn die Unterschenkel an den Flanken anliegen. Probiere hier gerne aus, womit du und dein Pferd sich am Wohlsten fühlen.

Achtung

Wenn du deine Waden hinterm Gurt an die Flanke legen möchtest, ändert sich automatisch auch dein Sitz. Du kommst dann vom Sitz mit abgekipptem Becken in einen leichten Entlastungssitz und kannst dein Pferd so in der Rückwärtsbewegung unterstützen und formen.

Wichtig ist, dass sich die Bewegung immer leicht und flüssig anfühlt, dein Pferd im Zweitakt mit aufgewölbtem Rücken rückwärtsgeht und deine Hand immer weich und freundlich bleibt. Eine hohe Hand wirkt dabei immer schonender ein, als eine tiefe Hand.

Annika-Hansen-Pferdetraining-Blog-Rückwärtsrichten-mit-hoher-Hand
Trage deiner Hände lieber etwas höher. So wirkst du auf die Maulwinkel und nicht auf die Laden ein.

Wie du es schaffst, mit immer feineren Hilfen zu reiten und was du dafür über das Lernverhalten von Pferden wissen solltest, hab ich im E-Book “So lernt dein Pferd mit Freude” kompakt zusammengefasst.

Wenn dich das Thema interessiert, schau dir das E-Book einfach mal an.

Tipps für gute Gymnastik im Rückwärtsrichten

Wenn dein Pferd das Rückwärtsrichten in seiner Basisform schon gut beherrscht, kannst du diese Lektion sehr gut zur Schulung der Koordination, zur Kräftigung der Hinterhand, zum Absenken der Kruppe und zur Förderung der Versammlung nutzen.

Diese Übungen nutze ich sehr gerne, um das Rückwärtsrichten zu variieren und mein Pferd möglichst vielseitig zu fördern:

  • Rückwärtsrichten am losen Zügel
  • Rückwärts am aufgenommen Zügel (z. B. in Stellung)
  • Rückwärts auf gebogener Linie (z. B. halbe Volte, ganze Volte, Volten-Acht, …)
  • Schritt – Rückwärts – Schritt
  • Trab – Halten – Rückwärts – Trab
  • Aus dem gerade Rückwärts angaloppieren
  • Aus der Rückwärtsvolte angaloppieren
  • Rückwärtsrichten am Hang (bergauf)
  • Flüssige Hinterhandwendung aus dem Rückwärts (Rollback)
  • Rückwärts im Quadrat reiten (dabei an jeder Ecke abwechselnd die Schulter und die Hinterhand wenden)

Einige dieser Übungen sind schon ziemlich anspruchsvoll und erfordern fein abgestimmte Hilfen von dir als Reiter und gute Koordination, Kraft und Durchlässigkeit von deinem Pferd.

Fordere beim Rückwärts nicht zu viel, denn diese Lektion ist wirklich anstrengend.

Wenn sich die Qualität des Rückwärts innerhalb der Übung verschlechtert, ist dein Pferd wahrscheinlich überfordert oder ermüdet. Beende die Lektion auf jeden Fall vor diesem Punkt!

Du möchtest immer das Gefühl haben, dass dein Pferd locker und leicht ins Rückwärts findet und diese Bewegung auch selbstständig hält. Wenn eine Übung unter dem Sattel noch nicht klappt, frage sie einfach vom Boden ab. Für viele Pferde ist dieser Trainingsreiz schon völlig ausreichend. Außerdem kannst du die Bewegungen deines Pferdes von außen besser beobachten und sehen, wo du es noch besser unterstützen kannst.

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Fazit

Ich bin der festen Überzeugung, dass jedes gesunde Pferd auch zu Beginn der Ausbildung rückwärtsgehen kann, und das – nach entsprechender Vorbereitung – auch unter dem Sattel.

Es gibt keinen Grund, diese Übung nicht abzufragen und zu trainieren, denn sie ist nicht zuletzt für das Anhalten und die Kontrolle des Pferdes von großer Bedeutung. Rückwärtsrichten hat immer auch etwas mit Sicherheit zu tun!

Natürlich muss dein Pferd an die Übung herangeführt werden, damit es deine Hilfen auch sicher versteht und annehmen kann.

Darum:

Wie geht dein Pferd rückwärts? Ist das eine Übung, die euch leicht fällt oder bei der ihr eher Unterstützung braucht?

Scroll gern runter und schreibe einen Kommentar 🙂

Hilfe, mein Pferd geht durch! Die 3 Must-Haves zum Reiten einer zuverlässigen, ganzen Parade

Wenn das Pferd durchgeht

Mal im Ernst, wenn dein Pferd nicht zuverlässig anhält und du nie sicher bist, ob du es im Gelände vor der nächsten Landstraße auch wirklich durchparieren kannst, brauchen wir nicht darüber reden, ob deine ganze Parade so schön geritten ist, dass dein Pferd dabei den Rücken aufwölbt und sich auf die Hinterhand setzt.

Ihr braucht jetzt erstmal überhaupt eine funktionierende Bremse und damit Kontrolle und Sicherheit. Du musst dein Pferd auf jeden Fall anhalten können. (Zumindest, wenn ihr außerhalb einer sicheren Einzäunung unterwegs seid.)

Sonst wird es nämlich gefährlich, für dich, dein Pferd und eventuell auch für Dritte.

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Solange dein Pferd gegen deine Hand geht und sich durch deine Hilfen nicht bremsen lässt, geht es für mein Verständnis durch. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber für mich kann ein Pferd auch im Schritt in der Reithalle durchgehen. Eben immer dann, wenn du keine Kontrolle über die (Vorwärts-) Bewegung deines Pferdes hast.

Und eins ist klar: Ohne Bremse wird es brenzlig! Besonders im Gelände.

Ich habe schon etliche Reiter kennengelernt, die wegen verschiedener Kontrollverlustthemen zu mir kamen. Die Probleme traten oft im Gelände oder in für Pferd und Reiter ungewohnten Situationen auf.

Zu meinem Standard-Check-Up bei solchen Pferd-Reiter-Paaren gehört immer das Anhalten und Rückwärtsrichten in gewohnter Umgebung.

Oft ist aber diese einfache Übung gar nicht abrufbar: Bremswege aus dem Schritt von mehreren Metern, ein einziger Tritt Rückwärts nicht möglich.

 

Frage an dich:

Würdest du dich in dein Auto setzen und losfahren, wenn du weißt, dass die Bremse kaputt ist und der Rückwärtsgang nicht funktioniert?

Wohl kaum.

Es ist nur logisch, dass dein Pferd in Stresssituationen, unter Anspannung oder bei Energieüberschuss dazu neigt durchzugehen, wenn es sich schon unter entspannten Bedingungen nicht gut anhalten oder rückwärtsrichten lässt.

Deshalb erkläre ich dir in diesem Artikel

  • mit welchen 3 Hilfen du die Bremse bei deinem Pferd richtig fein justieren kannst und
  • welchen Plan B du immer parat haben solltest, falls doch mal etwas schief geht.

Wenn du wissen willst, wie du deinem Pferd helfen kannst, nie mehr durchzugehen, lies unbedingt weiter.

Denn es darf endlich Schluss sein mit der Unsicherheit, die du verspürst – und automatisch auf dein Pferd überträgst, der ungewollt harten Einwirkung auf dein Pferd und deiner Angst davor, keine Kontrolle mehr zu haben.

Ursachenforschung: Warum geht mein Pferd durch?

Es kann, wie immer, viele unterschiedliche Gründe geben. Die Ursache, die bei deinem Pferd und dir zugrunde liegt, solltest du unbedingt herausfinden, um zu wissen, wo du ansetzen musst, um das Thema aus der Welt zu schaffen.

Wenn dein Pferd deine Parade nicht annimmt, ist das zunächst einmal einfach ein Nein zu deiner Hilfe und zu deinem dahinterstehenden Wunsch, das Tempo zu verlangsamen.

Folgende Fragen können dir nun dabei helfen, den Grund für das Nein deines Pferdes herauszufinden:

  • Hat mein Pferd Angst, Stress oder Schmerzen, wenn es durchparieren soll?
  • Ist es weit genug ausgebildet, um meiner Hilfe in der jeweiligen Situation nachzukommen?
  • Sende ich missverständliche Signale, wenn ich eine ganze Parade reiten will?
  • Versteht es meine Hilfen überhaupt?
  • Hält mein Pferd nur in bestimmten Situationen nicht an oder geht es immer gegen die Hand?
  • Macht die Art der Zäumung einen Unterschied beim durchparieren?
  • Hält das Pferd am Boden ohne Reiter gut und sicher an und kann es flüssig rückwärtsgehen?

Die letzte Frage liefert dir wertvolle Hinweise darauf, ob es am Reiten liegt (vielleicht sogar an dir als Reiter speziell), oder ob dein Pferd generell Schwierigkeiten mit dem Anhalten und dem Rückwärts hat.

 

Mögliche körperliche Ursachen solltest du natürlich unbedingt abklären lassen, um sie beheben oder ausschließen zu können.

 

Ist das passiert, übst du das Anhalten und das Rückwärtstreten am Boden. So bekommst du eine Idee, wie dein Pferd auf deine Hilfen reagiert und ihr könnt euch beide mit der Aufgabe und dem Bewegungsablauf vertraut machen.

Anschließend kannst du mit dem Üben unter dem Sattel loslegen.

Die 3 Must-Haves für die ganze Parade

Die ganze Parade kann aus allen Gangarten erfolgen und führt IMMER zum Halten des Pferdes. Sie besteht aus dem Zusammenspiel aller Hilfen.

Um dein Pferd für die einzelnen Komponenten deiner Hilfengebung zu sensibilisieren, zerlegst du deinen Hilfenkomplex in 3 Einzelteile:

  1. Stimmhilfe
  2. Sitz- und Schenkelhilfe
  3. Zügelhilfe

Das Ziel ist, dass alle drei Bausteine einzeln angewandt immer zum sicheren und sofortigen Anhalten deines Pferdes führen.

Ein „Hooo“ ohne Sitz- oder Zügeleinwirkung sollte dein Pferd genauso anhalten, wie die alleinige Sitzhilfe oder die alleinige Zügelhilfe.

Alle drei Hilfen übst du einzeln mit deinem Pferd, bis eure Kommunikation so gut ist, dass du eine zuverlässige Antwort auf eine feine Hilfe bekommst.

Gut zu wissen

Für Pferde gehören Anhalten und Rückwärtsrichten übrigens in die gleiche Kategorie. Rückwärtsgehen ist für sie einfach die Steigerung vom Anhalten. Daher verbessert ein Rückwärtsrichten das Anhalten, wenn es direkt daran angeschlossen wird. Du kannst das Rückwärtsrichten also nutzen, um deinem Pferd zu helfen, noch mehr in die Idee des sofortigen Anhaltens zu kommen. Es wird dann schon bei deiner ganzen Parade anfangen, nach hinten zu denken und sich mehr Mühe geben, punktgenau anzuhalten.

1.      Anhalten nur mit Stimme

Übe in einer sicheren, bekannten Umgebung. Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nur über deine Stimmhilfe anhalten. Du sagst zum Beispiel ein langgezogenes „Hooo“. Hält dein Pferd daraufhin an, lobst du es sofort und lässt es eine Weile stehen.

Dann wiederholst du die Übung, um sie noch etwas zu verbessern. Dein Pferd sollte im Verlauf des Übens auf das „Hooo“ immer schneller reagieren und stehen bleiben. Wenn dein Pferd das Stimmkommando schon aus der Bodenarbeit kennt, wird das wahrscheinlich ziemlich schnell funktionieren.

Hält dein Pferd auf deine Stimmhilfe jedoch nicht an, ergänzt du als nächstes eine weitere Hilfe. Ich selbst wirke meist begrenzend mit der Hand ein, sage weiterhin „Hooo“ und warte bis das Pferd stehenbleibt und ich es loben kann. 

Du kannst aber auch deine Sitzhilfe ergänzen, wenn sie deinem Pferd besser hilft. Das Ganze wiederholst du, bis dein Pferd irgendwann nur noch deine Stimme zum Anhalten benötigt.

Durchparieren mittels Stimmhilfe
Übe das Anhalten nur über deine Stimmhilfe

Gut zu wissen

Das Stimmkommando zum Anhalten solltest du wirklich NUR fürs Anhalten benutzen und nicht fürs Langsamer-Werden. Deine Hilfe „verschwimmt“ sonst und dein Pferd wird auf deine Stimmhilfe nicht mehr zuverlässig stehenbleiben.

2.      Anhalten nur mit Sitz und Schenkel

Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nun ausschließlich über deine Sitzhilfe anhalten. Ich kippe dazu mein Becken ab, drücke die Knie leicht zusammen und bringe die Unterschenkel leicht weg vom Pferd. Dabei kommt etwas Gewicht in die Bügel.

Vielleicht hast du eine andere Sitzhilfe zum durchparieren? Nutze das, was dein Pferd kennt, wenn es gut funktioniert. Wenn nicht, probiere gern meine Idee aus.

Sicher durchparieren über den Sitz
Sensibilisiere dein Pferd zum Anhalten auf deinen Sitz

Gut zu wissen

Übrigens ist meine Sitzhilfe zum Anhalten identisch mit der Hilfe zum Rückwärtstreten. Das heißt, wenn ich nach dem Anhalten genauso sitzen bleibe, geht mein Pferd aus dem Halten direkt ins Rückwärts über.

3.      Anhalten nur mit dem Zügel

Als letztes willst du dein Pferd nun aus dem Schritt heraus ausschließlich über deine Zügelhilfe anhalten. Dazu schließt du langsam und sanft die Hand, sodass ein leichter, stetiger Kontakt zum Maul oder zur Pferdenase hergestellt wird.

Gib deinem Pferd Zeit, auf die Begrenzung zu reagieren und anzuhalten. Lobe es, sobald es stehenbleibt.

Braucht es mehr Unterstützung, um anzuhalten, ergänze deine Sitz- oder Stimmhilfe. Übe wieder solange, bis dein Pferd allein auf den angenommenen Zügel anhält.

Durchparieren mit Hilfe des Zügels
Halte dein Pferd über eine begrenzende Zügelhilfe an

Hast du diese drei Übungen im Schritt gemacht, weißt du schon mal, welche der drei Einzelhilfen deinem Pferd und dir am meisten liegt: Stimme, Sitz oder Schenkel? Worauf hält dein Pferd am besten an?

Durchparieren: Übung macht den Meister

Jetzt kannst du alle drei Hilfen wieder zusammenfügen und testen, ob sich ihre Wirkung addiert hat. Im Bestfall hast du jetzt eine richtig fein justierte Bremse in deinem Pferd installiert. Cool, oder?

Vielleicht stellst du auch fest, dass du das Zusammenspiel deiner Hilfen anpassen musst.

  • Braucht dein Pferd weniger Zügel, dafür aber eine deutlichere Veränderung in deinem Sitz?
  • Vielleicht musst du jetzt von allem weniger einsetzen?

Fühle genau hin, was dein Pferd dir zeigt. Dein Leitsatz ist:

So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Jetzt übst du das Durchparieren und das Anhalten am besten in unterschiedlichen Umgebungen (Halle, Platz, Gelände, …), in verschiedenen Situationen (alleine, in der Gruppe, bei Wind und Wetter, …) und aus allen Gangarten.

Je größer die Außenreize sind und je höher das Stresslevel deines Pferdes ist, desto schlechter wird die Antwort auf deine Hilfen ausfallen.

Deswegen ist es wichtig, wirklich präzise zu üben und sich so auf den Worst Case vorzubereiten.

Wenn du im Normalfall eine 150%ige Antwort von deinem Pferd bekommst, erreichst du unter Stress vielleicht immerhin noch 90%.

Und das ist definitiv besser als Durchgehen, oder?

Tipps fürs Durchparieren im Gelände

Erfahrungsgemäß treten die meisten Schwierigkeiten im Gelände auf. Pferde sind nun einmal Lauf- und Fluchttiere und auch wenn wir durch gute, vertrauensfördernde Ausbildung ihre Instinkte weitgehend eindämmen können, werden wir ihren Impuls zu flüchten nie ganz unterdrücken können.

Wenn du ein sicheres und entspanntes Geländepferd mit einer guten Bremse haben willst, musst du vorher in die richtige Ausbildung investieren.

Auch wenn manche Freizeitreiter glauben, ja „nur“ ein bisschen ausreiten zu wollen, muss ein Ausreitpferd doch ziemlich gut ausgebildet sein, um einen sicheren und zufriedenen Partner abzugeben.

Auch du als Reiter kannst einiges dafür tun, um im Gelände sicher unterwegs zu sein:

Du kannst das Ausreiten allein und in der Gruppe üben und du kannst dir angewöhnen, vorausschauend zu reiten, schwierige Situationen frühzeitig zu erkennen und auf sie zu reagieren. Allein das kann viele brenzlige Situationen verhindern!

Gruppenausritte üben, damit das Pferd nicht durchgeht
Auch das Ausreiten mit mehreren musst du üben, damit dein Pferd beim Gruppengalopp nicht durchgeht

Wenn du zum Beispiel bemerkst, dass dein Pferd sich verspannt oder abgelenkt ist, warte nicht ab, bis es einen Satz macht oder das Tempo erhöht und gegen deine Hand geht.

Sei proaktiv und bringe den Fokus deines Pferdes wieder zu dir zurück, indem du ihm eine kleine Aufgabe stellst.

Das kann ein Tempowechsel nach unten, ein an die Hilfen stellen oder ein Übertreten sein. Oft genügt das schon, um eine ungewollte Reaktion, wie ein Durchgehen, zu verhindern.

Plan B: Die Einzügelbremse

Zum Schluss habe ich noch einen letzten Tipp für dich:

Wenn alle Stricke reißen und dein Pferd trotz Vorarbeit auf keine deiner Paraden reagiert, zieh die Notbremse!

Bei Pferden ist das die sogenannte Einzügelbremse, bei der du dein Pferd im Hals biegst, es auf eine Volte lenkst und dabei die Hinterhand wegtreibst, bis dein Pferd sich in einer Vorhandwendung befindet.

Natürlich musst du auch diese Einzügelbremse vorher üben, damit dein Pferd und du die Bewegungsabläufe kennenlernt und die Übung wie einen Reflex ohne nachzudenken abrufen könnt.

Wichtig

Es geht hierbei nicht darum, das Pferd möglichst schnell herumzureißen, sondern darum, den Motor des Pferdes, nämlich die Hinterhand, kontrolliert auszuschalten und damit die ungewollte Vorwärtsbewegung zu stoppen.

Ich übe die Einzügelbremse mit allen Pferden von Anfang an, genau wie jede andere Übung auch. Es hat nichts mit Strafe oder harter Einwirkung zu tun, sondern es ist eines der wichtigsten Sicherheitselemente überhaupt für mich in der Pferdeausbildung.

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Fazit

Halten wir die wichtigsten Punkte zum Thema (nicht!) Durchgehen noch einmal fest:

Sicherheit
Eine funktionierende Bremse beim Pferd ist elementar wichtig, wenn du sicher mit ihm unterwegs sein willst.

3 Must-Haves der Hilfengebung
Damit deine ganze Parade gut durchkommt und dein Pferd zuverlässig stehenbleibt, kannst du es auf deine Stimm-, Sitz- und Zügelhilfe einzeln sensibilisieren.

Übung
Ausbildung, gute Vorbereitung und vorausschauendes Reiten sind besonders für den Geländeritt wichtig, um ein Durchgehen gar nicht erst passieren zu lassen.

Notbremse
Dein Plan B ist die Einzügelbremse, die du vorab genauso übst, wie das Durchparieren.

Je sicherer du dich auf deinem Pferd fühlst, weil du weißt, dass du ein Durchgehen verhindern und anhalten kannst, desto mehr Sicherheit vermittelst du automatisch auch deinem Pferd.

Das wiederum führt dazu, dass dein Pferd ruhiger und gelassener wird und sich ebenfalls wohler fühlt. Ein positiver Kreislauf also.

Und wenn ihr an diesem Punkt seid und du dein Pferd auf feine Hilfen sicher anhalten kannst, dann könnt ihr auch an der schönen, runden, versammelten ganzen Parade arbeiten.

Wobei, wahrscheinlich fällt euch die dann quasi in den Schoß, dank der guten Vorarbeit. 🙂

Was sind deine Erfahrungen mit dem Reiten von ganzen Paraden? Hattest du schon einmal Schwierigkeiten, dein Pferd anzuhalten? Oder ist es schon einmal durchgegangen?

Schreib mir gerne einen Kommentar unter diesen Artikel!

So steht dein Pferd sicher und entspannt am Anbinder

Pferde sind klaustrophobisch veranlagt. Fast alle Pferde. Wenn wir sie also an einem Ort fixieren wollen, und dazu gehört auch das Anbinden, ist das für unsere Pferde schon mal per se nicht gerade die absolute Traumsituation und viele Pferde und Menschen haben schon schlechte Erfahrungen mit dem Thema Anbinden gemacht.

Der Horror ist:

Das Pferd hängt sich auf, zerrt wie irre am Strick, sitzt mit der Hinterhand schon fast auf dem Boden und wir fragen uns, welcher Teil der Ausrüstung – Halfter, Haken, Strick, Anbinder – nun wohl als erstes klein beigibt und endlich dem immensen Druck weicht und unseren panischen Kraftprotz von Pferd loslässt, bevor unser Tier ernstlich zu Schaden kommt. Einmal befreit, prescht unser Pferd vielleicht sogar noch quer über den Hof davon. Aber das ist ein anderes Thema.

Puh, diese Situation mag keiner. Kein Mensch und kein Pferd. Mein Cortisolspiegel (Cortisol ist eines unserer Stresshormone) ist glaube ich allein durchs Beschreiben dieser Situation schon gestiegen. Was kannst du also tun, wenn dein Pferd zu oben beschriebenem Verhalten neigt?

 

Strategie 1

Du bindest dein Pferd nie mehr an und / oder kaufst alles, was der Markt hergibt an dehnbaren Stricken, mit Sollbruchstellen versehenen Halftern, sich selbstöffnenden Panikhaken und was es sonst noch alles gibt.

 

ODER

 

Strategie 2

Du zeigst deinem Pferd, wie es dem Gefühl der Beengung beim Anbinden entgegenwirken kann und wie es sich selbst aus dem Druck befreit – ohne darauf angewiesen zu sein, dass irgendein Teil des Materials nachgibt. Hilf deinem Pferd und zeige ihm, dass es auch beim Anbinden selbstbestimmt sein kann!

 

Die 3 Voraussetzungen für entspanntes Anbinden:

  1. Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht.
  2. Der Anbindeplatz muss sicher sein.
  3. Lass dein Pferd nicht allein.
1. Dem Druck weichen

Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht. Heißt für diese Situation, es muss vor allen Dingen wissen, wie es dem Druck im Genick weicht. Es sollte also in der Lage sein, dem Druck deiner Hand in seinem Genick nach unten zu weichen und seinen Kopf zu senken und dort unten auch eine Weile entspannt zu verharren und zu warten.

Beim Führen sollte es keinen Oppositionsreflex mehr zeigen, sich also nicht ins Halfter hängen bis du mithilfe des Stricks seinen Hals in die Länge gezogen hast, während es wie angewurzelt stehenbleibt, sondern es sollte dir willig am Seil folgen. Und es muss bereitwillig deine treibenden Hilfen nach vorne annehmen, um aus dem Druck heraus vorwärts zu weichen.

Genau diese Übung machst du mit ihm auch am Anbinder, damit es lernt aus dem Druck heraus nach vorne Richtung Anbinder zu gehen. Dazu legst du den Strick einmal um den Haltebalken und behältst ihn in der Hand während du so viel Kontakt aufnimmst, dass dein Pferd den Zug im Genick spürt.

Hilf ihm dann mit einer treibenden Hilfe z. B. mit einer Gerte oder einem Stick die richtige Lösung zu finden und auf den Anbinder zuzugehen anstatt sich aufzuhängen und loszureißen.

Wenn es deinem Pferd schwerfällt und es nach hinten in den Druck reinzieht, kannst du zur Not nachregulieren und das Seil etwas locker lassen, bevor dein Pferd in Panik gerät.

Dem Druck am Anbinder weichen lernen
2. Sicherer Anbindeplatz

Der Anbindeplatz muss sicher sein. Heißt: Der Anbindebalken oder Haken in der Wand muss möglichst hoch angebracht sein. Das ist an den meisten Ställen leider nicht der Fall. Es gibt allerdings den Merksatz „Tie to the eye“, will heißen, Pferde am besten auf Augenhöhe anbinden. In der Höhe wirken weniger Kräfte auf die empfindlichen Strukturen unseres Pferdes, sollte es sich doch einmal unkontrolliert ins Seil hängen.

Außerdem kann dein Pferd nicht so gut mit dem Kopf unter dem Seil hindurchtauchen und sich dadurch aufhängen, wenn es so hoch angebunden ist.

Unsere Anbinder sind meist eher auf Brusthöhe, was ein Verheddern im Strick erleichtert. Besonders wenn dein Pferd versucht, sich zu Schubbern oder einfach eine Vorliebe dafür hat, mit dem Kopf unter dem Strick herumzuspielen. Vielleicht weil es dort unten das Grasbüschel erhaschen möchte? Oder weil es ein Spielkind ist und versucht, sich mit dieser Turnübung das Halfter auszuziehen?

Aber auch wenn der Anbinder an eurem Stall nun einmal niedrig ist, kannst du noch etwas tun, um ihn für dein Pferd sicherer zu machen:

Binde dein Pferd kurz an!

Klingt paradox, ist aber so. Ungefähr eine Unterarmlänge vom Haken unter dem Kinn bis zum Balken bzw. zum Ring in der Wand. So kann dein Pferd nicht mit dem Kopf unterm Seil durchtauchen, es kann nicht vom Boden fressen (was es ja eigentlich beim Putzen und Fertigmachen sowie nicht sollte) und es kann sich auch nicht mit den Beinen im Strick verheddern.

Dass die Anbindeumgebung ausreichend großzügig gestaltet sein sollte und möglichst frei von Verletzungsrisiken, setze ich hier einfach mal voraus.

Passende Stricklänge beim Anbinden
Kurzes Anbinden ist sicherer als zu langes Anbinden
3. Bleib dabei

Lass dein Pferd nicht allein! (Ja, du musst dann allen Kram aus der Sattelkammer vorher parat haben!) Dein Pferd weiß nun ja schon, wie es selbstständig aus dem ängstigenden und beengenden Druck wieder herauskommt, nämlich indem es einen Schritt nach vorne auf den Anbinder zugeht.

Trotzdem kann natürlich immer mal etwas Unvorhersehbares passieren. Es erschrickt sich zum Beispiel und dann ist es schön, wenn du da bist und ihm helfen kannst. Und zwar nicht, indem du schnellstmöglich den Strick durchschneidest (bitte nur im äußersten Notfall), sondern indem du ihm hilfst, auch in einer Stresssituation die richtige Lösung zu finden, nämlich selbstständig aus dem Druck herauszugehen und wieder einen Schritt auf den Anbinder zuzugehen.

Lass dein Pferd nicht unbeaufsichtigt am Anbinder stehen
Entspannt und ruhig stehen

Wenn du diese drei Aspekte hast, wird das Anbinden für euch kein Thema mehr sein. Dein Pferd wird sicher und entspannt am Anbinder stehen können und somit kannst auch du locker und entspannt sein.

Wir müssen uns klar machen, unser Pferd hat zwar Stress beim Losreißen, aber am Ende ist es frei. Es hat sich aus dem Druck befreit. Nur hat es eine Lösung gewählt, die für dich und dein Pferd stressig und gefährlich ist.

Zeige ihm also lieber die Lösung, die für euch beide viel entspannter und harmonischer ist, indem du ihm beibringst selbstständig dem Druck nach vorne zu weichen.

So fühlt sich dein vierbeiniger Klaustrophobiker viel selbstbestimmter und wohler in der ihm eigentlich eher unangenehmen Situation des Anbindens.

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