Die LKWs rauschen vorbei, während du mit deinem Pferd an der Landstraße stehst und wartest. Fast schon gelangweilt steht es in entspannter Haltung neben dir, der Zügel hängt durch. Endlich überquert ihr die Straße und setzt euren Weg fort. Knatternde Motorräder, brummende Trecker und klingelnde Fahrradfahrer überholen euch dicht. Dein Pferd trottet gemütlich schnaubend dahin, denn du hast es straßensicher gemacht.
Könnte das eine Situation auf eurem Ausritt sein? Wenn ja, brauchst du nicht weiterzulesen.
Wenn nein, dann ist dieser Artikel für dich. Denn es geht darum, wie du dein Pferd straßensicher machst und es zu einem echten Verlasspferd im Straßenverkehr wird.
In diesem Artikel gebe ich dir 6 konkrete Schritte an die Hand, mit denen du die Straßensicherheit deines Pferdes trainieren, verbessern und festigen kannst.
Der Ist-Zustand
Vorab musst du natürlich wissen, wie der Ist-Zustand in Bezug auf die Straßensicherheit deines Pferdes ist.
Wie findet dein Pferd Autos? Straßen? Bestimmte Fahrzeuge?
Was sind eure bisherigen Erfahrungen mit Straßenverkehr?
Gab es negative Erlebnisse mit Fahrzeugen, Straßen, Brücken etc.?
Assoziiert dein Pferd Stress oder Angst mit Autos oder ist es ein „unbeschriebenes Blatt“?
Unabhängig vom Straßenverkehr: Wie steht es um eure bisherige Verständigung am Boden und euer gegenseitiges Vertrauen?
Wenn du reitest: Wie rittig ist dein Pferd und wie sicher steht es auch in stressigen Situationen an deinen Hilfen?
An dieser Stelle, ist mir ganz wichtig zu sagen:
Wenn bereits schlechte Erfahrungen mit Straßen, Verkehr oder Fahrzeugen bestehen und dein Pferd in der Vergangenheit schon einmal panisch wurde oder / und es Unfälle gegeben hat, dann nimm dir bitte einen erfahrenen und professionellen Trainer zu Hilfe.
Dieser hat mehr Erfahrung, mehr Routine, andere Trainingsbedingungen und vor Allem ist die Situation für ihn nicht mit Angst besetzt.
Die Sicherheit von dir, deinem Pferd und von Dritten steht hier an erster Stelle!
Einen ausführlichen Artikel zum Thema Angst beim Reiten und was wir dagegen tun können, findest du übrigens hier.
6 Schritte zum straßensicheren Pferd
Abhängig vom Ist-Zustand durchläufst du nun die folgenden 6 Schritte, um dein Pferd straßensicher zu machen und es zu einem echten Verlasspferd im Straßenverkehr werden zu lassen.
Du weißt am besten, in welchen Schritt ihr am meisten investieren müsst, sodass du die 6 Schritte für dich und dein Pferd anpassen kannst.
Schritt 1 – Bodenarbeit
Als erstes überprüfst du die Verständigung mit deinem Pferd vom Boden und verbesserst sie gegebenenfalls wenn nötig.
Eine feine und leichte Kommunikation vom Boden beinhaltet für mich:
Sicheres Führen von beiden Seiten
Sofortiges Anhalten und Stillstehen
Leichtes Rückwärtsrichten
Kontrolle der Vorhand
Verschieben der Hinterhand und
Kopf senken als abrufbare entspannte Körperhaltung
Kannst du all diese Übungen leicht abrufen, habt ihr sehr wahrscheinlich ausreichend Vertrauen und Respekt aufgebaut und könnt euch nebeneinander sicher fühlen.
Schritt 2 – Gelassenheitstraining
Um dein Pferd auf eventuell stressige und unbekannte Situationen an der Straße vorzubereiten, solltest du seine generelle Gelassenheit trainieren. Das kannst du durch typisches Gelassenheitstraining und Aussacken machen.
Dein Pferd lernt so neue Reize kennen und es lernt vor Allem auch, wie es mit neuen, furchteinflößenden Reizen umgehen kann.
Es lernt, sich auf dich als Mensch und als vertrauenswürdigen Partner zu verlassen und Sicherheit und Entspannung bei dir zu suchen, anstatt seinen Instinkten zu folgen und ohne Nachdenken zu fliehen.
Außerdem kannst du durch diese Übungen einschätzen, wie dein Pferd sich unter Stress verhält und wie seine Reaktion auf Außenreize aussieht.
Du erfährst auch, wie gut eure Kommunikation unter Anspannung noch funktioniert.
Wenn dein Pferd mit dem Gelände schon vertraut ist, kannst du dich an die ersten Erfahrungen an der Straßen wagen.
Hierfür brauchst du eine geeignete Stelle, an der ausreichend Platz zum Ausweichen ist und keine gefährlichen Engpässe, Zäune, Gräben etc. euch den Weg versperren, solltet ihr mehr Abstand zur Straße benötigen.
Sehr gut eignet sich zum Beispiel für den Anfang auch eine an die Straße grenzende Koppel oder eine Wiese in Sicht- und Hörweite zur Straße.
Suche dir einen passenden Ort aus, an dem du dich wohlfühlst und so ohne Stress die ersten Erfahrungen mit deinem Pferd an der Straße machen kannst.
Ziel dieses Schritts ist, dein Pferd an der Straßen einschätzen zu lernen und seine Reizschwelle herauszufinden.
Wo endet seine Komfortzone und wie reagiert es, wenn du diese Komfortzone ausdehnst?
Tipp
Wenn du schon weißt, dass dein Pferd sehr ängstlich ist, nimm dir für diese ersten Erfahrungen am besten auch schon ein sicheres Begleitpferd mit.
Schritt 4 – Üben, üben, üben
Nachdem du nun weißt, wo ihr steht, geht es jetzt ans Üben.
Dein Ziel ist es, die Komfortzone deines Pferdes so weit auszudehnen, dass es alles, was es als Reitpferd im Straßenverkehr leisten muss, ohne Stress bewältigen kann.
Dafür ist es wichtig, dass es positive Erfahrungen sammeln kann. Versuche also immer, die Trainingssequenzen an der Straße so zu beenden, dass dein Pferd sich dabei gut fühlen kann.
Vielleicht kannst du einem Radfahrer, einem Trecker oder einem langsam fahrenden Auto hinterhergehen oder -reiten, um deinem Pferd das Gefühl zu geben, dass es das Fahrzeug vertreiben kann.
Oder du entfernst dich wieder von der Straße, sobald dein Pferd es geschafft hat, sich zu entspannen.
Je nachdem wie schwer dein Pferd sich tut, helfen auch sichere und erfahrene Pferde, die an der Straße Ruhe ausstrahlen, deinem Pferd, sich besser zu fühlen und zu entspannen.
Schritt 5 – Herausforderungen suchen
Im nächsten Schritt fragst du das Geübte routinemäßig ab und suchst dir und deinem Pferd zusätzlich neue Herausforderungen, um es noch straßensicherer zu machen.
In diesen Situationen kannst du überprüfen, wie sicher dein Pferd wirklich ist und in wie weit es das Gelernte auch auf neue Situationen übertragen kann.
Gibt es eine Bahnstrecke in eurer Nähe? Vielleicht kannst du mit ausreichend Abstand auf einer Wiese daneben gehen und warten bis ein Zug kommt?
Oder kannst du mit deinem Pferd eine Brücke überqueren, unter der der Verkehr schnell hindurch saust?
Wie sieht es aus mit großen Erntemaschinen? Motorradgruppen oder Kutschen?
Auch bei diesem Schritt steht euer beider Sicherheit an erster Stelle! Lass dich begleiten und begib dich nicht in unnötig gefährliche Situationen.
Schritt 6 – Routine
Im letzten Schritt soll der Straßenverkehr wirklich zur Routine werden. Wie alles, was wir nur ab und an mal machen, bleibt auch der Verkehr etwas Außergewöhnliches, wenn wir ihn nicht regelmäßig in unser Training einbeziehen.
Daher solltest du die Straßensicherheit deines Pferdes regelmäßig abfragen und immer wieder neue Situationen schaffen, in denen dein Pferd Selbstvertrauen gewinnen und an seiner Aufgabe im Straßenverkehr wachsen kann.
Fazit
Manche Pferde sind aufgrund ihres unerschrockenen Interieurs und ihrer Vorerfahrungen von Beginn an sicherer im Straßenverkehr als andere Pferde.
Aber: Straßensicherheit kann man mit jedem Pferd trainieren, und sollte dies auch tun! Denn du weißt nie (zumindest nicht, wenn du ausreitest), wann du in Situationen kommst, in denen du Fahrzeugen begegnest.
Die für mich aus Trainersicht wichtigste Voraussetzung für ein sicheres und entspanntes Pferd im Straßenverkehr ist die fundierte Grundausbildung des Pferdes und (!) des Menschen am Boden und später auch unter dem Sattel. Denn eine funktionierende Kommunikation schafft Sicherheit und Sicherheit schafft Entspannung und Gelassenheit.
Mit diesen 6 Schritten kannst du dein Pferd zum Verlasspferd an der Straße machen:
Bodenarbeit
Gelassenheitstraining
Erste Erfahrungen an der Straße
Üben, üben, üben
Herausforderungen suchen
Routine entstehen lassen
Und noch einmal der wichtige Hinweis zum Schluss:
Wenn du dich nicht sicher fühlst im Umgang mit deinem Pferd oder im Training an der Straße, dann hol dir unbedingt Hilfe von einem erfahrenen Trainer vor Ort!
Ist dein Pferd straßensicher? Was sind deine Erfahrungen mit Pferden im Straßenverkehr? Schreine gerne einen Kommentar weiter unten!
Pferde nehmen unsere Emotionen wahr und auch wir Menschen können den Gemütszustand unseres Pferdes spüren. Was das bedeuten kann, wenn es um Gefühle wie Angst beim Reiten geht, wissen viele Reiter aus Erfahrung: Pferd und Mensch geraten in eine Angstspirale und bestärken sich gegenseitig in ihrer Angst. Keine schöne Erfahrung – weder für Pferd noch Mensch.
Aber wann tritt Angst überhaupt auf? Fürchten sich Pferd und Mensch vor der gleichen Sache, der gleichen Situation, dem gleichen Objekt?
Und wie äußert sich Angst bei Pferd und Mensch auf körperlicher und psychischer Ebene?
Und vor Allem: Was können wir gegen die Angst beim Reiten tun?
In diesem Artikel bekommst du Antworten auf diese Fragen sowie aufschlussreiche Fakten und hilfreiche Anregungen zum Thema Angst beim Reiten.
Definition von Angst versus Furcht
Die Begriffe Angst und Furcht benutzen wir im Sprachgebrauch oft synonym. Dabei gibt es durchaus einen Unterschied zwischen Angst und Furcht:
Angst bezeichnet ein Grundgefühl, das sich auf der Basis von tatsächlicher oder angenommener Bedrohung entwickelt. Angst ist also eher vage und kann mit keiner konkreten Situation in Verbindung gebracht werden.
Der seltener benutzte Begriff der Furcht dagegen wird verwendet, wenn sich der Gefühlszustand direkt auf ein bedrohliches Objekt oder auf eine bedrohliche Situation bezieht. Furcht ist also im Gegensatz zur Angst sehr konkret, situationsbezogen und damit auch zeitlich begrenzt.
Antonyme (Gegenwörter) zu Furcht und Angst sind Begriffe wie Neugierde, Gelassenheit und Zuversicht.
Wie äußert sich Angst bei Mensch und Pferd?
Angst kann sich beim Menschen auf vier Ebenen äußern:
auf der körperlichen, der emotionalen, der kognitiven und der Verhaltensebene.
Angst gehört bei Mensch und Pferd zur Grundausstattung an Gefühlen. Sie hat durchaus ihre Berechtigung, da sie uns vor Gefahren oder risikoreichen Aktionen schützen und damit unser Überleben sichern kann.
Körperliche Ebene
Empfinden wir Menschen Angst, versetzt sich unser Körper in Alarmbereitschaft, in den sogenannten Kampf- oder Flucht-Modus. Damit können unterschiedliche körperliche Symptome einhergehen.
Einige Beispiele sind:
Herzklopfen und Pulsbeschleunigung
Atemnot
Zittern
Schweißausbrüche
Pupillenerweiterung
bleiches Gesicht
trockener Mund
Magen-Darm-Beschwerden
Schlaflosigkeit
erhöhter Muskeltonus
Viele dieser Symptome zeigen auch unsere Pferde, wenn sie Angst haben:
Starkes Herzklopfen, dass manchmal sogar durch den Sattel zu spüren ist, aufgeblähte Nüstern, geweitete Augen, angespannte Muskulatur, vermehrtes Schwitzen, häufiges Absetzen von Kot (Stressäppeln) und keine Kauaktivität sind Beispiele für körperliche Angstreaktionen beim Pferd.
Emotionale Ebene – Gefühle
Auf emotionaler Ebene kann das Grundgefühl der Angst je nach Mensch und Situation unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Oft zieht die Angst noch weitere Emotionen wie
Nervosität
Pessimismus
Überforderungsgefühl
Gereiztheit
Dünnhäutigkeit oder
Hilflosigkeit
nach sich.
Auch wenn es schwieriger zu erforschen ist, können wir ähnliche Gefühle bei unseren Pferden ebenfalls beobachten.
Ein Pferd in Angst ist nervös und sucht nach einem schnellen Ausweg aus der Situation. Es wird auf unsere Anfragen dünnhäutiger und extremer (oder gar nicht) reagieren, als unter gewohnten Umständen und wenn es sich der Situation nicht gewachsen fühlt, jedoch keinen Ausweg findet, können wir wahrscheinlich auch von einer Art empfundener Überforderung und Hilflosigkeit ausgehen.
Kognitive Ebene – Gedanken
Auf der kognitiven Ebene äußert sich Angst in negativen Gedanken, Befürchtungen, Sorgen und negativen Bewertungen. Durch das gedankliche Befassen mit einer gefürchteten Situation wird zusätzliche Erwartungsangst geschürt und eine erwartete Situation und ihr vermeintlicher Ablauf werden im Kopf katastrophisiert (Worst-Case-Szenario).
Wichtig ist, sich klar zu machen, dass diese Gedanken oft nicht den Tatsachen entsprechen, sondern eher der Angst selbst entspringen.
Verhaltensebene
Auf der Verhaltensebene führt Angst vor allem zu Vermeidungsverhalten – sowohl beim Menschen als häufig auch beim Pferd.
Dieses Vermeidungsverhalten kann bei uns Menschen zum Aufschieben (prokrastinieren) einer bestimmten Situation oder Aufgabe sowie zum Bedürfnis, bestimmte Dinge stark kontrollieren zu wollen, führen.
Bei Pferden führt es dazu, dass bestimmte Situationen oder Objekte gänzlich gemieden werden.
Angst lässt uns unsere Muskulatur verkrampfen oder uns komplett erstarren. Wir können durch Angst regelrecht handlungsunfähig werden.
Zu viel Angst ist daher ein starker Leistungshemmer.
In Maßen kann uns Angst allerdings auch auf Gefahren hinweisen, uns Risiken bewusst machen und uns durch eine erhöhte Herzfrequenz und vermehrte Durchblutung auch handlungsfähig werden lassen.
Ein Pferd wird durch Angst kurzfristig körperlich leistungsfähiger, was ihm bei einer Flucht zugutekommt.
Angst kann also auch durchaus hilfreich sein.
Wovor hat das Pferd Angst?
Aber wovor haben Pferde denn nun typischerweise Angst?
Als in der Steppe lebendes Beutetier ist das Pferd evolutionär darauf gepolt, vor lauernden, sich anpirschenden und aus Bodennähe angreifenden Raubtieren zu flüchten. Pferde nehmen daher Bewegungen in der Ferne und rasche Bewegungen am Boden besonders gut wahr.
Ein Fahrradfahrer am Feldrand in der Ferne kann Pferde schon mal in Alarmbereitschaft versetzen. Genauso erschrecken Pferde typischerweise vor einer über den Boden wehenden Plastiktüte o. Ä., wenn noch keine entsprechende Gewöhnung an den Reiz stattgefunden hat.
Wer mit Pferden zu tun hat, weiß: Es gibt eigentlich nichts, was es nicht gibt. Pferde können sich je nach Vorerfahrung auch vor Traktoren, Kühen, fremden Geräuschen, Anhängern, der gruseligen Ecke in der Reithalle und anderen Dingen fürchten.
Aber sich klar zu machen, wovor Pferde typischerweise Angst haben, kann helfen, sie besser zu verstehen und einzuschätzen.
Hier ein paar Beispiele:
Sich verändernder Untergrund (Wasser, Matsch, Gullideckel, Fahrbahnbelag …)
Mülltonnen, Stromkästen, Bänke
Uneinsichtige Hecken oder Knicks
Heranlaufende Hunde
Kinderwagen, Fahrradfahrer etc.
Kleinere Findlinge oder Baumstümpfe
…
Was ängstigt den Menschen?
Wir Menschen hingegen wissen natürlich, dass uns auf dem Ausritt weder die Mülltonne am Straßenrand, noch der Gullideckel, noch der Baumstumpf oder der nahende Kinderwagen angreifen und fressen werden.
Vielleicht kann man so auch das Unverständnis erklären, mit dem einige Reiter auf die Angst ihres Pferdes vor solchen Alltagsgegenständen reagieren.
Viel häufiger jedoch ist es so, dass der Reiter zwar keine Angst vor dem Baumstumpf hat, sehr wohl aber vor der Reaktion seines Pferdes auf den Baumstumpf.
Nun haben also Pferd UND Mensch Angst. Zwar nicht vor dem gleichen Objekt, aber vor der gleichen Situation.
Da das Pferd die Angst des Reiters spürt, sieht es sich in seiner Annahme, der Baumstumpf sei gefährlich, natürlich bestärkt. Schließlich strahlt sein Herdenpartner, der Mensch, ja auch Angst aus.
Und fertig ist die Angstspirale.
Wege aus der Angstspirale
Beim Pferd zeigt sich die Angst nun also auf ihren unterschiedlichen Ebenen z. B. durch Verspannung, Herzklopfen, Stressäppeln, geblähte Nüstern, Nervosität und verminderter Bereitschaft auf die Reiterhilfen zu reagieren.
Beim Menschen hat die Angst sich vielleicht schon im Vorfeld der Situation durch negative Gedanken und Gefühle in Bezug auf den Ausritt geäußert und zeigt sich nun ebenfalls auf körperlicher Ebene durch Verkrampfung und erhöhte Puls- und Atemfrequenz.
Auf der Verhaltensebene versucht der Mensch nun vielleicht schnellstmöglich aus der Situation zu entkommen, was natürlich nur kurzfristig eine Erleichterung verschafft.
Langfristig muss unbedingt eine andere Strategie her, damit die Angst beim Reiten gar nicht mehr auftritt.
Wie kann das also gehen?
Du findest im Folgenden verschiedene Anregungen, wie du Angst beim Reiten oder in der Arbeit mit dem Pferd begegnen kannst.
Angst akzeptieren
Zunächst einmal ist es mit der Angst wie mit allen anderen Gefühlen auch: Sie möchte wahrgenommen werden.
Der erste Schritt für uns Reiter ist also, die eigene Angst anzuerkennen und sie zu tolerieren. Es kann sogar helfen, sie anzusprechen und in eine Art Dialog mit der Angst zu gehen. Vielleicht finden wir so heraus, warum die Angst da ist und wovor sie uns beschützen möchte.
Ignorieren wir die Angst oder gehen über sie hinweg, wird sie meist nur noch schlimmer.
Ausbildungsstand überprüfen
Sehr oft haben Reiter Angst vor einem Kontrollverlust und der damit einhergehenden Gefahr für Mensch und Pferd.
Meiner Erfahrung nach ist eine wirklich fundierte Grundausbildung des Pferdes UND des Reiters die beste Möglichkeit, einen Kontrollverlust zu vermeiden. Je besser die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch ist und je mehr verschiedene Angstreize Pferd und Reiter innerhalb der Ausbildung kennengelernt haben, desto mehr Sicherheit und Vertrauen entsteht.
Überprüfe also noch einmal kritisch, wie gut dein Pferd in verschiedenen Situationen wirklich an den Hilfen steht – am Boden und unter dem Sattel.
Wenn du Verbesserungsbedarf entdeckst, dann arbeite in gewohnter und ruhiger Umgebung daran und übe immer Schritt für Schritt vom Leichten zum Schweren. Fast immer liegt die Ursache in der Basis. Also scheu dich nicht, noch einmal etliche Schritte zurückzugehen.
Außerdem kannst du dein Pferd mittels systematischer Desensibilisierung an Angstreize gewöhnen und ihm so mehr Sicherheit, Vertrauen und Gelassenheit geben.
Embodiment
Der Begriff Embodiment ist eigentlich eher im Humanbereich bekannt, ist aber inzwischen auch im Pferdebereich nicht mehr ganz neu.
Unter Embodiment wird das Zusammenspiel von Körper, Psyche und Umwelt verstanden. Es wird davon ausgegangen, dass unsere Erlebnisse und Erfahrungen nicht nur im Großhirn, sondern auch in den Zellen unseres Körpers gespeichert werden. Unsere Gedanken und Erfahrungen beeinflussen somit unseren Körper.
Umgekehrt konnten Wissenschaftler nachweisen, dass eine gewisse Körperhaltung, Gestik oder Mimik eine entsprechende psychische Reaktion hervorrufen kann. (Niedenthal et al, “Embodiment in Attitudes, Social Perception, and Emotion”, 2005)
Wenn es dich interessiert: Den kompletten Artikel findest du hier.
Eine aufrechte, entspannte und offene Körperhaltung kann uns also helfen, uns weniger ängstlich und verkrampft zu fühlen und stattdessen gelassener in eine beunruhigende Situation hineinzugehen.
Auch eine tiefe Bauchatmung, ein lockerer Kiefer und ein Lächeln im Gesicht können wirklich helfen, sich auf dem Pferd von Angst zu befreien.
Ich mache meine Schüler besonders in angespannten Situationen immer wieder darauf aufmerksam, die Kiefermuskulatur locker zu lassen und zu lächeln. Auch pfeifen oder summen kann gut funktionieren.
Beim Pferd können wir uns Embodiment ebenfalls zunutze machen, indem wir das Pferd ganz bewusst in eine entspannte Körperhaltung bringen. Mit gedehnter Oberlinie, also tiefer Kopf-Hals-Position, können Pferde sich deutlich besser entspannen (Parasympathikus ist aktiv), als wenn sie die Rückenmuskulatur anspannen und den Hals stark aufrichten (Sympathikus ist aktiv).
Im Mini-Videotraining lernst du übrigens, wie du deinem Pferd das Kopfsenken ganz einfach beibringen kannst. Diese Übung ist wirklich ein Schlüssel, um gestressten Pferden wieder zu mehr Gelassenheit zu verhelfen.
Auch das Biegen und Übertreten eignet sich prima, um das Pferd in eine Haltung und eine Bewegung zu bringen, in der es bei korrekter Ausführung seine Bauchmuskulatur (ventrale Muskelkette) nutzt, die vom Parasympathikus angesprochen wird und Beruhigung und Entspannung fördert.
Das Pferd in Stellung, Biegung oder im leichten Seitwärts durch Angstsituationen zu reiten, kann deshalb auch wirklich wahre Wunder bewirken.
Entkatastrophisieren mit der Szenario-Technik
Oftmals spielen sich in unseren Köpfen die schlimmsten Horrorszenarien ab. Dabei haben diese Szenarien nicht immer etwas mit der Realität zu tun. Sie schüren jedoch unsere Angst.
Hier kann es helfen, die gefürchtete Situation zu entkatastrophisieren, indem wir uns möglichst objektiv das Worst-Case-Szenario, das Best-Case-Szenario und das wahrscheinlichste Szenario ausmalen.
Durch die verschiedenen Ergebnisse dieses Gedankenspiels entwickeln wir eine erweiterte und angemessenere Perspektive auf die Angstsituation.
Ein Beispiel:
Worst-Case-Szenario: Mein Pferd scheut auf dem Ausritt vor dem Baumstumpf, geht durch, ich falle herunter, breche mit einen Halswirbel und bin querschnittsgelähmt.
Best-Case-Szenario: Mein Pferd sieht den Baumstumpf auf dem Ausritt, stuft ihn als ungefährlich ein und geht in ruhigem Schritt am langen Zügel ganz entspannt daran vorbei.
Wahrscheinlichstes Szenario: Mein Pferd erblickt den Baumstumpf auf dem Ausritt, hebt den Kopf, verspannt sich etwas, lässt sich dann jedoch durch meine Hilfen gut einrahmen und geht in leichter Stellung im Schenkelweichen am Baumstumpf vorbei.
Gedankendisziplin
Ein weiterer Tipp, um der Angst entgegenzuwirken, ist Gedankendisziplin. Wir können unser Gehirn trainieren, möglichst positiv zu denken und uns dabei z. B. auch schöne, ermutigende Erinnerungen, die wir mit unserem Pferd gesammelt haben, zunutze machen. Dadurch kommen wir in eine gute psychophysiologische Verfassung, die negative Gedanken und Angst hemmt.
Schaltet unser Gehirn wieder in den Dramamodus und schürt unsere Angst, drücken wir gedanklich auf Stopp und konzentrieren uns bewusst auf unsere Stärken und das Positive.
Visualisierungen
Die Visualisierung ist eine weitere Methode aus dem Mentaltraining und kann dabei helfen, Angst vor bestimmten Situationen aufzulösen. In der Visualisierung arbeiten wir mit inneren Bildern. Wir stellen uns die ängstigende Situation bildhaft vor und malen sie uns so aus, wie wir sie gerne erleben würden.
Es geht darum, ein sehr detailliertes Bild dessen zu erschaffen, was wir in dieser Situation mit unserem Pferd erleben und fühlen möchten. Dabei können sogar die gleichen Gefühle ausgelöst werden, als wenn wir die Situation tatsächlich erlebt hätten.
In unserem Gehirn stärken wir dadurch bestimmte neuronale Bahnen. Es ist ein bisschen so, als hätten wir unsere Visualisierung schon in Wirklichkeit erlebt. Das wiederum erhöht die Chancen, dass die ausgemalte Version der Situation wirklich so eintritt, wie wir es uns wünschen.
Bei regelmäßiger Anwendung dieser Technik kann sich unsere Gehirnstruktur tatsächlich verändern. Grund dafür ist die sogenannte Neuroplastizität des Gehirns. Der gleiche Effekt tritt übrigens auch bei regelmäßiger Meditation ein.
Wenn es dich interessiert: Einen kleinen Artikel zum Thema Visualisierung findest du hier.
Dialog gibt Sicherheit
Reden hilft ja bekanntlich oft in Konfliktsituationen. Genauso kann uns auch ein Self-Talk – ein Dialog mit uns selbst – helfen, Angstsituationen besser zu meistern.
Wenn du ruhig mit dir und deinem Pferd sprichst, während ihr euch in einer angespannten Situation befindet, kann das euch beide beruhigen. Das Verbalisieren hilft vielen Menschen, die Gefahren und Risiken aber auch die Lösungsstrategien klar zu definieren.
Und wer einen Plan hat, fühlt sich gleich schon nicht mehr ganz so hilflos und ausgeliefert.
Konkrete Mutsätze eignen sich ebenfalls gut.
Ein Beispiel:
Ich habe alles spielend leicht unter Kontrolle, fühle mich sicher und mein Pferd vertraut mir.“
Probiere einfach aus, was sich für dich richtig anfühlt.
Noch ein positiver Nebeneffekt: Beim Reden atmest du automatisch aus und bewegst deine Gesichtsmuskulatur, was wiederum für zusätzliche Entspannung sorgt.
Humor nutzen
Zu guter Letzt kann uns auch Humor helfen. In den seltensten Fällen befinden wir uns mit unserem Pferd in akuter Lebensgefahr. Manches dürfen wir darum auch einfach etwas leichter nehmen und mit Humor betrachten.
Dein Pferd ist beim Spaziergang mit allen Vieren gleichzeitig in die Luft gesprungen, um dann neben dir wie angewurzelt stehen zu bleiben und nach kurzem Zögern doch vertrauensvoll weiter zu gehen?
Oder bist du fürchterlich zusammengezuckt, weil du mit dem Erschrecken deines Pferdes gerechnet hattest, dabei hat es nur herzhaft geschnaubt?
So what? Das ist ok. Du darfst gerne mal über dich und dein Pferd lachen. Das hilft, die Spannung zu lösen.
Fazit
Angst beim Reiten ist ein großes und wichtiges Thema. Um sie zu verstehen und ihr entgegenwirken zu können, hilft ein gewisses Hintergrundwissen.
Angst äußert sich bei Menschen (und Pferden) auf vier verschiedenen Ebenen: körperlich, emotional, kognitiv und im Verhalten.
Pferde fürchten sich arttypischer Weise vor Objekten, die in der Art der Erscheinung und Bewegung einem Raubtier ähneln. Aber auch völlig andere Gegenstände, Geräusche oder Orte können Angst auslösen.
Menschen dagegen fürchten sich meist eher vor der unkontrollierbaren Reaktion des Pferdes auf einen Angstreiz und den damit einhergehenden Gefahren, wie Durchgehen oder Abwerfen.
Um die Spirale der Angst beim Reiten zu unterbrechen, können wir verschiedene Methoden und Techniken anwenden:
Die Angst bewusst wahrnehmen und annehmen
Den Ausbildungstand von Pferd und Reiter verbessern
Mit Embodiment für mehr Entspannung, Gelassenheit und Selbstvertrauen sorgen
Mit der Szenario-Technik die Situation im Kopf entkatastrophisieren
Durch Gedankendisziplin bewusst unser Denken steuern
Mit Visualisierungen das Wunschergebnis konkretisieren
In einen verbalen Dialog mit uns selbst und unserem Pferd gehen
Die Dinge mit Humor nehmen
Alle diese Tipps können dir helfen, Angst beim Reiten in unterschiedlichen Situationen zu verringern oder aufzulösen.
Die für mich aus Trainersicht wichtigste Voraussetzung für angstfreies und entspanntes Reiten ist die fundierte und vielseitige Basisausbildung des Pferdes und des Menschen. Denn Wissen schafft Verständnis und Verständnis schafft Sicherheit.
Für die praktische Umsetzung ist ein erfahrener, empathischer Trainer, der dich und dein Pferd vor Ort individuell unterstützen kann, natürlich ebenfalls sehr förderlich.
Kennst du auch Angstsituationen mit deinem Pferd? Was sind deine Strategien und was hilft dir am besten?
Scroll runter und schreib mir gerne einen Kommentar unter diesen Artikel!
Es ist Mai, das Wetter oft gut und die Tage lang. Die Temperaturen sind noch moderat und auch Fliegen und Bremsen halten sich vielerorts noch in Grenzen. Die perfekten Bedingungen für’s Ausreiten. Wenn denn das Pferd auch mitmacht!
Ausreiten braucht Vorbereitung und Übung
Denn nur weil jetzt Mai ist, können wir nicht einfach plötzlich losreiten. Zumindest nicht, wenn unser Pferd noch nicht aufs Geländereiten vorbereitet ist.
Ausreiten musst du genauso üben, wie das Reiten in der Bahn!
Und eigentlich ist es sogar noch viel anspruchsvoller, als das Reiten auf dem Platz. Genaugenommen ist es für mich die Königsdisziplin des guten Freizeitreitens.
Denn alles was wir beim Ausreiten brauchen (Kontrolle über Tempo, Richtung, Akzeptanz diverser Reize etc.) muss zunächst auf dem Platz geübt werden und zu 100% funktionieren, bevor wir es auch auf dem Ausritt unter dem Einfluss verschiedenster Außenreize problemlos abrufen können.
In den folgenden Tipps erfährst du
mit welchen Aufgaben du dein Pferd auf den ersten Ausritt vorbereiten kannst und
wie du das Ausreiten so üben kannst, damit du und dein Pferd eine entspannte und sichere Zeit im Gelände habt
Meine besten Tipps zum Ausreiten
Tipp 1: Bereite dein Pferd in gewohnter Umgebung auf’s Ausreiten vor
Die Vorbereitung zum Ausreiten beginnt auf dem Platz. Übe auf dem Platz, dein Pferd vom Boden und unter dem Sattel sicher in Richtung und Tempo zu kontrollieren. Auch das Anhalten und Rückwärtsrichten, sowie die Notbremse (Vorhandwendung) müssen jederzeit problemlos abrufbar sein.
Das Seitwärtsrichten und das Verschieben der Hinterhand sollten funktionieren, damit du dein Pferd bei Bedarf mit deinen Hilfen einrahmen und es in Stresssituationen gut begleiten kannst.
Genauere Tipps zum Thema Anhalten findest du hier. Wie du das Rückwärtsrichten verbessern kannst, kannst du hier nachlesen.
Tipp 2: Überprüfe die Rittigkeit deines Pferdes unter Stress
Bringe dich und dein Pferd gezielt in Situationen, in denen es abgelenkt ist, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie dein Pferd unter Ablenkung auf deine Hilfen reagiert.
Du weißt am besten, was dein Pferd reizt: Fremde Pferde, die am Hof vorbeikommen? Fahrzeuge auf dem Feldweg in der Ferne? Windiges Wetter? Unbekannte Gegenstände?
Versuche deinem Pferd durch ihm bekannte Übungen (Übergänge, Stellung, Seitwärts etc.) Sicherheit zu vermitteln und es mit deinen Hilfen einzurahmen. Beschäftige es durch kleine, einfache Aufgaben.
Du willst seine Aufmerksamkeit zu dir zurückbringen, damit es dir zuhört und bei dir Sicherheit und Entspannung finden kann.
Tipp 3: Geh mit deinem Pferd spazieren
Bevor du ausreitest, geh mit deinem Pferd spazieren. Spaziergänge sind wie Ausritte, nur eben zu Fuß. Der Vorteil ist, dass du deinem Pferd am Boden alles zeigen kannst. Wenn dein Pferd eine gute Basisausbildung am Boden hat, wird es sich neben dir sicherer fühlen, als wenn du im Sattel sitzt.
Außerdem fühlen sich viele Reiter zunächst auch am Boden sicherer als auf dem Pferd. Voraussetzung ist natürlich, dass dein Pferd sich am Boden gut kontrollieren lässt und deinen Raum respektiert.
Drei Übungen, mit denen du das Vertrauen und die Sicherheit zwischen dir und deinem Pferd am Boden verbessern kannst, lernst du im Mini-Videotraining, das du hier für 0 € anfordern kannst.
Tipp 4: Wähle die für dich passende Ausrüstung
Zum Ausreiten braucht dein Pferd selbstverständlich einen passenden Sattel, indem aber auch du dich wohl und sicher fühlst. Als Zäumung nutzt du immer das, was dein Pferd von der Vorbereitung auf dem Platz kennt und worauf es fein und verlässlich reagiert.
Ohne Frage können dich ein Helm und eine Sicherheitsweste bei Stürzen schützen. Ich empfehle jedem, das zu nutzen, was ihm hilft sich auf dem Pferd sicher und entspannt zu fühlen. Denn das dient am Ende auch dem Pferd und eurer Beziehung am meisten.
Mir ist es wichtig zu sagen, dass Helm und Weste jedoch keinesfalls eine solide Grundausbildung des Pferdes ersetzen und weder fehlende reiterliche Fitness noch reiterliches Können wettmachen!
Tipp 5: Erweitere deinen Radius Stück für Stück und reite nicht einfach plötzlich vom Hof
Kannst du dein Pferd zuhause auf dem Platz kontrolliert und entspannt reiten und hast du auch eine gute Idee davon, wie dein Pferd trotz Ablenkung auf dich und deine Hilfen reagiert, kannst du beginnen, deinen Radius Stück für Stück zu erweitern.
Ich sage das so konkret, weil ich oft erlebe, dass Ausreiten für viele eine „Entweder-ganz-oder-gar-nicht“-Frage zu sein scheint. Das muss es aber nicht sein.
Wenn wir uns von dem Druck befreien, gleich eine ganze Runde ausreiten zu müssen, können wir in kleinen, zu bewältigenden Schritten unsere Komfortzone ausweiten.
Was spricht denn dagegen, erst einmal kreuz und quer über den Hof zu reiten, wenn du dich zum ersten Mal aus der Halle heraustraust? Oder den Hof nur kurz zu verlassen und nach ein bisschen auf und ab reiten wieder zurückzukehren, um die Einheit dann gemütlich auf dem Platz zu beenden?
Tipp 6: Kenne das Gelände und potentielle Gefahrenquellen
Bevor du das erste Mal wirklich ausreiten gehst, mache dich mit den örtlichen Begebenheiten vertraut. Du solltest das Gelände kennen und auch wissen, wo welche Art von Herausforderungen (Straßen, Brücken, Wasser, Untergründe, Kühe, Radfahrer, …) auf dich und dein Pferd warten könnten.
Wenn du zur Vorbereitung schon spazieren gegangen bist, kennst du dich wahrscheinlich schon gut aus. Umso besser.
Tipp 7: Gewöhne dein Pferd an Straßen, Trecker, Kutschen etc.
Auf dem Ausritt muss dein Pferd natürlich am besten auch verkehrssicher sein. Auch wenn du auf deiner Geländerunde vielleicht keine Straßen kreuzen musst, es kann immer anders kommen als geplant.
Mache dein Pferd also vorher mit Fahrzeugen, landwirtschaftlichen Maschinen, Fußgängern, Kinderwagen und wenn möglich auch mit Kutschen vertraut.
Du weißt am besten, was dir in deiner Region am wahrscheinlichsten begegnen kann. Sei also vorbereitet. Umso gelassener werden du und dein Pferd sein.
Tipp 8: Löse schwierige Situationen vom Boden und steige danach wieder auf
Bist du nun am Ausreiten und gerätst in eine Situation, in der dein Pferd sich unwohl fühlt und sich verspannt, und du dein Pferd vom Sattel aus nicht genügend an deine Hilfen stellen und beruhigen kannst, dann steige ab und löse die Situation vom Boden. Für viele Pferde ist es dann schon nur noch halb so schlimm.
Das Gleiche gilt natürlich, wenn du dich selbst im Sattel unsicher fühlst. Absteigen ist keine Schande! Im Gegenteil!
Ich mache das tatsächlich sehr oft. Sowohl bei jungen Pferden als auch bei meinem erfahrenen Pferd Walter.
Damit du im Gelände bei Bedarf gut vom Boden arbeiten kannst, ist es hilfreich, ein geeignetes Kopfstück dabei zu haben. Ich nutze zum Beispiel gerne ein Knotenhalfter unterhalb der Trense. Das Führseil knote ich während des Reitens einfach an den Sattel, damit es nicht stört. So ist alles schnell zur Hand.
Tipp 9: Reite im Gelände genauso, wie sonst auf dem Platz
Dieser Punkt ist super wichtig. Wir Reiter neigen dazu, in neuen Situationen anders zu reiten, als in gewohnter Umgebung. Vielleicht kennst du das vom Turnier. Vor lauter Anspannung und Konzentration, wirken wir auf das Pferd plötzlich wie ein anderer Mensch.
Es erkennt uns nicht wieder und findet in uns folglich auch nicht den sicheren Fels in der Brandung, den es in ungewohnten Situationen bräuchte.
Darum: Mach im Gelände alles genauso, wie du es auf dem Platz geübt hast. Wirke auf dein Pferd ein, hole seine Aufmerksamkeit zu dir zurück, wenn es sich zu sehr auf das Außen konzentriert, rahme es ein und reite die gleichen Übungen, die du auch auf dem Platz abfragst (Stellung, Übergänge, Seitwärts, …)
Diese bekannten Übungen geben euch beiden Sicherheit.
Vergiss nicht, zwischendurch auch immer wieder nachzugeben, damit dein Pferd seinen Hals entspannen und sich lösen kann!
Tipp 10: Reite vorausschauend und sei proaktiv
Ein weiterer super wichtiger Punkt! Schau voraus und sei proaktiv. Blicke also wirklich voraus, scanne deine Umgebung und erkenne potentiell schwierige Situationen frühzeitig. Antizipiere das Verhalten von anderen Menschen oder Reitern und auch die Reaktion deines Pferdes darauf.
Je früher du bemerkst, in welche Richtung sich eine Situation entwickelt und in welche Richtung dein Pferd denkt (Flucht oder lieber dem Menschen zuhören?), desto eher und meist auch sanfter kannst du reagieren.
Werde in Stresssituationen auf keinen Fall passiv, denn das verunsichert dein Pferd noch mehr. Bist du keine wahrnehmbare Stütze für dein Pferd, wird es sich umso mehr dazu gezwungen sehen, sich selbst um sein Überleben zu kümmern und im Zweifel zu flüchten.
Tipp 11: Achte beim Ausreiten auf eure Tagesform
Es gibt so Tage, da passt es einfach nicht. Irgendwie bist du noch gestresst von der Arbeit und dein Pferd vermutet auch hinter jedem Busch ein Gespenst. Tja, dann ist das vielleicht einfach nicht der Tag, um entspannt auszureiten. Und das ist ok.
Man muss nicht jedes Thema an jedem Tag trainieren, nur weil das vielleicht einmal der ursprüngliche Plan war. Und schon gar nicht, wenn es um ein Thema geht, das euch vielleicht Gelassenheit und Mut gleichermaßen abverlangt.
Wie du das passende Thema für deine Trainingseinheit finden kannst, erfährst du übrigens in diesem Artikel.
Ist es also windig und dein Pferd nervös oder es ist Feiertag und viele Radfahrer und Reiter sind unterwegs? Wenn du weißt, dass sich dein Pferd damit noch unwohl fühlt, dann verschiebe das Ausreiten üben einfach auf einen anderen Tag.
Tipp 12: Lass dich zu Beginn von einem erfahrenen Pferd-Reiter-Paar begleiten
Mach dir bewusst, welch großen Stress es für manche Pferde bedeutet, die eigene Herde und die vertraute Umgebung zu verlassen. Solchen Pferden hilft es extrem, wenn ein anderes, erfahrenes Pferd den Ausritt begleitet.
Ein Verlasspferd kann dir und deinem unerfahrenen Pferd natürlich auch später noch helfen, neue Situationen zu meistern oder Sicherheit zu vermitteln.
Nach und nach kannst du dann üben, dich im Gelände von dem Begleitpferd zu entfernen und zu trennen, bis du schließlich mit deinem Pferd alleine ausreiten kannst.
Manche Pferde tun sich auch schwer, alleine vom Hof weg zu gehen. Das ist fast immer ein Zeichen dafür, dass sich dein Pferd mit dir als alleinigem Herdenersatz noch nicht sicher genug fühlt.
Hier hilft es, wieder mehr vom Boden an der Beziehung zu arbeiten und mehr Vertrauen aufzubauen.
Wenn dein Pferd jedoch nur noch einen kleinen Stups braucht, um mit dir alleine den Hof zu verlassen, kannst du es auch einfach das erste Stück vom Hof wegführen und erst später aufsteigen.
Tipps zum Aufsteigen im Gelände, auch ohne Aufstiegshilfe, findest du hier.
Tipp 13: Hab dein Handy dabei und gib immer jemandem Bescheid, welche Strecke du reiten wirst
Wenn du alleine ausreitest, solltest du natürlich ein Handy dabei haben (möglichst an dir und nicht in der Satteltasche), um im Notfall Hilfe rufen zu können.
Für diesen Aspekt kannst du natürlich auch sämtliche Möglichkeiten der modernen Technik für dich nutzen und zum Beispiel über eine App deinen Standort teilen.
Informiere zusätzlich immer eine Person am Stall über deine geplante Strecke und deine ungefähre Rückkehr. So fällt auf, wenn du dich verspätest und es ist klar, wo man nach dir suchen kann.
Fazit: Ein Plädoyer fürs Ausreiten(üben!)
Um sicher und entspannt Ausreiten zu können, braucht es ein gewisses Maß an Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten – seitens des Menschen und seitens des Pferdes.
Um dies zu erreichen bedarf es wiederum einiger Zeit und Erfahrung. Es ist also klar, dass man Ausreiten üben muss – aber eben auch kann!
Denn oft investieren wir in das Ausreitenüben deutlich weniger Zeit, als in das Üben verschiedener Lektionen auf dem Platz. Daher müssen wir uns nicht wundern, wenn uns und unserem Pferd noch die nötige Routine und Gelassenheit auf dem Ausritt fehlen.
Natürlich muss am Boden und unter dem Sattel erst die Basis gelegt werden, aber dann profitieren Mensch und Pferd enorm vom Üben im Gelände, sowohl körperlich als auch mental.
Viele Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Ausreiten lassen sich außerdem durch Training und richtiges Üben wunderbar überwinden.
Somit sind die oben genannten Tipps auch gleichzeitig ein Sicherheitsupgrade für dich und dein Pferd. Denn Studien haben gezeigt, dass ein Großteil der Unfälle mit Pferden durch bessere Vorbereitung und gutes Training hätten vermieden werden können.
In diesem Sinne: Los geht’s mit dem Ausreiten üben! Wie wäre es? Entspannter Ausritt mit deinem Pferd – sagen wir – Ende des Sommers?
Wie ist das Thema Ausreiten für dich? Bist du noch ängstlich oder seid ihr schon Geländeprofis? 🙂
Scroll gern runter und schreib mir einen Kommentar!
Pferd und Reiter bewegen sich im Einklang. Leicht und locker, scheinbar mühelos gleiten sie dahin. Prompt legt das Pferd auf ein leises Schnalzen zu und wird noch fleißiger. Es galoppiert an und fliegt mit raumgreifenden Sprüngen über den Reitplatz, um dann nach einem Übergang zum Schritt motiviert und losgelassen voranzuschreiten. Es ist der Inbegriff der Bewegungsfreude. So wünschen wir uns unser Pferd. Fleißig, motiviert, engagiert, leistungsbereit und freudig mitarbeitend. Leider entspricht dieser Wunsch nicht immer der Realität. Welche Wege es gibt, auch ein triebiges Pferd wieder zu motivieren, soll dieser Artikel zeigen.
Was passiert, wenn ein Pferd triebig ist?
Bei faulen Pferden reichen die Ausprägungen von „nur etwas zäh am Schenkel“ bis hin zu kompletter „Arbeitsverweigerung“. Manche lassen sich durch korrektes Treiben und gutes Timing in der Hilfengebung schon ausreichend motivieren, andere werden bei zunehmenden Druck nur noch lethargischer oder setzen ihre Energie sogar gegen den Menschen ein, indem sie deutliches Abwehrverhalten zeigen.
Newsletter
Beiden Fällen ist gemein, dass die Motivation zur Bewegung fehlt, keine Leistungsbereitschaft vorhanden ist und es kein harmonisches Zusammenspiel von Pferd und Reiter gibt. Besonders wenn das Problem schon länger besteht, ergeben sich dadurch oft gestörte Bewegungsabläufe:
Beim Pferd fehlen Schub, Schwung und Losgelassenheit. Durch eine entweder verspannte, festgehaltene Muskulatur oder durch eine schlaffe, kraftlose Muskulatur nutzt es den Bewegungsradius seiner Gliedmaßen nicht voll aus.
Der Reiter verkrampft wiederum durch übertriebenes Treiben und Schieben mit dem Sitz und kommt infolgedessen oftmals aus der Balance.
Auf mentaler Ebene sieht es bei Pferd und Reiter meist nicht besser aus. So ist kein gesundes und harmonisches Reiten möglich.
Falls du mit deinem Pferd in einer solchen Situation feststeckst oder dein Pferd zumindest phasenweise zur Triebigkeit neigt, lies gern weiter.
In diesem Artikel lernst du,
welche Ursachen die Triebigkeit deines Pferdes haben kann,
was du als Reiter damit zu tun hast und
wie du den Teufelskreis durchbrichst und dein Pferd und du wieder zu motivierten Partnern werdet.
Mit diesen Schritten die Ursache(n) für die Triebigkeit herausfinden
Schritt 1: Ursachen beim Pferd
Bevor du dich daran machen kannst, die Bewegungsfreude deines Pferdes wieder zu erarbeiten, musst du den Grund für seine Bewegungsunlust herausfinden. Nur so kannst du die Ursachen beheben und den richtigen Ansatz für dein Training wählen.
Körperlich
Zum einen können die Ursachen körperlicher Art sein. Finde heraus, ob dein Pferd Blockaden oder Verspannungen hat, ob der Sattel passt und ob seine Zähne und Hufe in Ordnung sind. Schmerzen hemmen natürlicherweise die Bewegungslust und führen zu Schonhaltungen.
Auch der Futterzustand kann eine bedeutende Rolle für die Leistungsbereitschaft spielen. Sowohl eine Über- als auch eine Unterversorgung haben einen negativen Einfluss. Zu dicke Pferde können unter Leistungseinbußen leiden, da das Herzkreislaufsystem übermäßig belastet wird. Aber auch Unterernährung oder ein Nährstoffmangel können zu Abgeschlagenheit und verminderter Leistungsbereitschaft führen.
Gerade junge und körperlich noch nicht ausreichend entwickelte Pferde haben teils noch erhebliche Balanceprobleme. Diese mangelnde Balance kann sich in zu hohem oder auch zu geringem Tempo in den Gangarten zeigen.
Wenn du dir nicht sicher bist, ob du dein Pferd und seinen körperlichen Zustand richtig einschätzen kannst, ziehe am besten einen oder mehrere Experten zu Rate.
Psychisch
Zum anderen können die Ursachen auch auf der psychischen Ebene liegen. Beobachte und beurteile dein Pferd möglichst unvoreingenommen. Folgende Fragen können dir helfen:
Ist mein Pferd traurig? Wenn ja, welche Gründe kann es dafür geben? (Veränderungen in der Herde oder Haltungsform, …) Erlebt mein Pferd unsere gemeinsame Zeit als sinnerfüllt oder eher sinnlos? Hat es Freude an der Zusammenarbeit mit mir? Zeigt es sich im Zusammensein mit mir als Mensch genauso wie es sich in der Herde zeigt?
Welcher Typ ist mein Pferd? Introvertiert oder extrovertiert? Eher energetisch oder in sich ruhend? Ist seine Art / sein Verhalten rassetypisch? Gab es Zeiten, in denen mein Pferd nicht triebig war oder bestand das Problem schon immer?
Ich finde besonders die Frage, ob sich das Pferd in jeder Situation triebig zeigt oder es nur beim Reiten oder in der Bodenarbeit faul zu sein scheint, sehr aufschlussreich. Hier erhältst du einen wertvollen Hinweis, ob die Triebigkeit mit dir als Mensch / Reiter zu tun hat, ob die Ursachen vielleicht Verspannungen oder Schmerzen während der Arbeit sind oder ob die Ursachen unabhängig von dir / bzw. dem Reiten bestehen.
Schritt 2: Ursachen beim Reiter
Wenn du dein Pferd ausreichend durchgecheckt und einen guten Überblick über alle wichtigen Faktoren hast, bist du selbst an der Reihe. Oft ist es gar nicht so einfach, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Achtsame Selbstwahrnehmung, Ehrlichkeit und eventuell auch Hilfe von außen sind hier gefragt.
Körperlich
Es kann sein, dass du als Reiter dein Pferd unbewusst daran hinderst, frei und flüssig vorwärts zu gehen. Wenn du selbst Blockaden hast und dein Sitz verkrampft ist, hemmst du dein Pferd möglicherweise in der Vorwärtsbewegung.
Auch übertriebenes Treiben und Schieben mit dem Sitz bewirken meist das Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollen.
Wenn dein Timing bei der Hilfengebung nicht stimmt, sieht dein Pferd vielleicht einfach keinen Vorteil darin, auf deine Hilfe zu reagieren und schneller zu werden. Es versteht dann deine Hilfengebung nicht und du verstärkst vielleicht sogar aus Versehen das falsche Verhalten (langsames Tempo).
Psychisch
Es gibt auch Reiter, die nach außen hin kommunizieren, dass sie unbedingt Galoppieren wollen, im Inneren jedoch sind sie durch ihre Angst vor der höheren Geschwindigkeit und dem vermeintlichen Kontrollverlust gebremst. Das spüren die Pferde natürlich und nehmen folglich die treibende Hilfe nicht an.
Für manche Pferde reicht aber auch schon eine gewisse Planlosigkeit des Menschen beim Reiten aus, um den Vorwärtsschub zu nehmen. Fehlen der Fokus und das Ziel, geht auch die Motivation flöten.
Übertriebener Ehrgeiz des Reiters auf der anderen Seite, kann dem Pferd auch die Freude an der Arbeit und der Bewegung nehmen. Wollen wir zu viel auf einmal, bleibt für das Pferd unklar, für welche Bemühungen es konkret belohnt wird und Überforderung stellt sich ein. Belohnungen und Pausen sind jedoch essentiell, um die Motivation des Pferdes zu erhalten.
Die Triebigkeit des Pferdes kann also auch auf der psychischen Ebene des Reiters ihre Ursache haben.
So. Hast du schon eine Idee, wo du mit deinem Pferd ansetzen kannst? Wenn du die Ursache (oder auch die Kombination mehrerer Ursachen) herausgefunden und (soweit möglich) behoben hast, kannst du mit dem Training beginnen.
Anleitung: So wird dein triebiges Pferd wieder fleißig
Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass dein Pferd in einem körperlich und psychisch gesunden Zustand ist und grundsätzlich leistungsfähig und leistungsbereit ist. Außerdem hast du als Reiter deine eventuellen körperlichen und psychischen Themen bearbeitet, sodass einem harmonischen und motivierten Vorwärtsreiten nichts mehr im Wege steht.
Die Hilfe neu etablieren
Wenn das Treiben bei deinem Pferd nicht mehr zu einer Erhöhung des Tempos führt, muss die treibende Hilfe erst wieder neu installiert werden. Vereinfacht gesagt, musst du erst wieder einen Knopf einbauen, den du drücken kannst und der dann auch zum Zulegen des Pferdes führt.
Aber wie genau machst du das? Treiben funktioniert ja schließlich nicht.
Operante Konditionierung
Das Zauberwort heißt Operante Konditionierung und ist ein Fachbegriff aus der Lerntheorie. Bei dieser Art des Lernens tritt ein bestimmtes Verhalten immer häufiger auf, weil es verstärkt wird, d. h. es folgen für das Pferd angenehme Konsequenzen auf das Verhalten.
In unserem Fall des triebigen Pferdes heißt das, dass auf das Zulegen des Pferdes auf eine treibende Hilfe unmittelbar eine angenehme Konsequenz folgen muss (z. B. ein Lob oder eine Pause; Details s. unten), damit das Zulegen auf die treibende Hilfe künftig häufiger gezeigt wird.
Negative und positive Verstärkung
Die Verstärkung kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Die Begriffe positiv und negativ beziehen sich hier auf das Hinzufügen und das Wegnehmen von Etwas.
Möchtest du das Schnellerwerden deines Pferdes positiv verstärken, kannst du es z. B. mit der Stimme loben oder ihm bestätigend über den Hals streichen.
Wenn du die Tempoerhöhung negativ verstärken willst, nimmst du sofort den Schenkeldruck weg und setzt deine Hilfe aus.
Wenn du dein Pferd ganz besonders loben und motivieren möchtest, kombinierst du die beiden Methoden und nutzt positive und negative Verstärkung zusammen.
Sensibilisierung versus Habituation
Jetzt schauen wir uns die Hilfengebung und das Timing noch einmal genauer an.
Dein Ziel ist es, dein Pferd auf deine treibende Hilfe wieder zu sensibilisieren. Sagen wir, deine treibende Hilfe besteht aus einem leichten Druck deiner Waden. Damit dein Pferd künftig auf die kleinste Druckerhöhung deiner Wade mit Schnellerwerden reagiert, musst du deine Hilfe auf kleinster Stufe beginnen und so lange steigern, bis dein Pferd eine (vielleicht auch nur minimale) Reaktion (Schnellerwerden) zeigt. Dieses Schnellerwerden belohnst du dann sofort, indem du es positiv und / oder negativ verstärkst und deinen Schenkeldruck sofort wegnimmst.
So funktioniert die Sensibilisierung auf die Schenkelhilfe.
Was leider oft stattdessen passiert, ist Habituation. Bei der Habituation gewöhnt sich das Pferd an einen bestimmten Reiz, z. B. den dauerhaften Schenkeldruck, und reagiert mit der Zeit immer weniger darauf.
Der Reiter braucht also immer mehr Schenkeleinsatz, um sein Pferd überhaupt noch vorwärts zu reiten. Die Reaktion des Pferdes, das Zulegen, wird immer geringer und verschwindet irgendwann ganz.
Dein Gefühl und dein Timing sind in dieser Phase also ganz besonders wichtig, damit du dein Pferd auf die treibende Hilfe sensibilisierst und nicht habituierst.
Achtung
Du wirst hier sehr kleinschrittig arbeiten und auch winzige Bemühungen deines Pferdes erkennen und belohnen müssen, damit seine Motivation langfristig wächst.
Hilfsmittel bei triebigen Pferden: Sporen oder Gerte?
Aber was machst du, wenn dein Pferd nun auf den Schenkeldruck überhaupt nicht reagiert und kein bisschen schneller wird?
Dann brauchst du weitere Hilfsmittel, um deinem Pferd eine Reaktion zu entlocken, die du belohnen kannst. Nutze auf jeden Fall auch deine Stimmhilfe, deinen Fokus (also die Blickrichtung) und achte darauf, dass dein Körper locker ist und du den Weg nach vorne wirklich frei machst. Es macht keinen Sinn an den Zügeln zu ziehen, wenn du einfach nur einen Schritt nach vorne möchtest.
Wenn das alles nicht hilft, rate ich dir zu einer Gerte oder einem Stick, um dein Pferd touchieren zu können. Probiere aus, auf welchen Reiz dein Pferd am besten reagiert und wo du die Gerte zielführend einsetzen kannst.
Pferde die zum Buckeln oder Austreten neigen, lassen sich oft besser an der Schulter antippen, als auf der Kruppe.
Bei manchen Pferden funktioniert auch ein Fähnchenstock gut, da sie auf den optischen Reiz besser reagieren, als auf den Berührungsreiz der Gerte.
Sporen eignen sich meiner Erfahrung nach schlechter als eine Gerte, um Pferde vorwärts zu treiben. Viele Pferde verspannen beim Einsatz des Sporen in der Rumpfmuskulatur, was eine losgelassene Vorwärtsbewegung hemmt. Nicht umsonst sind Sporen zur feineren, lateralen Hilfengebung gedacht und fördern richtig eingesetzt eher die Versammlungsbereitschaft.
Viele Reiter verkrampfen sich mit Sporen außerdem zusätzlich im Sitz, weil sie versuchen, ihre Beine besonders gut unter Kontrolle zu halten.
Motivation für dein triebiges Pferd
Bei aller Trainingstheorie darfst du nicht vergessen, dass es immer hilfreich ist, das Pferd auf deiner Seite zu haben. Je höher die intrinsische Motivation deines Pferdes ist, mit dir zusammenzuarbeiten, umso leichter hast du es im Training und umso mehr könnt ihr gemeinsam erreichen.
Sinn und Abwechslung
Dein Pferd sollte die abgefragten Übungen darum als sinnvoll empfinden. Vielleicht hilft es euch, in der Reitbahn von Hütchen zu Hütchen zu reiten, anstatt planlos im Kreis herum.
Wenn dein Pferd gerne im Gelände unterwegs ist, nutze das Ausreiten, um an der Triebigkeit zu arbeiten. Das Gleiche gilt für Stangenarbeit, Trailhindernisse, Reiten in der Gruppe, usw.
Nutze alles, was die Motivation deines Pferdes erhöht, fleißig vorwärts zu gehen. Du kennst dein Pferd am besten und weißt, was ihm Freude bereitet.
Gleichzeitig dürfen wir uns immer wieder bewusst machen, dass unser Pferd seinen eigenen Charakter hat und bis zum gewissen Grad eben einfach so ist, wie es ist. Aus einem Kaltblut wird meist kein Vollblutaraber. Auch durch das beste Training nicht. Trotzdem darf Reiten sich natürlich leicht anfühlen. Das sollte es sogar.
Tipps und Tricks
Bei ganz hartnäckigen Energiesparmodellen kann es die Motivation fürs Vorwärtsgehen steigern, wenn in langsamem Tempo besonders anstrengende Übungen abgefragt werden:
Wenn die Schrittarbeit nur aus Seitengängen, Hinterhand- und Vorhandwendungen, Anhalten, Rückwärtstreten und wieder Anreiten besteht, kann es fürs Pferd eine große Belohnung sein, endlich am losen Zügel ganze Bahn traben zu dürfen.
Solche „Tricks“ kann man sich ganz gezielt zu Nutze machen. Oft geht man dabei sogar dem eigentlich Konfliktthema gewissermaßen aus dem Weg und baut stattdessen auf die Eigenmotivation des Pferdes.
Wieder ein Beispiel dafür, dass Reiten Köpfchensache ist!
„Make the wrong things difficult and the right things easy. Let your idea become the horse’s idea.“ Tom Dorrance
Fazit
Wenn ein Pferd triebig ist, kann das viele unterschiedliche Ursachen haben. Die Gründe können beim Pferd, aber auch beim Reiter (!), auf körperlicher oder psychischer Ebene zu finden sein.
Körperliche und psychische Ursachen müssen gefunden und soweit wie möglich behoben werden, damit ein losgelassenes und fleißiges Vorwärtsreiten wieder möglich werden kann.
Ist das erledigt, musst du mit deinem Pferd die treibende Hilfe wieder neu erarbeiten und es auf deinen Schenkel mittels positiver und negativer Verstärkung neu sensibilisieren. Eventuell brauchst du auch Hilfsmittel, wie deine Stimme oder eine Gerte.
Hat dein Pferd den treibenden Schenkel grundsätzlich wieder verstanden, gilt es dein Pferd so weit wie möglich zu motivieren und ihm Freude am Vorwärtsgehen zu vermitteln. Gestalte die Übungen für dein Pferd sinnvoll und verständlich, arbeite kleinschrittig und lobe viel.
Newsletter
Bringe Abwechslung ins Training indem du Dinge nutzt, die dein Pferd von sich aus gerne tut. Das steigert die Eigenmotivation am meisten.
Dein Pferd ist ein Individuum und du kennst es am besten. Bewerte eure Leistung immer nur in Relation zu eurer eigenen Leistung aus der Vergangenheit und vergleiche dich und dein Pferd lieber nicht mit anderen Pferd-Reiter-Paaren! Dieser Vergleich hinkt nämlich meist.
Wichtig ist nur, dass du und dein Pferd wieder fleißig, motiviert, leistungsbereit, losgelassen und freudig Vorwärtsreiten könnt.
Bist du schon mal ein richtig triebiges Pferd geritten? War dieser Artikel hilfreich für dich?
An welche Stelle der Ausbildung gehört das Rückwärtsrichten eigentlich? Was macht diese Übung zu einer Grundvoraussetzung und zur anspruchsvollen Lektion zugleich und wie kannst du sie mit deinem Pferd am einfachsten üben? Was tun, wenn das Pferd unterm Sattel partout keinen Schritt rückwärts gehen mag und wie schaffst du es, deine Hilfengebung immer weiter zu verfeinern? Um diese Fragen geht es in diesem Artikel.
Rückwärtsrichten: Basisübung oder höhere Lektion?
Das Rückwärtsrichten eines Pferdes gehört für mich zur absoluten Basisausbildung, sowohl am Boden als auch unter dem Sattel. Es ist eine der ersten Lektionen, die ich bei fremden Pferden abfrage, und die erste Übung, die ich jungen Pferden zu Beginn der Ausbildung beibringe.
Gleichzeitig ist ein korrekt ausgeführtes, durchlässiges Rückwärtsrichten aber auch eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die eine solide Ausbildung von Pferd und Reiter bereits voraussetzt.
Zu Beginn muss das Rückwärtsrichten natürlich noch nicht perfekt sein, aber ich erwarte einige wenige Schritte des Weichens vor meiner geschlossenen Hand.
Das Rückwärtsrichten bildet außerdem die Basis für ein gutes Anhalten, was wiederum ein wichtiger Sicherheitsaspekt in der Arbeit mit Pferden ist.
Trotzdem gibt es viele Pferde, die sich nicht oder nur sehr wiederwillig rückwärtsrichten lassen.
Warum ist das so?
Zum einen liegt Rückwärtsgehen nicht unbedingt in der Natur des Fluchttieres Pferd. Unter muskulärer oder mentaler Anspannung sind Pferde zum Teil überhaupt nicht in der Lage korrekt rückwärtszugehen.
Zum anderen habe ich den Eindruck, dass viele Pferde die Hilfengebung des Rückwärtsrichtens nicht richtig verstehen und die Lektion daher gar nicht ausführen können.
Ich sehe immer wieder Reiter, die durch ein falsches Hilfenverständnis gleichzeitig „vorne ziehen und hinten treiben“. Die Pferde wissen dabei gar nicht, wohin sie sich bewegen sollen. Also gehen sie entweder gegen die Hand oder versuchen sich anderweitig zu entziehen und dem Druck zu entkommen.
Auf mentaler Ebene fördert das Rückwärtstreten – korrekt ausgeführt – die Durchlässigkeit und lenkt den Fokus des Pferdes hin zum Reiter – und damit zum Zuhören. Bei einem leichten und flüssigen Rückwärts wird das Pferd erst fühlen (Hilfen wahrnehmen), dann denken (nach der richtigen Lösung suchen) und dann handeln (rückwärts weichen), anstatt sich im Gegensatz dazu zu verspannen und ans Fliehen zu denken.
Du förderst mit einem guten Rückwärtsrichten also Denk- und Bewegungsmuster, die du beim Reiten und in der Arbeit mit Pferden definitiv trainieren willst.
Willst du mehr wissen?
So erklärst du deinem Pferd das Rückwärtsrichten
Wenn du das Rückwärtsrichten mit deinem Pferd endlich Schritt für Schritt erarbeiten und es zu eurer Lieblingsübung machen möchtest, dann kommen hier die ultimativen Tipps, wie du das Rückwärtsrichten mit deinem Pferd üben kannst.
In diesem Artikel lernst du,
wie du das Rückwärtsrichten vom Boden vorbereitest,
wie du das Rückwärts in den Sattel überträgst,
mit welchem Trick zu deinem Pferd helfen kannst, den Rückwärtsgang unterm Sattel zu finden,
wie du die Hilfengebung im Rückwärtsrichten verfeinerst und
wie du das Rückwärtsrichten gymnastisch wertvoll gestaltest.
Vorbereitung am Boden
Um dein Pferd auf das Rückwärtsrichten unter dem Sattel vorzubereiten, beginnst du vom Boden. Dein Pferd kann dabei schon von unten deine spätere Zügelhilfe kennenlernen. Bei Missverständnissen kannst du ihm durch deine Körpersprache noch zusätzlich helfen.
So geht’s:
Du stellst dich neben dein Pferd, Blickrichtung nach vorne, und richtest es am Halfter rückwärts. Frage mit deiner Hand ganz dicht am Pferdehals, sodass der Zug des Seils aus Richtung des Widerrists kommt, dort wo später deine Zügelhand ist.
Sobald dein Pferd einen Schritt nach hinten weicht oder sein Gewicht nach hinten verlagert, gibst du nach und lobst dein Pferd. Dann fragst du erneut, bis ihr mehrere Tritte Rückwärts ganz leicht hintereinander schafft. Du sensibilisierst dein Pferd mit dieser Übung auf den Druck auf dem Nasenrücken.
Im nächsten Schritt übst du mit dem gleichen Kopfstück und Zügel, mit dem du später auch reiten willst. Nehmen wir als Beispiel eine Wassertrense.
Du stellst dich jetzt neben die Sattellage deines Pferdes und nimmst beide Zügel über dem Widerrist auf, sodass sie ungefähr in der Position sind, in der später auch deine Reiterhand ist.
Jetzt fragst du mit einem leichten, gleichmäßigen Zügelkontakt, ob dein Pferd dem Druck am Gebiss einen Schritt rückwärts weichen kann und belohnst es wieder, wie oben beschrieben. Nach kurzer Zeit solltet ihr ganz leicht mehrere Tritte Rückwärts schaffen.
Jetzt hast du die Basis gelegt.
Tipp!
Natürlich kannst du das Rückwärtsrichten auch mit einem Stimmkommando begleiten. Ich nutze „Whoa“ fürs Anhalten und auch fürs Rückwärtsrichten unter dem Sattel.
Das erste Rückwärts unter dem Sattel
Nachdem das Rückwärts am Boden gut klappt, steigst du auf und beginnst mit dem Üben unter dem Sattel. Dein Pferd hat ja nun aufgrund der vorherigen Übung schon die Rückwärts-Idee und wird dich meist schnell verstehen.
So geht’s:
Du sitzt aufrecht, entspannt und in neutraler Position im Sattel. Jetzt beginnst du dein Becken leicht abzukippen, sodass deine Sitzbeinhöcker im Sattel etwas nach vorne rollen und deine Gesäßtaschen mehr Kontakt mit der Sattelfläche bekommen. Dein unterer Rücken wird dabei etwas rund (Gegenteil von Hohlkreuz).
Zusätzlich nimmst du an beiden Zügeln leichten und gleichmäßigen Kontakt auf. Diese Übung kennt dein Pferd ja schon vom Boden und sollte nun mit einer Gewichtsverlagerung nach hinten oder einem Tritt Rückwärts reagieren.
Sobald es das tut, gibst du den Zügel natürlich nach und setzt dich wieder in die neutrale Position. So übst du weiter, bis du mehrere Tritte hintereinander abfragen kannst. Für jeden einzelnen Tritt belohnst du dein Pferd, indem du deine Hand leicht vorgibst.
Wichtig!
Deine Zügelhilfe sollte nie rückwärts einwirken. Der Kontakt entsteht durch ein leichtes Anheben der Hand und muss immer weich, also ohne Impulse, sein. Dein Pferd soll mit der Nase vor oder an der Senkrechten sein und sich auf keinen Fall verkriechen!
Wenn der Rückwärtsgang hakt
Sollte sich dein Pferd trotz der vorangegangenen Vorbereitung, körperlicher Gesundheit sowie grundsätzlicher Losgelassenheit unter dem Sattel nicht Rückwärtsrichten lassen, überprüfe bitte noch einmal all deine Hilfen und deine Vorarbeit.
Wenn dein Pferd „Nein“ sagt, hat das immer einen Grund, den du herausfinden musst.
Oft wirken wir als Reiter (unbewusst) zu stark ein oder geben unseren Pferden nicht genug Zeit, die richtige Antwort auf unsere Frage herauszufinden. Das kann besonders beim Rückwärts zu Problemen führen.
Es gibt aber auch Pferde, die sich mit dieser Übung eben einfach etwas schwerer tun als andere. Oft haben diese Pferde noch leichte Balanceprobleme und finden nicht heraus, wie sie sich unter dem Reiter im Rückwärts koordinieren können. Diese Pferde blockieren dann in der Bewegung. Es fühlt sich an, als würden sie ihre Vorderbeine in den Boden rammen und es lässt sich kein einziger Huf mehr bewegen.
Du kannst dann aus der Übung raus gehen und nach einigen Schritten vorwärts erneut beginnen. Oft hilft auch das Mobilisieren der Vorhand in einer Hinterhandwendung oder auf einer Volte in Außenstellung.
Wenn dein Pferd diese Lektionen unter dem Sattel noch nicht beherrscht, habe ich hier noch einen weiteren Tipp für dich: Die Schaukel.
Dieser „Trick“ beruht darauf, das Pferd im Halten leicht aus der Balance zu bringen und ihm so einen Ausgleichsschritt zu entlocken.
So geht’s:
Du fragst dein Pferd wie oben beschrieben ganz freundlich nach einem Schritt Rückwärts.
Wenn es blockiert und beginnt sich fest zu machen, fängst du an, deine Steigbügel rechts und links abwechselnd auszutreten und so dein Gewicht im Sattel hin und her zu bewegen. Ich „schaukele“ ca. alle 2 Sekunden leicht von rechts nach links. Probiere einfach aus, mit welchem Rhythmus du dein Pferd so schaukeln kannst, sodass es bald einen Schritt macht.
Um sich auszubalancieren bewegen die Pferde meist zuerst ein Vorderbein. Da deine Hand während der ganzen Übung leichten Kontakt zum Maul hatte – die Tür vorne also zu ist -, kann es sehr gut sein, dass dein Pferd sein Vorderbein beim Ausbalancieren nach hinten versetzt.
Und Schwupps kannst du dein Pferd für den ersten Schritt Rückwärts überschwänglich loben und belohnen.
Ist die Übung einmal verstanden, machen die allermeisten Pferde sehr schnelle Fortschritte und fangen an, das Rückwärtsrichten richtig zu mögen.
Die Hilfengebung im Rückwärtsrichten verfeinern
Nachdem ihr jetzt den Rückwärtsgang unterm Sattel gefunden habt, kannst du beginnen deine Hilfen zu verfeinern.
Mein Ziel ist zum Beispiel, dass mein Pferd nur auf meine Sitzhilfe Rückwärts geht. Willst du das auch erreichen, beginne das Rückwärtsrichten immer zuerst über deinen Sitz. Lass dein Pferd unter dein Gewicht Rückwärts treten und schließe deine Hand erst, wenn dein Pferd noch Unterstützung braucht.
Wenn das Pferd freiwillig, also ohne Druck durch deine Hand, in der Rückwärtsbewegung ist, kannst du beginnen an der Form zu arbeiten. Dafür braucht es deine Schenkelhilfe.
Manchen Pferden hilft es, wenn der Reiter die Knie vermehrt schließt, andere Pferde fühlen sich besser eingerahmt, wenn die Unterschenkel an den Flanken anliegen. Probiere hier gerne aus, womit du und dein Pferd sich am Wohlsten fühlen.
Achtung
Wenn du deine Waden hinterm Gurt an die Flanke legen möchtest, ändert sich automatisch auch dein Sitz. Du kommst dann vom Sitz mit abgekipptem Becken in einen leichten Entlastungssitz und kannst dein Pferd so in der Rückwärtsbewegung unterstützen und formen.
Wichtig ist, dass sich die Bewegung immer leicht und flüssig anfühlt, dein Pferd im Zweitakt mit aufgewölbtem Rücken rückwärtsgeht und deine Hand immer weich und freundlich bleibt. Eine hohe Hand wirkt dabei immer schonender ein, als eine tiefe Hand.
Wie du es schaffst, mit immer feineren Hilfen zu reiten und was du dafür über das Lernverhalten von Pferden wissen solltest, hab ich im E-Book “So lernt dein Pferd mit Freude” kompakt zusammengefasst.
Wenn dich das Thema interessiert, schau dir das E-Book einfach mal an.
Wenn dein Pferd das Rückwärtsrichten in seiner Basisform schon gut beherrscht, kannst du diese Lektion sehr gut zur Schulung der Koordination, zur Kräftigung der Hinterhand, zum Absenken der Kruppe und zur Förderung der Versammlung nutzen.
Diese Übungen nutze ich sehr gerne, um das Rückwärtsrichten zu variieren und mein Pferd möglichst vielseitig zu fördern:
Rückwärtsrichten am losen Zügel
Rückwärts am aufgenommen Zügel (z. B. in Stellung)
Rückwärts auf gebogener Linie (z. B. halbe Volte, ganze Volte, Volten-Acht, …)
Schritt – Rückwärts – Schritt
Trab – Halten – Rückwärts – Trab
Aus dem gerade Rückwärts angaloppieren
Aus der Rückwärtsvolte angaloppieren
Rückwärtsrichten am Hang (bergauf)
Flüssige Hinterhandwendung aus dem Rückwärts (Rollback)
Rückwärts im Quadrat reiten (dabei an jeder Ecke abwechselnd die Schulter und die Hinterhand wenden)
Einige dieser Übungen sind schon ziemlich anspruchsvoll und erfordern fein abgestimmte Hilfen von dir als Reiter und gute Koordination, Kraft und Durchlässigkeit von deinem Pferd.
Fordere beim Rückwärts nicht zu viel, denn diese Lektion ist wirklich anstrengend.
Wenn sich die Qualität des Rückwärts innerhalb der Übung verschlechtert, ist dein Pferd wahrscheinlich überfordert oder ermüdet. Beende die Lektion auf jeden Fall vor diesem Punkt!
Du möchtest immer das Gefühl haben, dass dein Pferd locker und leicht ins Rückwärts findet und diese Bewegung auch selbstständig hält. Wenn eine Übung unter dem Sattel noch nicht klappt, frage sie einfach vom Boden ab. Für viele Pferde ist dieser Trainingsreiz schon völlig ausreichend. Außerdem kannst du die Bewegungen deines Pferdes von außen besser beobachten und sehen, wo du es noch besser unterstützen kannst.
Newsletter
Fazit
Ich bin der festen Überzeugung, dass jedes gesunde Pferd auch zu Beginn der Ausbildung rückwärtsgehen kann, und das – nach entsprechender Vorbereitung – auch unter dem Sattel.
Es gibt keinen Grund, diese Übung nicht abzufragen und zu trainieren, denn sie ist nicht zuletzt für das Anhalten und die Kontrolle des Pferdes von großer Bedeutung. Rückwärtsrichten hat immer auch etwas mit Sicherheit zu tun!
Natürlich muss dein Pferd an die Übung herangeführt werden, damit es deine Hilfen auch sicher versteht und annehmen kann.
Darum:
1
Beginne mit dem Rückwärtsrichten vom Boden
1
Beginne mit dem Rückwärtsrichten vom Boden
2
Übertrage dann die schon bekannte Hilfengebung in den Sattel
2
Übertrage dann die schon bekannte Hilfengebung in den Sattel
3
Mobilisiere die Vorhand, wenn dein Pferd in der Bewegung blockiert
3
Mobilisiere die Vorhand, wenn dein Pferd in der Bewegung blockiert
4
Verfeinere deine Hilfen, sobald dein Pferd selbstständig in den Rückwärtsgang findet
4
Verfeinere deine Hilfen, sobald dein Pferd selbstständig in den Rückwärtsgang findet
5
Nutze das Rückwärts vielfältig zum Kräftigen und Gymnastizieren, ohne dein Pferd zu überfordern
5
Nutze das Rückwärts vielfältig zum Kräftigen und Gymnastizieren, ohne dein Pferd zu überfordern
Wie geht dein Pferd rückwärts? Ist das eine Übung, die euch leicht fällt oder bei der ihr eher Unterstützung braucht?
Wie eine Reitstunde im klassischen Sinne aufgebaut sein sollte, weiß wohl jeder von uns. Laut Lehrbuch besteht eine Trainingseinheit immer aus Aufwärm- bzw. Lösephase, Arbeitsphase und Entspannungsphase.
Je nach Bedarf kann der Schwerpunkt auf der lösenden Arbeit zu Beginn der Einheit oder auf der Arbeitsphase in der Mitte der Einheit liegen. Die Abwärm- und Entspannungsphase, in der das Pferd mit Puls und Atmung wieder zur Ruhefrequenz zurückkehrt, sollte niemals fehlen.
Aber was kommt denn eigentlich in den einzelnen Phasen genau vor? Mit welchen Übungen füllst du sie konkret?
Im Reitunterricht entscheidet das oft hauptsächlich der Reitlehrer zusammen mit dir und deinem Pferd. Aber wenn du alleine reitest, musst du selbst einen Plan haben, um nicht Runde um Runde ziellos im Kreis zu reiten.
Aber wie findest du nun das Thema für die Reitstunde? Welche Faktoren spielen für die Themenwahl eine Rolle? Und wie behältst du während des Reitens den Überblick?
Leitfaden Trainingseinheit
Häufig passiert es, dass wir Reiter unterwegs irgendwie den Faden verlieren. Wir sind mit einem gewissen Plan aufs Pferd gestiegen, haben angefangen zu arbeiten und uns dann irgendwo zwischen Bahnfiguren, Idealvorstellungen und den anderen Reitern in der Bahn verloren.
Wir haben unser Ziel nicht mehr klar im Blick und vielleicht sogar vergessen, worauf wir eigentlich unseren Fokus hatten legen wollen.
Manchmal kommt einem auch ein unerwartetes „Problem“ in die Quere. Irgendetwas funktioniert nicht wie erwartet, wir geraten aus der Spur und haben zunächst vielleicht keine Ahnung, warum diese eine Übung heute einfach nicht klappt.
Im Folgenden geht es nicht um einen übergreifenden, längerfristigen Trainingsplan für dein Freizeitpferd, sondern darum, wie du eine einzelne Trainingseinheit mit deinem Pferd individuell und planvoll gestaltest.
Dazu habe ich dir einen Leitfaden erstellt, der dir hilft, deine Reitstunde sinnvoll aufzubauen und während des Reitens deinen roten Faden im Blick zu behalten.
In diesem Artikel erkläre ich dir,
wie du dein Thema für die Trainingseinheit findest,
wie du die Reitstunde mit deinem Pferd individuell und sinnvoll aufbaust,
wie du den Überblick behältst und den roten Faden nicht verlierst und
wie du deine selbst gesteckten Ziele für die Einheit auch erreichst.
8 Tipps zum individuellen Aufbau einer Reitstunde
Bevor du zu deinem Pferd kommst, machst du dir am besten schon mal Gedanken darüber, was du heute mit deinem Pferd machen möchtest. Ich nutze dazu meist den Weg zum Stall und überlege, welche Art von Training – Bodenarbeit, Longieren, Handarbeit, Reiten, Gelände, …- heute gut passen würde.
Ich stimme mich innerlich auf mein Pferd ein und spüre dann meist auch schon, in welcher mentalen Form ich bin und welche Art von Training mir persönlich in diesem Gemütszustand am meisten liegt.
1. Verfassung
Die Frage der Verfassung betrifft natürlich nicht nur dich, sondern auch dein Pferd. Überprüfe am Stall also ganz unvoreingenommen, in welcher mentalen und körperlichen Verfassung sich dein Pferd befindet.
Das kann von seiner aktuellen Tagesform, der Uhrzeit, dem Wetter, der Situation in der Herde und vielen weiteren Faktoren abhängen und kann großen Einfluss auf seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit haben.
Frage dich immer: Was kannst du heute mental und körperlich leisten und was kann dein Pferd heute mental und körperlich leisten?
2. Bedingungen
Anschließend schaust du, welche Bedingungen ihr heute zum Trainieren vorfindet:
Wie sind die Wetterverhältnisse? Ist es nass oder trocken? Windig, kalt oder heiß? Wie sind entsprechend die Bodenverhältnisse draußen? Ist dein Pferd in der Sattellage nass und matschig? Wie voll ist die Reithalle? Habt ihr Tageslicht? Müsst ihr auf den Longierzirkel ausweichen oder könnt ihr ins Gelände gehen? Und so weiter …
3. Thema
Unter Berücksichtigung aller nun bekannten Faktoren kannst du jetzt entscheiden, woran du mit deinem Pferd arbeiten und in welcher Form du das tun möchtest.
Willst du an der Schenkelakzeptanz arbeiten? Die Schulterkontrolle verbessern? An eurer Kommunikation am Boden arbeiten? Dein Pferd an einen neuen Reiz im Gelände gewöhnen? Es gibt unendlich viele Themen! So viel ist klar.
Die wichtigste Frage für dich: Welche Art von Training passt für euch beide am heutigen Tag am besten?
Vielleicht passt auch gar kein Training und ihr verbringt einfach nur etwas schöne Zeit miteinander?
4. Ziel
Bevor du jetzt mit dem eigentlichen Training beginnst, solltest du dir im Klaren darüber sein, was dein Ziel für diese Einheit mit deinem Pferd ist. Du musst ein klares Bild dessen im Kopf haben, was du erreichen möchtest und für welche Teilschritte und welches Endergebnis du dein Pferd konkret belohnen willst.
Nur wenn du das in deinem Kopf klar definiert hast, hast du wirklich einen Fokus, dem auch dein Pferd folgen kann.
Dieses innere Bild kann das gewünschte Endergebnis darstellen oder aber kleine Teilschritte auf dem Weg zum Ziel verdeutlichen. Manchmal suchst du vielleicht nur nach einem ganz bestimmten Gefühl in der Bewegung mit deinem Pferd, anstatt nach einer perfekt ausgeführten Lektion.
Setz dir erreichbare Ziele!
Oft setzen wir uns Ziele, die innerhalb einer Einheit gar nicht reell zu erreichen sind. Dadurch entsteht Frust und wir verlieren die Wertschätzung für die vielen, kleinen, positiven Dinge, die unser Pferd uns gibt.
5. Flexibilität
Trotz Struktur und rotem Faden müssen wir beim Reiten natürlich flexibel bleiben und auf Veränderungen im Pferd oder in unserem Zusammenspiel reagieren können.
Ich nehme mir für eine Reitstunde oft ein übergreifendes Thema vor. Während ich dann beginne mich und mein Pferd unter dem Sattel auf dieses Thema vorzubereiten, kann es sein, dass mir etwas auffällt, was sich gerade nicht gut anfühlt.
Ein Beispiel: Nimmt mein Pferd den treibenden Schenkel in der Lösungsphase nicht gut an, reagiere ich natürlich auf das, was ich gerade fühle und versuche, meinem Pferd wieder mehr ins Vorwärts zu helfen. Starr an meinem eigentlichen Thema für die Stunde festzuhalten, macht dann wenig Sinn.
Erst wenn mein Pferd den treibenden Schenkel wieder gut annimmt, lege ich den Fokus wieder auf mein ursprüngliches Thema. Eine gewisse Flexibilität und Achtsamkeit solltest du dir auf oder am Pferd immer bewahren.
6. Schwierigkeiten
Jetzt kann es natürlich sein, dass während der Reitstunde Schwierigkeiten auftreten und dein Pferd und du das Geplante nicht so umsetzen könnt, wie gedacht. Oft ist das der Punkt, an dem wir den Faden verlieren, weil wir keinen Plan B haben und nicht wissen, wie wir mit den unerwarteten Problemen umgehen sollen.
Hier kommt mein ultimativer Tipp:
Anhalten, durchatmen und nachdenken!
Ja, so einfach. Denn Weiterreiten hilft in dem Moment erstmal überhaupt nicht. Du musst dir des aufgetretenen Problems bewusst werden, es in allen Details wahrnehmen und dir dann Zeit nehmen, es zu analysieren, die möglichen Ursachen herauszufinden und dir einen Plan zum Weiterarbeiten zurechtlegen.
Diese Fragen kannst du dir stellen:
Woran könnte es gelegen haben?
Kann ich die Übung noch einfacher machen?
Kann ich die Übung in weitere Einzelteile zerlegen?
Wie kann ich einzelne Teilschritte üben, um später wieder alles zusammenzufügen?
Unsere Pferde danken es uns sehr, wenn wir ehrlich und ganz in Ruhe versuchen den Fehler zu finden, um dann mit System und Plan und in aller Ruhe daran zu arbeiten. Mit „drüber weg reiten“ ist es (besonders langfristig) meist nicht getan.
Arbeit mit Pferden ist eben oft Köpfchensache.
7. Fortschritt
Ein weiterer wichtiger Punkt, um den Überblick zu behalten, ist dieser: Du musst euren Fortschritt wahrnehmen.
Kommt ihr voran? Klappen die Übungen, die du dir vorgenommen hast? Verbessert ihr euch während der Einheit?
Dann lob dein Pferd und gib ihm eine Pause.
Hier kommt deine Zielsetzung wieder ins Spiel: Um die Entwicklung innerhalb der Trainingseinheit richtig einschätzen und beurteilen zu können, ist dein klares, inneres Bild wichtig. Du musst wissen, wonach du suchst, um dein Pferd im richtigen Moment belohnen zu können und ihm damit zu bestätigen, dass es auf dem richtigen Weg ist.
8. Ergebnis
Wenn du denkst, das bestmögliche Ergebnis für diesen Tag erreicht zu haben, beende die Trainingseinheit, steige ab und freue dich.
Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am Schönsten ist und das trifft auf die Arbeit mit Pferden in vielerlei Hinsicht auch zu. Egal ob es um das Erreichen kleinster Teilerfolge oder das Erlernen neuer Lektionen geht.
Du willst dein Pferd ja motiviert halten und es soll immer mit einem positiven Eindruck aus der Reitstunde kommen. Mach also nicht weiter, bis dein Pferd sich aus purer Ermüdung wieder verschlechtert, bloß weil es ja gerade so schön läuft. Das ist die falsche Idee.
Du weißt am besten, was dein Pferd nach getaner Arbeit als größtes Lob empfindet: Absatteln und wälzen? Spazieren im Gelände? Grasen lassen? Zurück zur Herde?
Wichtig!
Dass du deine Arbeitsphase beendest, heißt natürlich nicht, dass du die Entspannungsphase außer Acht lassen solltest.
Leitfaden Trainingseinheit
Fazit
So meditativ und schön es ist, sich beim Reiten im Flow zu befinden und sich ganz im Moment zu verlieren, so wichtig ist es auch, mit Plan vorzugehen und das Pferdetraining innerhalb der Reitstunde individuell und sinnvoll aufzubauen.
Mit ein bisschen mentaler Vorbereitung und einem Leitfaden im Kopf kannst du deine Reitstunde individuell und sinnvoll aufbauen. Denn du bist der Trainer deines Pferdes und verantwortlich für die Harmonie in deiner Reitstunde und den Erfolg deiner Trainingseinheit.
Wie geht es dir, wenn du dein Pferd alleine arbeitest? Fällt es dir leicht, den Überblick zu behalten oder verlierst du manchmal auch dein Ziel aus den Augen?
Scroll gerne nach unten und schreib mir einen Kommentar 🙂
Ich muss immer ein bisschen Schmunzeln, wenn ich sehe, wie Pferde sich mit ihren im Aufsteigen begriffenen Menschen über den Platz manövrieren und es mit unglaublich sicherem Timing jedes Mal schaffen, sich genau in der Sekunde wegzubewegen, in der der Reiter seinen Fuß in den Steigbügel setzen will.
Weniger lustig, eher unverständlich, finde ich es dagegen, wenn Pferde von ein bis zwei Personen am Boden festgehalten werden müssen, damit der Reiter überhaupt aufsitzen kann.
Wenn Pferd und Reiter nicht in der Lage sind diese Aufgabe zu zweit zu meistern, dann hat Reiten in dieser Beziehung momentan für mein Empfinden auch nichts zu suchen.
Dann heißt es, back to basics und erstmal am Boden an einer funktionierenden Verständigung und einer echten Verbindung arbeiten, damit das Aufsteigen später kein Thema mehr ist.
Newsletter
Wenn ein Pferd seinen Reiter nicht aufsteigen lässt, ist das ein klares Signal und kann sogar auf Unbehagen oder Schmerzen beim Aufsitzen oder Reiten hindeuten. Mögliche Ursachen, wie z. B. ein unpassender Sattel, müssen daher unbedingt abgeklärt werden!
Im Grunde ist es ganz einfach dem Pferd beizubringen, an einer Aufstiegshilfe einzuparken und stehen zu bleiben, bis der Reiter im Sattel Platz genommen hat. Deshalb wundere ich mich auch immer, warum manche Reiter es sich so unnötig schwer machen!
Aber einfach ist etwas eben nur, wenn man weiß, wie es gehen kann! Und das sogar ohne ständiges Futterlob
Und genau das erkläre ich dir jetzt.
In diesem Artikel erfährst du
welche Vorübungen du machen solltest,
wie du das Einparken an der Aufstiegshilfe Schritt für Schritt übst,
wie dein Pferd lernt, zu warten
und wie du zur Not auch mal ohne Aufstiegshilfe aufsteigen kannst, ohne dein Pferd zu stark zu belasten.
Entspanntes Aufsteigen mit und ohne Aufstiegshilfe muss also ab jetzt absolut kein langfristiges Problemthema mehr für dich und dein Pferd sein. 🙂
Schritt für Schritt zum entspannten Aufsteigen
Beim Einparken an einer Aufstiegshilfe muss dein Pferd an dich herantreten, anstatt – wie bei den meisten Übungen – vor dir zu weichen. Das muss dein Pferd zunächst einmal verstehen und sich auch trauen zu tun.
Pferde, die sehr höflich sind und lieber einen größeren Abstand zwischen sich und dem Menschen haben, finden das am Anfang schwierig.
Eher büffelige Pferde mit wenig Individualabstand können dagegen beim Ansaugen – so nenne ich die Übungen, bei denen das Pferd auf den Menschen zukommt – über das Ziel hinausschießen und den Menschen anrempeln.
Stelle also sicher, dass eine gewisse Grunderziehung schon vorhanden ist, damit dein Pferd dir nicht unnötig auf die Füße tritt. Denn das ist natürlich auch beim Ansaugen nicht Ziel der Übung.
Merke!
Ansaugen = Alle Übungen, bei denen das Pferd in Richtung des Menschen weicht.
Ansaugen an der Bande
Zur Vorbereitung aufs Einparken stellst du dein Pferd auf den Hufschlag parallel zur Bande und positionierst dich frontal vor seinem Kopf. Jetzt nimmst du dein Pferd am Halfter und drückst seine Nase leicht Richtung Bande, sodass es nach außen gestellt ist.
In der anderen Hand hältst du die Gerte und tippst den äußeren Hüfthöcker deines Pferdes an, bis es mit der Hinterhand einen Schritt nach innen kommt. Dann lobst du es ausgiebig und wiederholst die Übung, bis dein Pferd dich gut versteht.
Dein Pferd sollte dich dabei nicht aus dem Weg drängeln, sondern nur die Hinterhand bewegen!
Tipp Körpersprache!
Nutze zusätzlich zur Gerte auch deine Körpersprache und lehne dich zurück, während du über die Kruppe hinwegschaust. Stell dir vor, deine Schultern saugen die Kruppe deines Pferdes an.
Wenn dein Pferd sehr groß ist oder zu viel Vorwärtstendenz in dieser Übung hat, kannst du die Gerte oder den Stick auch unter dem Pferdehals hindurch auf die gegenüberliegende Seite bringen und dein Pferd dort touchieren.
Du kannst die Übung natürlich von beiden Seiten machen! Die meisten Pferde fühlen sich allerdings auf der linken Hand zu Beginn wesentlich wohler als auf der rechten Hand.
Einparken mit Hocker
Wenn das Ansaugen an der Bande gut funktioniert, stellst du dich auf einen Hocker an der Bande und wiederholst die Übung. Für manche Pferde macht es einen großen Unterschied, ob der Mensch erhöht oder auf dem Boden steht. Übe wieder, bis dein Pferd dich gut versteht, sich wohlfühlt und auf leichte Hilfen mit der Hinterhand herumtritt.
Frage so lange weiter, bis dein Pferd neben deinem Hocker steht und lobe es ausgiebig, indem du es kraulst und abstreichst. Von der Ausgangsposition an der Bande bis zur Parkposition am Hocker hat es nun eine 180° Drehung gemacht.
Noch ein Tipp: Wenn dein Pferd eingeparkt hat, steige vom Hocker und führe eine Runde als Dankeschön. Dann steigst du wieder auf den Hocker und saugst dein Pferd erneut an, bis es in der richtigen Position steht.
So lernt dein Pferd, dass deine erhöhte Position immer „herankommen“ und nicht „weggehen“ heißt.
Einparken mit Aufstiegshilfe
Wenn du am Stall eine fest installierte Aufstiegshilfe hast, kannst du jetzt dort üben. Nutzt du weiter den Hocker, übe an verschiedenen Stellen auf dem Platz oder auf dem Hof und gewöhne dein Pferd daran, die Übung auch ohne Bande auszuführen.
Ohne Anlehnung an der Bande verlieren Pferde manchmal die Orientierung und weichen mit der Hinterhand von uns weg, anstatt heranzukommen. Achte dann besonders auf die Stellung!
Die Pferdenase muss von dir wegschauen, damit die Hinterhand herankommen kann. Tippe solange mit der Gerte, bis dein Pferd wieder einen Schritt in die richtige Richtung macht und belohne es dann.
Diese Übung ist am Anfang echter Denksport für die Pferde. Also lass dir Zeit und mach alles ganz in Ruhe.
Wenn dein Pferd neben dir still steht, belohne es! Der Schwerpunkt liegt auf dem Stillstehen und Kraulen, nicht auf dem Aufsteigen.
Auf- und Absteigen üben
Steht dein Pferd wirklich wie eine Statue neben der Aufstiegshilfe und hat diesen Platz als richtigen Wohlfühlort für sich abgespeichert, übst du das Aufsteigen. Auch das machst du Schritt für Schritt.
Du setzt also den Fuß in den Bügel und wenn es stehen bleibt, kraulst dein Pferd weiter und nimmst zur Belohnung den Fuß wieder aus dem Bügel heraus. So arbeitest du dich kleinschrittig vor, bis du dich ganz in Ruhe in den Sattel setzen kannst.
Anstatt loszureiten, kraulst und lobst du weiter und steigst dann einfach wieder ab. Dann gehst du wieder eine Runde führen, parkst dein Pferd dann wieder ein und so weiter. Dein Pferd soll das Ganze am besten richtig langweilig finden.
Warten üben
Wenn deinem Pferd die Geduld zum Warten fehlt und es nach dem Aufsitzen gern direkt losgeht, musst du ihm helfen, die Spannung abzubauen bzw. ihm das Stehenbleiben schmackhaft machen.
Option 1: Du kannst es losgehen lassen und nach einigen Schritten eine Vorhandwendung, ein Seitwärts oder eine andere anstrengende Übung, die Nachgiebigkeit erfordert, abfragen. Im Anschluss reitest du es wieder an die Aufstiegshilfe heran und machst dort wieder Pause.
Option 2: Manchen ungeduldigen Pferden hilft an dieser Stelle auch ein Leckerli. Wenn sie wissen, dass vor dem Losgehen auf jeden Fall noch ein Keks von oben kommt, bleiben sie geduldiger stehen und warten länger ab.
Du kennst dein Pferd am besten. Also entscheide, welche Option euch besser hilft.
Verschiedene Aufstiegshilfen
Um das entspannte Aufsteigen zu festigen, übst du jetzt in verschiedenen Situationen und an unterschiedlichen Orten. Zum Beispiel also auch im Gelände, wenn sich eine passende Aufstiegshilfe, wie ein Baumstamm oder ein großer Stein, bietet.
Je ungewohnter die Umgebung bzw. je angespannter dein Pferd, desto schwieriger wird das Einparken, Stehenbleiben und Aufsteigen werden. Lass dir hier unbedingt viel Zeit, arbeite kleinschrittig und belohne dein Pferd auch für kleine Fortschritte, auch wenn es die Übung ja eigentlich schon als Ganzes beherrscht.
Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe
Dass Aufstiegshilfen den Pferderücken schonen, brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber es kann natürlich in bestimmten Situationen auch einmal nötig sein, ohne Aufstiegshilfe aufzusitzen. Um das möglichst pferdeschonend zu tun, habe ich hier noch ein paar Tipps:
Wenn möglich, z. B. durch unebenen Boden, positioniere dich so, dass du etwas höher stehst, als dein Pferd.
Setze den Fuß vorsichtig in den Bügel, damit du deinem Pferd nicht an Bauch oder Ellenbogen wehtust.
Der Sattel muss fest genug gegurtet sein, wenn du niemanden zum Gegenhalten hast.
Greife zum Aufsitzen lieber in die Mähne, als an Vorderzwiesel, Horn, Kranz oder Cantle. Am Sattel hast du eine deutlich höhere Hebelwirkung auf die Dornfortsätze der Wirbelsäule als das am Mähnenkamm der Fall ist.
Bring deine Hüfte so schnell wie möglich dicht über das Pferd.
Balancier dich aus und setze dich vorsichtig in den Sattel.
Steige von beiden Seiten abwechselnd auf! Kannst du nicht? Unbedingt üben!
Probleme beim Aufsteigen
Bleibt dein Pferd beim Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe nicht stehen, hinterfrage den Grund dafür. Ist es ihm unangenehm? Kommt es extrem aus der Balance? Rutscht der Sattel? Ist das Aufsitzen eventuell sogar schmerzhaft für dein Pferd?
Diese Ursachen musst du erkennen und darauf entsprechend reagieren! Alles andere wäre unfair und nicht gerade förderlich für eure Beziehung!
Manchmal haben Pferde aber auch trotz gut sitzender Sättel und leichter, gut koordinierter Reiter gelernt, dass sie den Menschen mit kleinen Ausweichbewegungen im richtigen Moment sehr effektiv vom Aufsitzen abhalten können und so noch etwas länger Pause vor der Arbeit haben.
(Hier muss ich immer Schmunzeln, denn die Pferde sind wahnsinnig effektiv in ihrem Handeln und der Mensch meist ziemlich ratlos.)
Ist das der Fall, müssen wir das Pferd wieder „umtrainieren“ und ihm zeigen, dass es schöner ist, den Reiter aufsitzen zu lassen, als sich ihm durch Ausweichen zu entziehen.
Meist haben wir Menschen dieses unerwünschte Verhalten des Pferdes sogar noch verstärkt, indem wir unbewusst immer im falschen Moment die Pause (also Belohnung) gegeben haben.
Das kannst du dir so vorstellen:
Mensch setzt den Fuß in den Bügel, Pferd weicht zur Seite, Mensch bricht das Aufsitzen ab, stellt den Fuß wieder auf den Boden, sortiert sich neu, ergo Pause fürs Pferd!
Oder:
Mensch begibt sich in Vorbereitung aufs Aufsitzen neben das Pferd, Pferd weicht rückwärts aus, Mensch gelangt gar nicht erst an die Sattellage, bricht ab, führt Pferd wieder vorwärts, sortiert sich neu, ergo Pause fürs Pferd!
Ist dein Pferd so ein kleiner Schlaumeier, lass dich von ihm nicht aus dem Konzept bringen. Bleib dran an deinem Vorhaben.
Wenn es rückwärts ausweicht, beweg dich einfach passiv und freundlich mit ihm mit, bis es stehenbleibt und lobe es dann. So zeigst du ihm, dass du freundlich aber bestimmt dranbleibst und es dich (durch sein Ausweichen) nicht loswird.
Im Gegenzug solltest du seine Annahme, dass du dich nun gleich schnellstmöglich in den Sattel schwingen willst, nicht direkt bestätigen, sondern dir erstmal Zeit für Lob und Pause nehmen.
Das Gleiche gilt, wenn dein Pferd sich entzieht, sobald du den Fuß im Steigbügel hast. Versuch den Fuß im Bügel zu lassen und beweg dich mit deinem Pferd mit – eben hüpfend auf einem Bein – während du es bittest, wieder stehen zu bleiben. Sowie es steht, Fuß aus dem Bügel nehmen und loben. (Ja, für diese Übung musst du ziemlich gelenkig und sportlich sein. ;-))
Bleibt dein Pferd irgendwann stehen, lobst du es, nimmst den Fuß aus dem Bügel und ihr entspannt euch beide bei einer kleinen Pause.
Ich habe noch kein Pferd kennengelernt, das nicht nach kurzer Zeit sein Programm geändert und das Ausweichen durch Stehenbleiben ersetzt hat.
Newsletter
Fazit
Es gibt wirklich keinen Grund, mit dem Hocker hinter deinem Pferd herzulaufen oder drei Leute zum Festhalten des Pferdes zu benötigen, bloß um aufs Pferd Aufsteigen zu können.
Jedes Pferd kann lernen, an der Aufstiegshilfe einzuparken und dort zu warten. Für mich gehört das zur absoluten Grundausbildung am Boden dazu.
Aufsteigen in aller Ruhe ist entspannter für dich und dein Pferd und gesünder für den Pferderücken ist es allemal. Nicht zuletzt ist es eine sehr wichtige Übung, um junge Pferde auf das Reiten vorzubereiten und ein wichtiger Prüfstein, ob das Pferd überhaupt bereit ist, einen Reiter aufsitzen zu lassen.
Grundvoraussetzung für das Einparken ist, dass dein Pferd gelernt hat in deine Richtung zu weichen und mit der Hinterhand auf dich zuzukommen. Hat es das verstanden, kannst du das Ansaugen von einer erhöhten Position üben.
Anschließend übst du an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Aufstiegshilfen.
Beim Aufsitzen und Absteigen lässt du dir viel Zeit, damit dein Pferd lernt, zu warten.
Und auch das Aufsteigen ohne Aufstiegshilfe solltest du üben, damit es möglichst schonend ist und pferderückenfreundlich klappt. Wenn du ein paar Regeln beachtest, meisterst du auch diese Aufgabe mit deinem Pferd.
So oder so, Probleme beim Aufsteigen müssen nicht sein und lassen sich mit gezielter Übung und ein bisschen Zeit in den allermeisten Fällen ganz einfach lösen.
War dieser Artikel hilfreich für dich?
Scroll gern runter und schreib mir einen Kommentar!
Eure Pferde wollen mit euch kooperieren! Sie wollen nicht unterdrückt, auf ihren Platz verwiesen und mit starren Regeln und Gesetzen in Form gepresst werden. Sie wollen mit euch zusammenarbeiten und sind an einer echten Beziehung zu euch interessiert. Einer Beziehung, in der es euch beiden gut geht.
Erziehung versus Beziehung?
Als Mutter von zwei Kindern beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema Erziehung. Bzw. spricht man heute lieber von Beziehung statt von Erziehung. Und das ist schön. Denn wir wollen in erster Linie eine Beziehung zu unseren Kindern haben (und zu unseren Pferden ebenso!) und sie nicht vorrangig in bestimmte Normen und Formen pressen.
In der bedürfnis- oder beziehungsorientierten Erziehung (im englischen attachment parenting; attachment = Bindung, Verbundenheit) geht es darum, hinter jedem Verhalten eines Kindes das zugrundeliegende Bedürfnis zu erkennen – und zu befriedigen.
Die neuste Forschung geht davon aus, dass Kinder grundsätzlich immer mit ihren Eltern kooperieren wollen. Sie verfolgen das gleiche übergeordnete Ziel, nämlich ein harmonisches Zusammensein, in dem sich jeder authentisch zeigen darf, gesehen wird und in dem alle Beteiligten wachsen und sich entfalten dürfen. Immer unter Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse und Freiheiten des Anderen.
Kooperieren unsere Kinder einmal nicht mit uns, gibt es dafür einen Grund. Entweder stimmt das kurzfristige Ziel des Kindes nicht mit dem kurzfristigen Ziel der Eltern überein oder das Kind hat ein bestimmtes unerfülltes Bedürfnis, das es davon abhält, mit seinen Eltern zu kooperieren.
Bei den Pferden ist es nicht anders! Je länger ich mich gedanklich in den beiden Themenbereichen „Beziehungsorientierte Erziehung“ und „Beziehung Pferd-Mensch“ bewege, desto mehr Parallelen entdecke ich!
Newsletter
Pferde möchten eine Beziehung haben
Dein Pferd möchte mir dir kooperieren. Es ist an einer echten Beziehung interessiert. Alle Pferde suchen nach Verbindung. Innerhalb ihrer Herde und auch außerhalb. Und wenn unsere Pferde einmal nicht kooperieren, dann hat das einen Grund. Die Frage ist nur, wie du damit umgehst.
Du kannst dein Pferd maßregeln und mit Druck auf es einwirken und somit das Verhalten unterbinden. In der Kindererziehung hat man das früher auch so gemacht. Man nennt das Behaviorismus. Mit Lob und Tadel wurden (werden manchmal immer noch) bestimmte Verhaltensweisen an- bzw. abgewöhnt.
Oder: Du kannst hinter das Verhalten deines Pferdes schauen und herausfinden, was dazu geführt hat, dass es dieses Verhalten zeigt. Ist es Unverständnis? Angst? Eine negative Erfahrung? Ein körperliches Problem? Erlernte Hilflosigkeit? Ein bestimmter Außenreiz? Oder hat es in dem Moment einfach zu viel aufgestaute Energie, die über ein bestimmtes Ventil entweichen musste?
Reaktionen wie Erschrecken, Bocken, Steigen usw. sind oft unmittelbare Stressreaktionen, die keinen Denkprozess im Gehirn durchlaufen, sondern aufgrund eines hohen Adrenalinspiegels reflexartig ablaufen. (Emily Kieson u. Jessie Sams, 2020) Es ergibt daher wenig Sinn, dieses instinktive Verhalten zu bestrafen und dein Pferd noch mehr unter Stress zu setzen.
Versteh mich nicht falsch: Natürlich gibt es Verhaltensweisen, die sofort unterbunden werden müssen, da sie in direktem Zusammenhang mit euer beider Sicherheit stehen. Und es ist elementar wichtig, dass dein Pferd gewisse Grundregeln kennt und befolgt. Es sind eben Pferde mit rund 600kg Eigengewicht und keine kleinen Kinder.
Das beziehungsorientierte Training
Die wichtigste Voraussetzung für ein beziehungsorientiertes Training ist, dass dein Pferd und du eine gemeinsame Sprache entwickelt habt. Dass es dich versteht, dich respektiert und dir vertraut und du ihm das gleiche Verständnis, Vertrauen und den gleichen Respekt entgegenbringen kannst.
Denn dann kannst du individuell auf dein Pferd eingehen, es mit seinen Stimmungen, seinen mentalen Themen und seinen Bedürfnissen sehen und wahrnehmen.
Dann kannst du auch unterscheiden, ob dein Pferd sich rüpelig verhält, weil es eben die Grundregeln zwischen Pferd und Mensch noch nicht ausreichend kennt und ihr noch keine echte Beziehung zueinander aufgebaut habt, oder ob es gerade ein Problem hat, bei dem es dein Verständnis und deine Hilfe gebrauchen kann!
Wenn du die Ursache für ein Verhalten deines Pferdes herausgefunden hast, kannst du auf der Beziehungsebene darauf reagieren. Du musst es für das Verhalten nicht mit starr festgelegten Regeln und Maßnahmen strafen, sondern du kannst der Situation entsprechend reagieren und auf dein Pferd eingehen.
Eine vernünftige Grunderziehung am Boden ist somit die Basis für eine echte Beziehung zum Pferd.
Frag dich deshalb immer, was ein bestimmtes Verhalten ursprünglich (evolutionär) ausdrücken sollte und setzte es dann in den Kontext aus momentanen Außenreizen und aktueller Verfassung deines Pferdes. Denn jedes Verhalten hat eine Funktion – und wenn es in dem Fall nur die Funktion der Kommunikation ist!
Um seine Bedeutung zu verstehen, muss jedes Verhalten in dem Kontext beurteilt werden, in dem es auftritt. Emily Kieson und Jessie Sams
Wie bauen Pferde Beziehungen auf?
Aber wie baust du denn jetzt eine echte Beziehung zu deinem Pferd auf?
Dazu müssen wir wissen, wie Pferde überhaupt Freundschaften knüpfen und Verbindungen eingehen und inwiefern sich das von unserer Art, Beziehungen aufzubauen, unterscheidet.
Zu diesem Thema haben die Forscherinnen Emily Kieson und Jessie Sams 2020 einen Workshop gehalten, in dem sie die Ergebnisse verschiedener Studien vorgestellt haben. Die wichtigsten Fakten gebe ich dir hier an die Hand.
Keine Hierarchien in der Herde
Starten wir mit dem vielleicht größten und hartnäckigsten Mythos zum Thema, wie Pferde zusammenleben und wie eine Herde organisiert ist:
Unter natürlichen Bedingungen haben Pferde innerhalb ihrer Herde soziale Netzwerke und KEINE Hierarchien (wie es immer noch oft angenommen wird).
Jedes Pferd bestimmt also, welche anderen Pferde es innerhalb der Herde mag und somit auch, mit wem es Zeit verbringen und wem es nah sein möchte.
Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, dass das heute weit verbreitete Verständnis von Horsemanship, immer unsere Stellung als Leittier bzw. Herdenchef deutlich machen zu müssen, zu kurz greift: Wir sollten viel mehr auf die Beziehung zu unserem Pferd achten!
Individuellen Raum teilen
Pferde teilen ihren individuellen Raum mit einem befreundeten Pferd. D. h., dass ein Pferd die individuelle Blase eines befreundeten Pferdes betreten und sich dort aufhalten darf.
Gemeinsame Zeit und Erfahrungen
Außerdem verbringen sie viel gemeinsame Zeit miteinander (sie bewegen sich gemeinsam, fressen und dösen zeitgleich und in der Nähe des anderen) und sie teilen Erfahrungen, indem sie z. B. gemeinsam neue Objekte erkunden. Bei solchen gemeinsamen Aktivitäten gibt es keinen Anführer.
Körperkontakt
Gegenseitiges Berühren kann, muss jedoch nicht zwingend zum Beziehungsaufbau genutzt werden. Auch bereits befreundete Pferde berühren sich nicht unbedingt regelmäßig. So ist auch das gegenseitige Fellkraulen (im englischen mutual grooming) kein Muss in einer Pferdefreundschaft – es ist aber ein sicheres Zeichen dafür, dass sie eine Freundschaft verbindet. Geht die Berührung hingegen nur von einem Pferd aus, ist das in der Regel nicht der Fall.
Höflichkeit und Respekt
In einer Freundschaft achten die Pferde gegenseitig stark auf die Bedürfnisse des Anderen. Das betrifft besonders die Entscheidungen darüber, was gemacht wird und wieviel Kontakt erwünscht ist.
Das Vorgehen beim gegenseitigen Fellkraulen ist noch nicht komplett erforscht, aber klar ist, dass die Pferde sich gegenseitig „fragen“, an welcher Stelle gerade wieviel Kraulen angenehm ist und dann auf die Antwort des Anderen warten. So respektieren sie die Bedürfnisse und Wünsche des Gegenübers und stärken ihre Bindung zueinander.
Körpersprache
Um miteinander zu kommunizieren, nutzen Pferde KEINEN Augenkontakt. Sie benutzen hauptsächlich nonverbale Signale, also Körpersprache.
Keine Futtergeschenke
Und zum Schluss kommt noch ein Fakt, der viele vielleicht enttäuschen, wenn auch nicht wirklich überraschen wird: Pferde geben sich gegenseitig KEIN Futter, um ihre soziale Bindung aufzubauen oder zu stärken!
Das heißt also auch, dass Futter sich nicht eignet, um eine echte Beziehung zu deinem Pferd aufzubauen!
Natürlich gibt es bestimmte Situationen, in denen man mit Futter als positiver Verstärkung durchaus sinnvoll arbeiten kann. Dabei geht es dann aber eben um Training und nicht um Beziehungsaufbau.
Und wie bauen wir Menschen Beziehungen auf – im Vergleich zu Pferden?
Bei uns Menschen funktioniert der Beziehungsaufbau in vielerlei Hinsicht etwas anders als bei Pferden.
Blickkontakt und Sprache
Als erste Kontaktaufnahme dient uns, anders als den Pferden, meist der direkte Blickkontakt. Danach kommunizieren wir sehr viel über verbale Sprache (auch wenn unsere Körpersprache und Mimik eine wahrscheinlich ebenso wichtige Rolle spielen).
Pferde hingegen kommunizieren fast ausschließlich über Körpersprache und lesen auch permanent an unserer Körperhaltung und unserem Muskeltonus ab, wie wir uns fühlen und was wir gerade ausstrahlen.
Ressourcen teilen
Wir Menschen teilen außerdem unsere Ressourcen – z. B. Essen – mit unseren Freunden. Ein sehr wichtiger Unterschied zu den Pferden. Denn das Teilen von Nahrung und das Versorgen eines Anderen mit Essen hat in der Menschheit eine sehr große Bedeutung.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die meisten Menschen auch (ihre) Tiere gerne füttern und sich dabei gut fühlen. Für unsere Pferde hat das Teilen von Futter allerdings nichts mit dem Aufbau oder der Stärkung einer echten Beziehung zu tun.
Körperkontakt
Berührungen sind ebenfalls ein unter Menschen oft genutztes Mittel, um Verbindung herzustellen. Die Berührungen müssen dabei allerdings, anders als bei den Pferden, nicht immer gegenseitig sein. Auch ein Auflegen der Hand auf den Arm eines Freundes schafft Nähe.
Wir klopfen uns auch gegenseitig auf Rücken oder Schulter und empfinden das als positive, anerkennende Berührung. Pferde hingegen kennen in ihrer intraspezifischen Kommunikation kein Klopfen.
Trotzdem ist das Klopfen des Pferdes als Lob weit verbreitet und anerkannt und viele Pferde werden das auch durch Konditionierung als solches erkennen. Aber eine angenehme, beziehungsstärkende Berührung ist es aus wissenschaftlicher Sicht nicht, da wäre Streicheln oder Kraulen die pferdegerechtere Alternative.
Gemeinsame Zeit und Erfahrungen
Wie die Pferde verbringen auch wir Menschen zum Beziehungsaufbau Zeit miteinander. Wir suchen die Nähe des Anderen und besonders gemeinsame Aktivitäten und Erfahrungen stärken das Band einer Freundschaft.
Wie finden Pferd und Mensch zusammen?
Über ausgiebig zusammen verbrachte Zeit, Nähe, gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen sowie eine gemeinsame Sprache können Mensch und Pferd eine echte Beziehung zueinander aufbauen. Im Vordergrund sollten dabei immer der gegenseitige Respekt für den Partner und die Achtung seiner Integrität stehen.
Das heißt für uns Menschen, dass wir die Grenzen des Pferdes feinfühlig wahrnehmen und respektieren sollten. Eben so, wie die Pferde es untereinander auch tun, wenn sie Freundschaften knüpfen.
Katja Seide und Danielle Graf beschreiben in einem ihrer Bücher über bindungsorientierte Erziehung die für menschliche Beziehungen allgemein gültigen 5 Säulen einer Beziehung.
Diese 5 Säulen sind aber nicht nur für zwischenmenschliche, sondern genauso für Pferd-Mensch-Beziehungen von Bedeutung.
Wahrgenommen werden
Wir Menschen wollen als das gesehen werden, was wir sind: als Mensch, als Individuum, mit all unseren Eigenheiten und Besonderheiten. Wir wollen uns anerkannt und wertgeschätzt fühlen. Genauso geht es unseren Pferden.
– Trainiere nicht auf Autopilot, sondern nimm dein Pferd wirklich wahr und nimm es an, wie es ist.
Beachtung der Bedürfnisse des Anderen
In einer guten Beziehung sollten beide die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse des Anderen erkennen und respektieren.
– Was braucht dein Pferd also gerade? Womit beschäftig es sich gern, womit eher nicht? Was mag es und gegen was hegt es eine Abneigung? Wo liegen seine besonderen Stärken?
Gemeinsames Tun
Gemeinsam verbrachte Zeit und gemeinsame Erfahrungen schweißen zusammen und stärken die Bindung.
– Verbringe Zeit mit deinem Pferd und erlebe zusammen mit ihm neue, positive und vielleicht spannende Dinge. Orientiere dich an seinen Interessen und Stärken.
Emotionale Resonanz
Wenn man auf der gleichen Wellenlänge ist, ist es leichter, eine enge, stabile Beziehung aufzubauen.
– Wenn dein Pferd vom Typ her zu dir passt, habt ihr wahrscheinlich schon eine ziemlich gute Zeit zusammen. Wenn aber z.B. ein sehr energetisches Pferd auf einen nach Entspannung suchenden Menschen trifft, kann es schwieriger werden. Trotzdem hilft es, sich emotional auf sein Pferd einzustellen.
Empathie
Welche Absichten hat mein Gegenüber und welche Motive liegen seinem Verhalten zugrunde? Empathie bedeutet, sich in den Anderen einzufühlen.
– Fühl dich also in dein Pferd ein. Wie fühlt es sich in einer bestimmten Situation und warum verhält es sich auf eine bestimmte Art und Weise?
Wie passen diese Erkenntnisse nun mit unserem Pferdetraining zusammen?
Schließlich geht es im Training doch durchaus darum, ein bestimmtes Verhalten an- oder abzugewöhnen oder das Pferd zu konditionieren.
Tatsächlich muss ich dich enttäuschen, wenn du jetzt den Eindruck gewonnen haben solltest, dass du dein Pferd allein dadurch ausbilden kannst, es zu kraulen, mit ihm auf der Wiese zu chillen und gemeinsamen spazieren zu gehen.
Natürlich braucht es eine Grunderziehung, gewisse Regeln, Respekt, Vertrauen und Höflichkeit. Und wenn wir unser Pferd für ein bestimmtes Aufgabenfeld ausbilden wollen, dann braucht es auch das entsprechende Training, um ausreichend auf diese Aufgabe vorbereitet und ihr gewachsen zu sein.
Aber: Mir wird immer klarer, dass es nicht nur viel schöner ist, wenn das Pferd dabei mit uns in einem Boot sitzt, sondern dies beiden, Pferd und Mensch, das Training zudem ungemein erleichtert: Wenn wir eine echte Beziehung haben, also befreundet sind, können wir mit einer viel höheren Eigenmotivation und Zufriedenheit des Pferdes rechnen.
Für mich ist die Basis einer Beziehung die respektvolle Grunderziehung, also das Abstecken von gewissen Rahmenbedingungen, an die sich Pferd UND Mensch halten.
Ich möchte, dass mein Raum und meine Grenzen gewahrt werden und dass mein Pferd vorsichtig und freundlich mit mir in Kontakt tritt. Genauso muss ich natürlich auch den Raum des Pferdes respektieren und seine körperliche Integrität wahren. Ich muss also seine momentanen Grenzen wahrnehmen und akzeptieren, anstatt achtlos über sie hinwegzugehen. Dazu gehört z. B., dass ich das Pferd nicht einfach so am Kopf berühre, wenn es das nicht mag.
Dass es als Reitpferd natürlich trotzdem lernen muss, gewisse Berührungen am Körper zu akzeptieren, ist klar. Aber auch das kann ich ihm höflich, geduldig und respektvoll beibringen.
Fazit: Passen Horsemanship und Beziehung zusammen?
Pferdegerechter Umgang in einer respektvollen Beziehung – nichts anderes heißt für mich auch der Begriff „horsemanship“ in seiner ursprünglichen Bedeutung.
Heute ist der Begriff Horsemanship jedoch stark mit bestimmten Trainingsmethoden und Ausrüstungsgegenständen belegt, wie dem Knotenhalfter und dem Stick. Das ist schade, denn die eigentliche Idee hinter dem Wort scheint mir dabei etwas in den Hintergrund gerückt zu sein.
Ich nehme heute in der Pferdewelt zwei Extreme von „Beziehungsaufbau“ zwischen Mensch und Pferd wahr, die aus meiner Sicht beide nicht artgerecht sind:
Das eine Extrem ist die Art von Horsemanship, die sehr strikten Regeln innerhalb eines recht starren Systems folgt und für mein Gefühl von einer eher maskulinen, technischen Dominanz geprägt ist.
In dieser Ausprägung geht es weniger um das Bedürfnis oder den Kontext eines Verhaltens, als vielmehr um das Verhalten selbst und dessen Korrektur. Die Führungsposition des Menschen wird wiederholt und stark betont.
Pferde, die nach diesem Schema gearbeitet werden, erlebe ich oft als brav, aber nicht als besonders motiviert oder zufrieden. Sie machen auf mich häufig einen eher frustrierten Eindruck.
Das andere Extrem ist der Versuch, eine Beziehung zum Pferd auf einer vermenschlicht wirkenden Ebene aufzubauen: Dabei werden menschliche Beziehungsmuster auf das Pferd projiziert und so dessen Verhaltensweisen falsch interpretiert.
Dabei wird das Pferd mit seinen arttypischen Bedürfnissen verkannt, zum Beispiel, wenn es aus falscher Tierliebe mit überflüssigen Futtergeschenken überversorgt wird. Dafür fehlen in einer solchen Pferd-Mensch-Beziehung meiner Erfahrung nach oft echter Respekt, Vertrauen und Sicherheit.
Für mich ist die Frage, ob Horsemanship und Beziehung zusammenpassen, eigentlich gar keine Frage. Denn: Sie passen auf jeden Fall zusammen! Wenn man es richtig macht!
Newsletter
Partner fürs Leben
Wir können uns über Bodenarbeit eine gemeinsame Sprache mit dem Pferd aufbauen und so gewisse Grundregeln der Höflichkeit und des Respekts etablieren. Außerdem können wir unserem Pferd so zeigen, dass wir seine Körpersprache verstehen, seine Bedürfnisse erkennen und diese respektieren. Das allein schafft schon Verbindung und Nähe.
Auf dieser Basis können wir nun harmonisch Zeit mit unserem Pferd verbringen und gemeinsam Erfahrungen sammeln.
Um die Bindung zu stärken, sollte es immer mal wieder einen Raum geben, in dem beide gleichberechtigt sind und gemeinsam entscheiden können. Pferd und Mensch sollten zusammen spielen können, Neues erkunden, ohne Plan, ohne definiertes Ziel, ohne Anführer, einfach gemeinsam als Team. Und natürlich immer nur so weit, wie sich beide wohlfühlen.
Und wenn wir dann noch die Geduld haben, die Beziehung zu unserem Pferd über Jahre hinweg wirklich wachsen zu lassen und seine Bedürfnisse über unsere eigenen Wünsche und Vorstellungen zu stellen, dann tragen wir dazu bei, dass unser Pferd zufrieden, selbstbewusst und ausgeglichen wird – und wir gewinnen einen verlässlichen Partner fürs Leben.
Hast du schon einmal so über das Thema Beziehung zu deinem Pferd nachgedacht? Wie harmonisch ist die Beziehung zwischen dir und deinem Pferd?
Oft höre ich Sätze wie „Ich möchte mein Pferd longieren, aber das geht mit ihm nicht“, „An der Longe drängelt er immer rein“ und „Mein Pferd zieht an der Longe nach außen oder dreht einfach um.“
In der Tat ist es so, dass viele Pferde das Longieren zu Beginn nicht verstehen. Sie haben kein Bild davon im Kopf, was wir uns vorstellen und erst Recht nicht davon, was wir mit dem Longieren bezwecken wollen.
Deshalb drängeln sie rein oder gehen gar nicht erst raus, ziehen stark nach außen, gehen nur seitwärts oder bleiben stehen und schauen uns fragend an.
Longieren klappt meist nicht einfach so, sondern muss erklärt, verstanden und auch ein bisschen geübt werden.
Die Probleme tauchen häufig auf, wenn Pferd und Mensch in der Bodenarbeit unerfahren sind, der Mensch jedoch trotzdem auf das Longieren zum Aufwärmen, Energie abbauen oder Gymnastizieren des Pferdes zurückgreifen will.
Die Wurzel des Problems liegt dann eigentlich gar nicht beim Longieren selbst, sondern schon eine Stufe davor: nämlich (wie so oft!) bei der Kommunikation über Körpersprache.
Heißt konkret: Dein Pferd muss zunächst einmal verstehen, dass du es aus einer bestimmten Distanz mithilfe deines Körpers, eines Seils und einem Stick oder einer Peitsche auf eine Kreislinie dirigieren möchtest.
Du willst es auf einem Kreis um dich herum schicken und Abstand, Richtung und Tempo bestimmen. Denn nichts anderes ist Longieren, wenn wir es herunterbrechen.
Hier würde ich allerdings noch nicht von Longieren sprechen, sondern lediglich von „auf den Kreis schicken“.
Unterscheide!
Longieren versus auf den Kreis schicken
Es gibt drei konkrete Übungen, mit denen du deinem Pferd das Longieren beibringen kannst. Wenn es diese Übungen verstanden und erlernt hat, kannst du es auch problemlos auf einem Kreis um dich herum laufen lassen.
Daraus kannst du dann das gymnastizierende Longieren, z.B. am Kappzaum entwickeln.
Pferdegerechtes, gymnastizierendes Longieren kann nämlich sehr nützlich sein, z.B. um dem Pferd die Möglichkeit zu geben, sich „frei“ zu bewegen und Energie abzubauen, zum Lösen bei verspanntem Rücken, zum Muskelaufbau, zum Trainieren ohne Reitergewicht und so weiter.
Newsletter
Damit du dein Pferd (auch wenn es momentan ein Nicht-Longier-Pferd ist) bald auch an der Longe arbeiten kannst, habe ich diesen Artikel geschrieben.
Ich erkläre dir in diesem Artikel ganz konkret,
mit welchen drei Übungen aus der Bodenarbeit du deinem Pferd das Longieren erklärst,
wie du daraus das Longieren mit Kappzaum entwickelst,
wie du den Ausbildungsstand deines Pferdes mit einbeziehst,
welche Schwierigkeiten auftreten können und wie du ihnen begegnest
und auf was du deinem Pferd zuliebe besser verzichtest.
Mit Bodenarbeit das Longieren üben
Um dem Pferd das Longieren zu erklären, benutze ich ein Knotenhalfter mit einem ca. 3 m langen Seil, sowie einen Stick mit Seilchen. Alternativ kannst du auch eine kurze Peitsche, z. B. eine Fahrpeitsche, als Verlängerung deines Armes nehmen.
Bei den folgenden drei Übungen geht es um die Kommunikation über deine Körpersprache und das Verständnis der Hilfen, die du über das Seil und den Stick gibst. Es geht nicht in erster Linie ums Longieren, sondern um das Dirigieren des Pferdes auf Abstand.
Übung 1: Rückwärts weichen
Zuerst suchst du dir aus, welcher Punkt auf dem Platz dein Zirkelmittelpunkt sein soll. Von diesem Punkt aus, wirst du dein Pferd auf den Kreis dirigieren. Stell dich also an diesen Punkt, dein Pferd steht frontal mit ca. 1 m Abstand vor dir und schaut dich an.
Tipp: Markiere den Punkt, sonst wirst du wahrscheinlich mogeln. 😉
Der erste Schritt ist nun, den passenden Abstand zum Longieren herzustellen, indem du dein Pferd rückwärts vor dir weichen lässt. Du bittest es mittels deiner Körpersprache und eventuell mithilfe deines Sticks rückwärts zu gehen, bis es einen ausreichenden Abstand zwischen euch hergestellt hat.
Es schaut dich jetzt immer noch an, steht nun aber rund 2,5 – 3 m von dir entfernt. Der Radius deines Kreises ist nun also noch ziemlich klein zum Longieren. Der geringe Abstand zu deinem Pferd hilft dir jedoch zunächst, besser einwirken zu können.
Übung 2: Schulter dirigieren
Im zweiten Schritt möchtest du die Vorhand deines Pferdes auf den Kreis bewegen, indem du mit deiner Seilhand in die Richtung zeigst, in die sich dein Pferd bewegen soll und zusätzlich mit dem Stick Energie Richtung Schulter / Hals des Pferdes gibst.
Stell dir vor, dein Pferd macht eine viertel Hinterhandwendung, bei der sich die Vorderbeide auf die Kreislinie des Zirkels hinaus bewegen. Nun steht dein Pferd in „Fahrtrichtung“ auf der Zirkellinie.
Tipp!
Diese Übung ist super gegen das Reindrängeln der Schulter in den Kreis!
Übung 3: Vorwärts schicken
Im dritten Schritt, schickst du dein Pferd vorwärts, sodass es um dich herum im Kreis geht. Dazu drehst du deine Schultern in Bewegungsrichtung, weist mit der Seilhand nach vorne und bittest dein Pferd auf eine Stimmhilfe und eventuell das Treiben des Sticks anzutreten.
Ich stehe dabei immer auf Höhe der Sattellage und drehe mich mit im Kreis. Meine Schultern zeigen die ganze Zeit in die Richtung, in die mein Pferd laufen soll.
Damit dein Pferd fein auf deine treibende Hilfe reagiert, beginne immer mit sehr feinen Hilfen und steigere erst nach Bedarf mit deutlicheren Hilfen. Je feiner dein Pferd das Vorwärts annimmt, umso weniger musst du es nerven. Du willst es auf keinen Fall dauerhaft antreiben müssen.
Gut zu wissen!
Pferde lesen besonders an der Position unserer Schultern ab, in welche Richtung sie sich bewegen sollen.
Diese drei Dinge bilden die Basis fürs Longieren. Denn wenn wir genau überlegen, besteht Longieren aus den drei Komponenten Abstandhalten, die Vorhand auf einer Kreislinie bewegen und in eine bestimmte Richtung vorwärts gehen.
Ich möchte betonen, dass es bei dieser Vorübung noch nicht um Stellen, Biegen oder sonst wie Gymnastizieren geht. Es geht hier nur darum zwischen dir und deinem Pferd eine funktionierende Verständigung herzustellen, die es dir überhaupt ermöglicht, dein Pferd auf Abstand auf einer Kreislinie um dich herum zu dirigieren, ohne dich selbst dabei viel von der Stelle bewegen zu müssen.
Gymnastizierendes Longieren mit Kappzaum
Wenn dein Pferd diese Übung auf beiden Händen verstanden hat und ihr eine gut abgestimmte, feine Kommunikation miteinander aufgebaut habt, kannst du mit dem gymnastizierenden Longieren beginnen. Dein Pferd wird dich jetzt problemlos verstehen und genau wissen, was es tun soll.
Ich nutze hierfür nicht mehr das Knotenhalfter, sondern einen gut sitzenden Kappzaum und ein leichtes Seil sowie eine Fahrpeitsche. Wenn du auf größeren Kreisen arbeiten willst, nimmst du dir eine Longe und eine entsprechend längere Peitsche. Du darfst dich aber durchaus etwas mit dem Pferd mitbewegen, sodass du es auch am kürzeren Seil auf einen ausreichend großen Kreis schicken kannst.
Am Kappzaum kannst du nun auch an Stellung, Biegung, Aufrichtung der Schultern und Aktivität der Hinterhand arbeiten, Übergänge abfragen, Handwechsel üben sowie den Zirkel vergrößern und verkleinern.
Übe auch den Zirkel zu verlagern, indem du dein Pferd immer wieder ein Stück geradeaus gehen lässt und es erst dann auf die nächste Volte abwendest. Das schont die Gelenke und die Muskulatur deines Pferdes.
Auch Stangenarbeit lässt sich prima mit dem Longieren am Kappzaum kombinieren.
Babette Teschen z. B. hat sich auf das Thema gesunderhaltendes Longieren spezialisiert und dazu sehr viel tolles (Selbst)Lernmaterial erstellt.
Wenn du tiefer in das Thema eintauchen willst und mit deinem Pferd intensiv an der Longe arbeiten möchtest, kann ich dir Babettes Seite für mehr Informationen sehr ans Herz legen.
Den Ausbildungsstand deines Pferdes an der Longe mit einbeziehen
Für Pferde ist es von Natur aus schwierig, nach innen gebogen auf einer Kreislinie zu laufen. Unter normalen Umständen tun sie dies immer in Außenstellung, um ihre Balance auf gebogener Linie besser halten zu können.
Erst im Verlauf ihrer Ausbildung und mit zunehmender Koordination, Balance und kräftiger werdender Muskulatur sind sie in der Lage, in Innenstellung und –biegung auf dem Zirkel zu laufen, ohne dabei auf die innere Schulter zu fallen oder mit der Hinterhand aus der Spur zu driften.
Beziehe den Ausbildungsstand deines Pferdes beim Longieren immer mit ein! Überfordere dein Pferd nicht mit zu engen Kreisen oder zu hohem Tempo. Wechsle häufig die Hand, damit die Muskulatur deines Pferdes nicht übermäßig beansprucht wird und es zu Ermüdungserscheinungen kommt.
Häufige Schwierigkeiten und wie du deinem Pferd helfen kannst
Wenn dein Pferd sich mental oder körperlich überfordert fühlt, werden die typischen, oben beschriebenen Probleme beim Longieren wieder häufiger in Erscheinung treten. Dieses Mal nicht, weil dein Pferd dich nicht versteht, sondern weil es dir sagt, dass es das Geforderte nicht umsetzen kann.
Das ist übrigens ein weiterer Pluspunkt einer guten Verständigung: Du kannst das Verhalten deines Pferdes viel besser interpretieren, weil du davon ausgehen darfst, dass es genau versteht, was du von ihm möchtest. Sagt es also Nein, hat das einen ganz bestimmten Grund. Und der ist nicht, dass es dich veräppeln möchte!
Achte also immer darauf, dass du gemäß seines Ausbildungsstandes und seiner aktuellen Verfassung longierst.
Das vorausgesetzt, kannst du deinem Pferd bei den meisten Schwierigkeiten mit oben beschriebenen Übungen aus der Bodenarbeit helfen, um eure Kommunikation wieder klarer und feiner zu machen.
Hier kommen ein paar der häufigsten Verständigungsprobleme und wie du auf sie reagieren kannst:
Das Pferd geht nicht auf den Zirkel raus, sondern guckt den Mensch an
Körperdrehung! Drehe deine Schultern in Bewegungsrichtung und schau dorthin, wo auch dein Pferd hingehen soll. Stelle über das Seil Kontakt zum Halfter her, weise mit dem Seil in Bewegungsrichtung und winke mit der Peitsche Richtung Hals / Nase, damit die Vorhand rausgeht.
Treiben Richtung Hinterhand hilft hier meist nicht, denn die Hinterhand ist ja bereits am weitesten von dir entfernt. Der Schlüssel ist, die Vorderbeine in Richtung Kreislinie zu bewegen.
Das Pferd drängelt in den Zirkel hinein
Versuche schon bevor du es losschickst, mehr Abstand zwischen dir und dem Pferd herzustellen. Oft nehmen die Pferde uns etwas besser wahr, wenn wir weiter weg stehen.
Drängelt es dann während der Vorwärtsbewegung in den Zirkel hinein, winke mit Stick oder Peitsche Richtung Hals / Schulter, damit es wieder rausgeht. Eventuell musst du es sogar an der Schulter touchieren, damit es deinen Raum besser respektiert und seine Schultern anhebt.
Achtung!
Reindrängen kann auch immer ein Balanceproblem sein!
Das Pferd zieht nach außen
Wenn das Pferd an der Longe extrem nach außen zieht, ist das fast immer ein Balancethema. Das Pferd schafft es einfach nicht, die Kreislinie zu halten.
Du kannst dann den Zirkel vergrößern oder zwischen Zirkel und gerader Linie wechseln. Es kann auch helfen, die Hinterhand des Pferdes phasenweise nach außen zu treiben, damit es sich mit Vorhand und Kopf wieder in deine Richtung orientiert. Belohne es sofort, wenn es sich Mühe gibt, sich nach innen zu stellen und zu biegen!
Manche Pferde ziehen auch nach außen, weil sie zu viel Druck vom Menschen erfahren und diesem Druck nach außen weichen wollen. Überprüfe deine Körpersprache und Hilfengebung, nimm deine Energie etwas zurück und / oder versuche sie mehr ins Vorwärtsschicken zu lenken.
Zusätzlich kann euch für eine Weile auch eine äußere Begrenzung, wie in einem Roundpen, helfen, das Problem zu lösen.
Das Pferd geht nicht vorwärts
Wenn dein Pferd sich triebig zeigt und an der Longe absolut nicht vorwärts gehen mag, finde die Ursache heraus. Ist es ein Longenmuffel und hat überhaupt keinen Spaß an der Arbeit? Warum nicht?
Ist es auf deine treibenden Hilfen abgestumpft, weil du es dauertreibst? Hat es Langeweile? Wie kannst du das Longieren abwechslungsreicher gestalten und dein Pferd wieder mehr motivieren?
Musst du überhaupt Longieren? Oder kannst du vielleicht im Gelände „longieren“? Dein Pferd also über Unebenheiten, Bachläufe, Pfützen, Baumstämme klettern lassen, um ihm wieder mehr Freude zu bereiten?
Grundsätzlich solltest du deine treibenden Hilfen überprüfen und sie immer im richtigen Maß und mit dem richtigen Timing einsetzen. Dein Pferd sollte sich an der Longe zu jedem Zeitpunkt flüssig vorwärts schicken lassen.
Das Pferd schießt vorwärts
Das gegenteilige Problem hast du, wenn dein Pferd an der Longe unkontrolliert nach vorne prescht. Versuche wieder den Grund herauszufinden. Ist es gestresst? Hat es zu viel Energie? Braucht es Tempo, um sich auszubalancieren?
Je nachdem wo die Ursache liegt, versuche wieder Ruhe reinzubringen, Vertrauen aufzubauen, Energie beim Pferd abzubauen bzw. in kontrollierbare Bahnen zu lenken und dein Longiersetting so anzupassen, dass die Schwierigkeiten weniger auftreten.
Um dein Pferd nach dem Losschießen jedoch schnell wieder unter Kontrolle zu bringen, kannst du die Hinterhand nach außen verschieben und über das Seil einen parierenden Impuls geben. Mit der Peitsche kannst du zusätzlich vor der Schulter bremsend einwirken.
Das Pferd kommt (aggressiv) auf den Menschen zu
Dieses Problem taucht eher selten auf aber wenn, dann stimmt etwas an der Beziehung zwischen Pferd und Mensch nicht. In diesem Fall solltest du noch einmal zurück zur Basis gehen und sicherstellen, dass ihr euch gegenseitig versteht, respektiert und vertraut.
Vielleicht hat dein Pferd auch schlechte Erfahrung mit dem Thema longieren gemacht.
In jedem Fall kannst du zu deiner eigenen Sicherheit noch einmal das Rückwärts weichen üben und beim Longieren immer auf einen ausreichenden Abstand achten.
Fühlst du dich nicht sicher, hol unbedingt kompetente und einfühlsame Hilfe für dich und dein Pferd!
Das Pferd wechselt selbstständig die Hand
Meist wechseln Pferde ungefragt von der schlechten auf die gute Hand. Und darin liegt auch oft schon die Ursache für das Verhalten. Sie laufen lieber auf der Hand, die ihnen leichter fällt.
Manchmal fühlen sich Pferde aber auch aus psychischen Gründen auf einer Hand ungleich schlechter, als auf der anderen Hand. Sie wollen uns Menschen lieber auf einer bestimmten Körperseite haben und uns lieber mit einem bestimmten Auge sehen. Bei vielen Pferden ist das die linke Hand, es kann aber auch die rechte Hand bzw. das rechte Auge sein.
Du kannst deinem Pferd helfen, indem du genau wahrnimmst, auf welcher Hand es sich wohler bzw. unwohler fühlt und deine Körpersprache bewusst einsetzt. Je gleichmäßiger beide Körperhälften trainiert sind, umso weniger wird das Problem auftauchen.
Das Gleiche gilt für die psychische Komponente. Wenn dein Pferd dich auf beiden Körperseiten gleichmäßig akzeptiert, gibt es keinen Grund mehr, die Hand zu wechseln.
So lieber nicht
Longiere bitte NIE an der Trense! Weder am inneren Gebissring, noch mit einer Longierbrille, noch sonst irgendwie mit der Longe durch die Gebissringe über die Nase oder unters Kinn gezogen.
Du wirkst damit unkontrolliert und stark auf das Maul deines Pferdes ein und fügst ihm Schmerzen zu! So kann es sich nicht lösen, entspannen und Muskeln aufbauen.
Ich benutze auch seit vielen Jahren gar keine Hilfszügel mehr.
Wenn du dein Pferd am Kappzaum korrekt arbeitest, wird dein Pferd irgendwann von ganz allein in der Lage sein, seinen Körper gut einzusetzen, die richtigen Muskeln zu benutzen und in Selbsthaltung zu laufen.
Newsletter
Fazit
Viele Probleme, die beim Longieren auftauchen, lassen sich durch gute Kommunikation lösen.
Wenn du sicher bist, dass dein Pferd deine Körpersprache versteht und sich von dir dirigieren lässt, die Schwierigkeiten aber trotzdem noch (oder wieder) auftauchen, hör auf dein Pferd und forsche nach der Ursache!
Hat es körperliche Schwierigkeiten, das Gefragte umzusetzen?
Hast du zu viel verlangt?
Ist dein Pferd / Bist du heute einfach nicht gut drauf?
Gibt es äußere Einflüsse, die das Longieren momentan erschweren?
Hast du eine mögliche Ursache gefunden? Prima. Reagiere darauf. 🙂
Liegt es vielleicht doch an eurer etwas schwammig gewordenen Kommunikation? Dann geh einen Schritt zurück und verfeinere die drei Bodenarbeitsübungen – Rückwärts weichen, Schulter dirigieren und Vorwärts schicken – bis eure Verständigung wieder stimmt.
Wie sieht es bei euch aus mit dem Thema Longieren? Lieblingsübung oder eher Nervkram? 😉
Scroll runter und schreib mir gerne einen Kommentar unter diesen Artikel!
Mal im Ernst, wenn dein Pferd nicht zuverlässig anhält und du nie sicher bist, ob du es im Gelände vor der nächsten Landstraße auch wirklich durchparieren kannst, brauchen wir nicht darüber reden, ob deine ganze Parade so schön geritten ist, dass dein Pferd dabei den Rücken aufwölbt und sich auf die Hinterhand setzt.
Ihr braucht jetzt erstmal überhaupt eine funktionierende Bremse und damit Kontrolle und Sicherheit. Du musst dein Pferd auf jeden Fall anhalten können. (Zumindest, wenn ihr außerhalb einer sicheren Einzäunung unterwegs seid.)
Sonst wird es nämlich gefährlich, für dich, dein Pferd und eventuell auch für Dritte.
Newsletter
Solange dein Pferd gegen deine Hand geht und sich durch deine Hilfen nicht bremsen lässt, geht es für mein Verständnis durch. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber für mich kann ein Pferd auch im Schritt in der Reithalle durchgehen. Eben immer dann, wenn du keine Kontrolle über die (Vorwärts-) Bewegung deines Pferdes hast.
Und eins ist klar: Ohne Bremse wird es brenzlig! Besonders im Gelände.
Ich habe schon etliche Reiter kennengelernt, die wegen verschiedener Kontrollverlustthemen zu mir kamen. Die Probleme traten oft im Gelände oder in für Pferd und Reiter ungewohnten Situationen auf.
Zu meinem Standard-Check-Up bei solchen Pferd-Reiter-Paaren gehört immer das Anhalten und Rückwärtsrichten in gewohnter Umgebung.
Oft ist aber diese einfache Übung gar nicht abrufbar: Bremswege aus dem Schritt von mehreren Metern, ein einziger Tritt Rückwärts nicht möglich.
Frage an dich:
Würdest du dich in dein Auto setzen und losfahren, wenn du weißt, dass die Bremse kaputt ist und der Rückwärtsgang nicht funktioniert?
Wohl kaum.
Es ist nur logisch, dass dein Pferd in Stresssituationen, unter Anspannung oder bei Energieüberschuss dazu neigt durchzugehen, wenn es sich schon unter entspannten Bedingungen nicht gut anhalten oder rückwärtsrichten lässt.
Deshalb erkläre ich dir in diesem Artikel
mit welchen 3 Hilfen du die Bremse bei deinem Pferd richtig fein justieren kannst und
welchen Plan B du immer parat haben solltest, falls doch mal etwas schief geht.
Wenn du wissen willst, wie du deinem Pferd helfen kannst, nie mehr durchzugehen, lies unbedingt weiter.
Denn es darf endlich Schluss sein mit der Unsicherheit, die du verspürst – und automatisch auf dein Pferd überträgst, der ungewollt harten Einwirkung auf dein Pferd und deiner Angst davor, keine Kontrolle mehr zu haben.
Ursachenforschung: Warum geht mein Pferd durch?
Es kann, wie immer, viele unterschiedliche Gründe geben. Die Ursache, die bei deinem Pferd und dir zugrunde liegt, solltest du unbedingt herausfinden, um zu wissen, wo du ansetzen musst, um das Thema aus der Welt zu schaffen.
Wenn dein Pferd deine Parade nicht annimmt, ist das zunächst einmal einfach ein Nein zu deiner Hilfe und zu deinem dahinterstehenden Wunsch, das Tempo zu verlangsamen.
Folgende Fragen können dir nun dabei helfen, den Grund für das Nein deines Pferdes herauszufinden:
Hat mein Pferd Angst, Stress oder Schmerzen, wenn es durchparieren soll?
Ist es weit genug ausgebildet, um meiner Hilfe in der jeweiligen Situation nachzukommen?
Sende ich missverständliche Signale, wenn ich eine ganze Parade reiten will?
Versteht es meine Hilfen überhaupt?
Hält mein Pferd nur in bestimmten Situationen nicht an oder geht es immer gegen die Hand?
Macht die Art der Zäumung einen Unterschied beim durchparieren?
Hält das Pferd am Boden ohne Reiter gut und sicher an und kann es flüssig rückwärtsgehen?
Die letzte Frage liefert dir wertvolle Hinweise darauf, ob es am Reiten liegt (vielleicht sogar an dir als Reiter speziell), oder ob dein Pferd generell Schwierigkeiten mit dem Anhalten und dem Rückwärts hat.
Mögliche körperliche Ursachen solltest du natürlich unbedingt abklären lassen, um sie beheben oder ausschließen zu können.
Ist das passiert, übst du das Anhalten und das Rückwärtstreten am Boden. So bekommst du eine Idee, wie dein Pferd auf deine Hilfen reagiert und ihr könnt euch beide mit der Aufgabe und dem Bewegungsablauf vertraut machen.
Anschließend kannst du mit dem Üben unter dem Sattel loslegen.
Die 3 Must-Haves für die ganze Parade
Die ganze Parade kann aus allen Gangarten erfolgen und führt IMMER zum Halten des Pferdes. Sie besteht aus dem Zusammenspiel aller Hilfen.
Um dein Pferd für die einzelnen Komponenten deiner Hilfengebung zu sensibilisieren, zerlegst du deinen Hilfenkomplex in 3 Einzelteile:
Stimmhilfe
Sitz- und Schenkelhilfe
Zügelhilfe
Das Ziel ist, dass alle drei Bausteine einzeln angewandt immer zum sicheren und sofortigen Anhalten deines Pferdes führen.
Ein „Hooo“ ohne Sitz- oder Zügeleinwirkung sollte dein Pferd genauso anhalten, wie die alleinige Sitzhilfe oder die alleinige Zügelhilfe.
Alle drei Hilfen übst du einzeln mit deinem Pferd, bis eure Kommunikation so gut ist, dass du eine zuverlässige Antwort auf eine feine Hilfe bekommst.
Gut zu wissen
Für Pferde gehören Anhalten und Rückwärtsrichten übrigens in die gleiche Kategorie. Rückwärtsgehen ist für sie einfach die Steigerung vom Anhalten. Daher verbessert ein Rückwärtsrichten das Anhalten, wenn es direkt daran angeschlossen wird. Du kannst das Rückwärtsrichten also nutzen, um deinem Pferd zu helfen, noch mehr in die Idee des sofortigen Anhaltens zu kommen. Es wird dann schon bei deiner ganzen Parade anfangen, nach hinten zu denken und sich mehr Mühe geben, punktgenau anzuhalten.
1. Anhalten nur mit Stimme
Übe in einer sicheren, bekannten Umgebung. Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nur über deine Stimmhilfe anhalten. Du sagst zum Beispiel ein langgezogenes „Hooo“. Hält dein Pferd daraufhin an, lobst du es sofort und lässt es eine Weile stehen.
Dann wiederholst du die Übung, um sie noch etwas zu verbessern. Dein Pferd sollte im Verlauf des Übens auf das „Hooo“ immer schneller reagieren und stehen bleiben. Wenn dein Pferd das Stimmkommando schon aus der Bodenarbeit kennt, wird das wahrscheinlich ziemlich schnell funktionieren.
Hält dein Pferd auf deine Stimmhilfe jedoch nicht an, ergänzt du als nächstes eine weitere Hilfe. Ich selbst wirke meist begrenzend mit der Hand ein, sage weiterhin „Hooo“ und warte bis das Pferd stehenbleibt und ich es loben kann.
Du kannst aber auch deine Sitzhilfe ergänzen, wenn sie deinem Pferd besser hilft. Das Ganze wiederholst du, bis dein Pferd irgendwann nur noch deine Stimme zum Anhalten benötigt.
Gut zu wissen
Das Stimmkommando zum Anhalten solltest du wirklich NUR fürs Anhalten benutzen und nicht fürs Langsamer-Werden. Deine Hilfe „verschwimmt“ sonst und dein Pferd wird auf deine Stimmhilfe nicht mehr zuverlässig stehenbleiben.
2. Anhalten nur mit Sitz und Schenkel
Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nun ausschließlich über deine Sitzhilfe anhalten. Ich kippe dazu mein Becken ab, drücke die Knie leicht zusammen und bringe die Unterschenkel leicht weg vom Pferd. Dabei kommt etwas Gewicht in die Bügel.
Vielleicht hast du eine andere Sitzhilfe zum durchparieren? Nutze das, was dein Pferd kennt, wenn es gut funktioniert. Wenn nicht, probiere gern meine Idee aus.
Gut zu wissen
Übrigens ist meine Sitzhilfe zum Anhalten identisch mit der Hilfe zum Rückwärtstreten. Das heißt, wenn ich nach dem Anhalten genauso sitzen bleibe, geht mein Pferd aus dem Halten direkt ins Rückwärts über.
3. Anhalten nur mit dem Zügel
Als letztes willst du dein Pferd nun aus dem Schritt heraus ausschließlich über deine Zügelhilfe anhalten. Dazu schließt du langsam und sanft die Hand, sodass ein leichter, stetiger Kontakt zum Maul oder zur Pferdenase hergestellt wird.
Gib deinem Pferd Zeit, auf die Begrenzung zu reagieren und anzuhalten. Lobe es, sobald es stehenbleibt.
Braucht es mehr Unterstützung, um anzuhalten, ergänze deine Sitz- oder Stimmhilfe. Übe wieder solange, bis dein Pferd allein auf den angenommenen Zügel anhält.
Hast du diese drei Übungen im Schritt gemacht, weißt du schon mal, welche der drei Einzelhilfen deinem Pferd und dir am meisten liegt: Stimme, Sitz oder Schenkel? Worauf hält dein Pferd am besten an?
Durchparieren: Übung macht den Meister
Jetzt kannst du alle drei Hilfen wieder zusammenfügen und testen, ob sich ihre Wirkung addiert hat. Im Bestfall hast du jetzt eine richtig fein justierte Bremse in deinem Pferd installiert. Cool, oder?
Vielleicht stellst du auch fest, dass du das Zusammenspiel deiner Hilfen anpassen musst.
Braucht dein Pferd weniger Zügel, dafür aber eine deutlichere Veränderung in deinem Sitz?
Vielleicht musst du jetzt von allem weniger einsetzen?
Fühle genau hin, was dein Pferd dir zeigt. Dein Leitsatz ist:
So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Jetzt übst du das Durchparieren und das Anhalten am besten in unterschiedlichen Umgebungen (Halle, Platz, Gelände, …), in verschiedenen Situationen (alleine, in der Gruppe, bei Wind und Wetter, …) und aus allen Gangarten.
Je größer die Außenreize sind und je höher das Stresslevel deines Pferdes ist, desto schlechter wird die Antwort auf deine Hilfen ausfallen.
Deswegen ist es wichtig, wirklich präzise zu üben und sich so auf den Worst Case vorzubereiten.
Wenn du im Normalfall eine 150%ige Antwort von deinem Pferd bekommst, erreichst du unter Stress vielleicht immerhin noch 90%.
Und das ist definitiv besser als Durchgehen, oder?
Tipps fürs Durchparieren im Gelände
Erfahrungsgemäß treten die meisten Schwierigkeiten im Gelände auf. Pferde sind nun einmal Lauf- und Fluchttiere und auch wenn wir durch gute, vertrauensfördernde Ausbildung ihre Instinkte weitgehend eindämmen können, werden wir ihren Impuls zu flüchten nie ganz unterdrücken können.
Wenn du ein sicheres und entspanntes Geländepferd mit einer guten Bremse haben willst, musst du vorher in die richtige Ausbildung investieren.
Auch wenn manche Freizeitreiter glauben, ja „nur“ ein bisschen ausreiten zu wollen, muss ein Ausreitpferd doch ziemlich gut ausgebildet sein, um einen sicheren und zufriedenen Partner abzugeben.
Auch du als Reiter kannst einiges dafür tun, um im Gelände sicher unterwegs zu sein:
Du kannst das Ausreiten allein und in der Gruppe üben und du kannst dir angewöhnen, vorausschauend zu reiten, schwierige Situationen frühzeitig zu erkennen und auf sie zu reagieren. Allein das kann viele brenzlige Situationen verhindern!
Wenn du zum Beispiel bemerkst, dass dein Pferd sich verspannt oder abgelenkt ist, warte nicht ab, bis es einen Satz macht oder das Tempo erhöht und gegen deine Hand geht.
Sei proaktiv und bringe den Fokus deines Pferdes wieder zu dir zurück, indem du ihm eine kleine Aufgabe stellst.
Das kann ein Tempowechsel nach unten, ein an die Hilfen stellen oder ein Übertreten sein. Oft genügt das schon, um eine ungewollte Reaktion, wie ein Durchgehen, zu verhindern.
Plan B: Die Einzügelbremse
Zum Schluss habe ich noch einen letzten Tipp für dich:
Wenn alle Stricke reißen und dein Pferd trotz Vorarbeit auf keine deiner Paraden reagiert, zieh die Notbremse!
Bei Pferden ist das die sogenannte Einzügelbremse, bei der du dein Pferd im Hals biegst, es auf eine Volte lenkst und dabei die Hinterhand wegtreibst, bis dein Pferd sich in einer Vorhandwendung befindet.
Natürlich musst du auch diese Einzügelbremse vorher üben, damit dein Pferd und du die Bewegungsabläufe kennenlernt und die Übung wie einen Reflex ohne nachzudenken abrufen könnt.
Wichtig
Es geht hierbei nicht darum, das Pferd möglichst schnell herumzureißen, sondern darum, den Motor des Pferdes, nämlich die Hinterhand, kontrolliert auszuschalten und damit die ungewollte Vorwärtsbewegung zu stoppen.
Ich übe die Einzügelbremse mit allen Pferden von Anfang an, genau wie jede andere Übung auch. Es hat nichts mit Strafe oder harter Einwirkung zu tun, sondern es ist eines der wichtigsten Sicherheitselemente überhaupt für mich in der Pferdeausbildung.
Newsletter
Fazit
Halten wir die wichtigsten Punkte zum Thema (nicht!) Durchgehen noch einmal fest:
Sicherheit
Eine funktionierende Bremse beim Pferd ist elementar wichtig, wenn du sicher mit ihm unterwegs sein willst.
3 Must-Haves der Hilfengebung
Damit deine ganze Parade gut durchkommt und dein Pferd zuverlässig stehenbleibt, kannst du es auf deine Stimm-, Sitz- und Zügelhilfe einzeln sensibilisieren.
Übung
Ausbildung, gute Vorbereitung und vorausschauendes Reiten sind besonders für den Geländeritt wichtig, um ein Durchgehen gar nicht erst passieren zu lassen.
Notbremse
Dein Plan B ist die Einzügelbremse, die du vorab genauso übst, wie das Durchparieren.
Je sicherer du dich auf deinem Pferd fühlst, weil du weißt, dass du ein Durchgehen verhindern und anhalten kannst, desto mehr Sicherheit vermittelst du automatisch auch deinem Pferd.
Das wiederum führt dazu, dass dein Pferd ruhiger und gelassener wird und sich ebenfalls wohler fühlt. Ein positiver Kreislauf also.
Und wenn ihr an diesem Punkt seid und du dein Pferd auf feine Hilfen sicher anhalten kannst, dann könnt ihr auch an der schönen, runden, versammelten ganzen Parade arbeiten.
Wobei, wahrscheinlich fällt euch die dann quasi in den Schoß, dank der guten Vorarbeit. 🙂
Was sind deine Erfahrungen mit dem Reiten von ganzen Paraden? Hattest du schon einmal Schwierigkeiten, dein Pferd anzuhalten? Oder ist es schon einmal durchgegangen?
Schreib mir gerne einen Kommentar unter diesen Artikel!
Kennst du das? Du hast dein Pferd fertig geputzt und schon gesattelt und nun fehlt nur noch die Trense damit es losgehen kann mit dem Reiten. Du merkst, wie du dich schon etwas verspannst, während du die Trense holst und das Halfter löst. Aber du willst ja positiv denken, also hoffst du einfach bis zur letzten Sekunde, dass dein Pferd es heute NICHT macht: Den Kopf wegziehen, sobald du es auftrensen möchtest.
Newsletter
Und? Hat es heute geklappt? Oder musstest du dich wieder auf Zehenspitzen deinem Pferd entgegenrecken, um überhaupt eine Chance zu haben, mit der Trense in der Hand seinen Kopf zu berühren? Tja. Wenn du dich hier wiederfindest, dann lies unbedingt weiter.
Ich erkläre dir in diesem Artikel, wie entspanntes Auftrensen überhaupt aussieht, warum es wichtig ist und in welchen 3 Schritten du es mit deinem Pferd erreichen kannst.
Checkliste für entspanntes Auftrensen
Für mich sieht entspanntes Aufzäumen so aus:
Du gehst mit der Trense in der Hand zu deinem Pferd und ziehst ihm das Halfter aus.
Es bleibt ruhig neben dir stehen und senkt auf deine Berührung hin willig den Kopf.
Locker hältst du das Kopfstück in einer Hand und führst das Gebiss mit der anderen zum Maul.
Dein Pferd öffnet sanft sein Maul, sodass du das Gebiss vorsichtig hineinlegen kannst.
Zufrieden kaut dein Pferd, während du bequem ganz in Ruhe alle Riemen und Schnallen schließen kannst.
Dass dein Pferd sich so oder so ähnlich, aber auf jeden Fall bereitwillig in Ruhe auftrensen lässt, ist extrem wichtig. Zum einen kannst du so beim Auftrensen wirklich sanft sein, denn du hast Zeit und kommst an alle Stellen des empfindlichen Pferdekopfes und –mauls bequem heran. Zum anderen kann dein Pferd dir signalisieren, dass es bereit ist, die Trense zu nehmen wenn es dir den Kopf zuwendet.
Was passiert leider oft stattdessen?
Oft haben Pferde aus den unterschiedlichsten Gründen gelernt, dass Auftrensen blöd ist und dass sie sich dem entziehen können, indem sie den Kopf wegdrehen, hochreißen, rückwärtsgehen oder das Maul nicht öffnen. Weil wir Menschen oft nur in schnellen Lösungen denken (wir wollen ja schließlich aufsteigen und losreiten), versuchen wir, den Kopf des Pferdes herunterzuziehen, ihn irgendwie zu fixieren und das Gebiss mehr schnell als sanft ins Maul zu schieben.
Dass das Problem davon nicht kleiner wird ist klar, oder?
Worauf kommt es also an? Letztendlich auf das richtige Üben. Aber vorher musst du herausfinden, warum dein Pferd ursprünglich mit diesem Verhalten begonnen hat. Hier sind die häufigsten Gründe:
Häufige Gründe fürs Kopf-Hochreißen beim Auftrensen
Dein Pferd ist noch jung und ist noch nicht ans Gebiss gewöhnt
Dein Pferd hat Zahnprobleme: Wolfszähne, Milchzahnkappen, Haken etc.
Dein Pferd zeigt eine Überempfindlichkeit an den Ohren oder dem Genick
Das Gebissstück ist schlecht verarbeitet, scharfkantig oder anderweitig ungeeignet
Das Kopfstück passt deinem Pferd nicht richtig
Dein Pferd wurde oft unsanft aufgetrenst (z.B. Gebiss gegen die Zähne oder die Ohren zurückgeklemmt)
Dein Pferd hat gelernt, dass es ihm einen Vorteil bringt, sich nach oben zu entziehen
Allgemeines Unwohlsein deines Pferdes mit dem Gebiss z.B. durch harte Einwirkung beim Reiten
Na? Kannst du dein Pferd schon zuordnen oder tappst du noch im Dunkeln?
Es ist wirklich wichtig, die Ursache(n!) zu finden und diese zu beheben, bevor du mit dem Üben des entspannten Auftrensen beginnst. Denn das Verhalten deines Pferdes hat ja schließlich einen berechtigten Grund und ist ein Zeichen dafür, dass du etwas ändern, beheben und verbessern musst.
Mir ist es sehr wichtig, dass wir das Verhalten nicht nur wegtrainieren, sondern die Ursache herausfinden und beheben und erst dann zu einem harmonischen Miteinander durch gutes Training kommen. Darauf hat jedes Pferd ein Recht!
Schritt 1: Pferd durchchecken
Überprüfe also zunächst dein Pferd. Lässt es sich überall am Kopf bereitwillig anfassen? Auch an den Ohren, am Genick und am Maul? Kannst du seine Ohren bewegen und öffnet dein Pferd sein Maul, wenn du einen Finger in die Maulspalte auf die Lade legst? Ist es noch im Zahnwechsel und hat es evtl. Wolfszähne? Wie weit ist es ausgebildet? Wie lange wird es schon am Gebiss gearbeitet oder ist es ihm noch ganz neu?
Wenn du irgendwelche körperlichen Ursachen vermutest, zieh auf jeden Fall einen Experten zu Rate. Tierärzte, Pferdedentalpraktiker und Therapeuten können dein Pferd durchchecken, behandeln und mögliche körperliche Ursachen beheben.
Schritt 2: Ausrüstung durchchecken
Kontrolliere das Kopfstück. Ist es intakt und gut verarbeitet? Ist es korrekt zusammengebaut? Passt es deinem Pferd oder ist es zu klein, zu groß oder schlecht sitzend? Ist es korrekt verschnallt? Wie sieht es mit dem Gebiss aus? Ist es heil, hochwertig verarbeitet und frei von scharfen Kanten? Oder kann sich der Maulwinkel deines Pferdes zwischen Mundstück und Gebissring einklemmen? Passt die Größe? Drückt es auf die Zunge? Passt die Art des Gebisses zum Ausbildungsstand deines Pferdes und zu deinen reiterlichen Fähigkeiten? Lässt sich dein Pferd überhaupt fein auf diesem Gebiss reiten?
Erst wenn du sicher bist, dass nicht nur dein Pferd, sondern auch dein Zaumzeug in Ordnung ist, kannst du dich dem Üben des Auftrensens widmen.
Negative Erwartungshaltung auflösen
Es kann gut sein, dass du bei deinem Pferd und dem Trensenzaum nun einige Missstände beheben konntest, es beim Aufzäumen aber immer noch den Kopf hochnimmt oder sich anderweitig entzieht. Das Gleiche kann der Fall sein, wenn du überhaupt keine körperlichen Ursachen am Pferd oder Mängel am Zaum finden konntest.
In beiden Fällen zeigt dein Pferd das Verhalten weiterhin, weil es die unangenehmen Erfahrungen beim Auftrensen immer noch antizipiert. Ihm fehlt noch die Erfahrung, dass die Schmerzen, die Überempfindlichkeit, das Drücken, Scheuern und Klemmen oder das unsanfte ins Maul drücken des Gebisses jetzt weg sind und dass das Auftrensen nun in einer neuen und viel entspannteren Art und Weise stattfindet.
Diese Erfahrung darfst du ihm jetzt mit Schritt 3 schenken. J
Schritt 3: Das Auftrensen richtig üben
Kopf senken üben
Lege deinem Pferd die rechte Hand ins Genick und die linke Hand auf den Nasenrücken. Mit ganz leichtem Druck bittest du dein Pferd, seinen Kopf in deine Richtung zu senken. Immer wenn es nachgibt, belohnst du es, indem du den Druck wegnimmst und es ausgiebig lobst und kraulst.
Tipp: Wenn die Übung ganz frei nicht funktioniert, weil dein Pferd sich zu stark entzieht, übe mit einem Halfter. Dann kannst etwas besser einwirken.
Finger ins Maul legen
Lege deinem Pferd eine Hand vors Maul und warte bis es die Berührung entspannt toleriert, am besten mit gesenktem Kopf. Dann legst du deinen Daumen in die Maulspalte und auf die Lade, damit dein Pferd sein Maul öffnet. Es soll einfach nur ruhig kauen und keine Abwehrreaktion zeigen. Wiederhole das so oft, bis dein Pferd dabei entspannt bleibt.
Ohren anfassen und bewegen
Da beim Auftrensen automatisch die Ohren berührt und bewegt werden, ist es hilfreich, wenn dein Pferd das gut toleriert. Berühre also beide Ohren einzeln: umfasse sie, bewege sie nach hinten und vorne usw. bis dein Pferd entspannt und mit gesenktem Kopf dabei stehen bleibt.
Tipp: Entzieht dein Pferd sich, arbeite wieder mit Halfter. Wenn dein Pferd den Kopf wegdreht oder wegzuckt, bleib mit der Hand sanft am Ohr, bis es sich entspannt. Erst dann nimmst du zur Belohnung die Hand weg und lobst ausgiebig. So funktioniert die Desensibilisierung am besten.
Trense präsentieren
Halte jetzt den Trensenzaum in der rechten Hand am Genickstück und halte ihn deinem Pferd vor den Kopf. Deine rechte Hand kommt von oben zwischen die Ohren deines Pferdes und kann so im Genick die Kopfhöhe regulieren. Deine linke Hand hilft am Nasenrücken beim Kopfsenken. Entzieht sich dein Pferd wieder, bleibst du mit der Trense in der Hand dran und wartest bis es den Kopf wieder senkt und sich entspannt, bevor du die Trense wegnimmst und eine kurze Pause machst. Du belohnst also immer, wenn das Pferd sich zur Trense hin orientiert und entspannt. So zeigst du ihm, dass die Trense nicht unangenehm ist.
Gebiss ins Maul legen
Wenn du deinem Pferd die Trense problemlos mit der rechten Hand vor den Kopf hängen kannst, legst du deine linke Hand unter das Gebissstück und führst es Richtung Maul. Wie in der zweiten Übung öffnest du jetzt mit dem Daumen das Pferdemaul und hebst das Gebiss vorsichtig auf die Zunge. Ich versuche, die Zähne überhaupt nicht zu berühren. Wenn es nicht klonkt, hat es gut geklappt. Lass dein Pferd ein bisschen mit dem Gebiss spielen und es dann wieder ausspucken. Sollte dein Pferd vor dem Gebiss doch noch zurückschrecken, bleib wieder sanft dran, bis es sich mit dem Gebiss vor dem Maul entspannt und belohne das Kopfsenken, indem du den Zaum ganz wegnimmst.
Auftrensen
Erst wenn alle vorangegangenen Schritte entspannt klappen, trenst du dein Pferd richtig auf, indem du das Genickstück über die Ohren ziehst. Ich ziehe den Genickriemen immer erst über das eine, dann über das andere Ohr nach hinten. Vielleicht mag dein Pferd es aber lieber, wenn du die Ohren nach vorne drückst und das Genickstück dann hinter den Ohren richtig platzierst. Probiere es einfach aus. Anschließend kannst du alle Riemen in Ruhe schließen.
Tipp: Wenn dein Pferd besonders empfindlich ist oder viel Schopf und Mähne hat, stelle das Kopfstück zum Auftrensen doch einfach ein paar Löcher größer, dann ist es leichter.
Abtrensen
Das Abtrensen machst du in umgekehrter Reihenfolge: Kopf senken, Riemen öffnen, Genickstück vorsichtig über die Ohren nach vorne ziehen, warten, Pferd langsam selbst das Gebiss „ausspucken“ lassen, damit es nicht gegen die Zähne schlägt, loben und kraulen.
Tipp: Genauso wie das Auftrensen kannst du auch das Aufhalftern üben. Mach es dir z. B. einfach zur Regel, dass dein Pferd ins Halfter „eintaucht“.
Fazit
Also noch mal kurz zusammengefasst:
Wenn dein Pferd sich beim Auftrensen entzieht und dir zeigt, dass es das Auftrensen als unangenehm erfährt, finde als erstes den Grund heraus.
Wenn der körperliche Zustand des Pferdes sowie dein Trensenzaum in Ordnung sind, kannst du mit dem Üben des entspannten Auftrensens anfangen. Zeit, Ruhe, Timing und Wiederholung sind wichtig beim Üben.
Mache das erwünschte Verhalten für dein Pferd angenehm, das unerwünschte Verhalten unbequem.
Bleibe immer achtsam beim Auftrensen und lass dir Zeit. Die Zeit, die du vor dem Reiten in solche Dinge investierst, wird sich mehrfach auszahlen.
Registriere, wenn dein Pferd einmal nicht in die Trense „einsteigen“ möchte. Das hat bei der vorangegangenen Ausbildung immer einen Grund, den du unbedingt herausfinden solltest!
Ja, ja, ich weiß: Persönlichkeitsentwicklung, Prozessoptimierung, Modernisierung … das alles scheint mittlerweile doch eh zum guten Ton zu gehören. Und was uns Menschen mit Pferden betrifft, wissen wir doch längst, dass Reiten und Arbeit mit Pferden eine stetige Weiterentwicklung, lebenslanges Lernen und persönliches Wachstum von uns verlangt.
Also warum schreibe ich diesen Artikel über die Neu-Ausrichtung meiner Arbeit?
Es gibt Lebensphasen, die einen dazu zwingen (nicht im negativen Sinne), sich weiterzuentwickeln, alte Dinge über Bord zu werfen oder zumindest einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, neue Wege zu finden und auszuprobieren und Prioritäten neu zu setzen.
Und plötzlich werden allgemeine Schlagworte wie Persönlichkeitsentwicklung konkret und bekommen eine ganz neue Bedeutung für einen selbst und die eigene Arbeit.
Ein Leben mit Kindern und einem Pferdejob
Für mich waren es in den letzten Jahren meine Kinder, die mich dazu gebracht haben, meinen Alltag und meine Strukturen an die doch stark veränderten Lebensumstände anzupassen. Und die Lebensumstände mit kleinen Kindern verändern sich unweigerlich, das können alle Eltern unter euch bestätigen, da bin ich sicher.
Corona hat für uns alle nur noch verstärkt, was durch Kinder sowieso schon passiert: Der Beruf und die eigene Selbstverwirklichung stehen nicht mehr an erster Stelle. Und das ist auch gut so! Für eine bestimmte Zeit.
Aber irgendwann habe zumindest ich gemerkt, dass ich ohne meinen Beruf (und in dem Fall auch meine Berufung) gar nicht die Mama sein kann, die ich für meine Kinder gerne sein möchte. Ich brauche diesen Lebensbereich, in dem die Pferde eine so große Rolle spielen, und auch wenn dann weniger Zeit für meine Familie übrig bleibt, bleibt manchmal trotz meiner Arbeit am Ende des Tages mehr Energie übrig.
Weil mir die Arbeit mit Pferden und Menschen so viel Energie und Kraft und Freude zurückgibt, dass ich trotz Müdigkeit und Zeitmangel doch wieder viel besser die Mama sein kann, die ich gerne sein möchte.
Aber wie kann das gehen?
Also hat sich für mich unweigerlich die Frage gestellt: Wie soll das gehen? Abends nach Feierabend Einzelstunden geben und nicht da sein, wenn die Kinder ins Bett gehen? Das ganze Wochenende Kurse geben und kaum Zeit als Familie miteinander verbringen? Das wollte ich nicht. Aber wie kann ich meinen Beruf ausüben und ausleben und trotzdem für meine Kinder da sein?
Und ist es unabhängig davon überhaupt noch state of the art, Einzelstunden zu geben, die von Mal zu Mal neu verabredet und im Anschluss bar bezahlt werden? Ohne Bindung, ohne Planbarkeit, ohne klare Richtung, sondern eher von akutem Problem zu akutem Problem denkend? Ohne praxisnahes, fundiertes Lehrmaterial und engen, persönlichen Kundenservice? Nur weil man das immer schon so gemacht hat, muss es für immer so bleiben?
Ja, der Reitsport ist grundsätzlich traditionell geprägt und eher konservativ, aber muss das auch bei meinen Kunden und mir so sein? Was in anderen Branchen schon längst gängig ist und Planbarkeit, Struktur, Fokus und Zufriedenheit für beide Seiten mit sich bringt, darf doch auch im Pferdebereich Einzug halten, finde ich.
Neues Format für modernen Reitunterricht
Also habe ich herumgetüftelt, überlegt, entworfen und entwickelt (und auch gezweifelt) und herausgekommen ist ein neues Angebotsformat, das ich modern, klar, tiefgehend, hochwertig sowie pro Pferd und Mensch (Schüler und Lehrer) finde:
Meine Idee ist es, dich und dein Pferd an einer bestimmten Stelle abzuholen (nämlich, wenn du mich rufst), mit euch gemeinsam zu schauen, wovon ihr weg oder wo genau ihr hinwollt, und euch dann mit einem Paket aus theoretischem Wissen, vorskizziertem Weg, praktischem Unterricht und begleitendem Material dort hinzubringen, wo ihr hinwollt und euch auf dem Weg stetig zu begleiten.
Mein Ziel ist es nicht, dich so lange wie möglich als zahlenden Kunden an mich und meinen Unterricht zu binden. Im Gegenteil. Ich möchte, dass du in der Lage bist, Schwierigkeiten selbst zu erkennen, zu verstehen und sie auch zu lösen!
Das steht und fällt mit deinem Wissen über dein Pferd und die Hilfengebung, dem Verstehen von Zusammenhängen und in der Folge deinem Verständnis für dein Pferd. Das alles kann ich niemals in gewöhnlichen Reitstunden vermitteln, wenn du nicht die ganze Stunde neben deinem dösenden Pferd auf dem Reitplatz stehen und zuhören willst ;-).
Außerdem sagen Bilder bekanntlich mehr als tausend Worte. Deshalb freue ich mich so, dass ich auf meinen Unterricht abgestimmtes Material erstellen konnte, was dir die Hilfengebung und die Zusammenhänge verdeutlicht und dir praktische Übungen für dich und dein Pferd an die Hand gibt.
Weil wir also einen Teil des Lernens ins Selbststudium auslagern können, sehen wir uns wahrscheinlich nicht wöchentlich, sondern etwas seltener, aber dafür umso intensiver und effektiver.
Wenn du noch genauer wissen willst, was das Format und die einzelnen Pakete beinhalten, kannst du hier nachlesen.
Newsletteranmeldung
Blog und Newsletter
Zusätzlich zu alldem habe ich unglaubliche Lust, mein Wissen und meine Sicht auf die Pferde und unser Zusammensein noch mehr mit euch teilen zu können.
Und tadaaaa! Meine neue Homepage hat einen Blog, auf dem ich euch Gedanken, Ideen und Erfahrungen sowie nützliche Tipps kostenlos zur Verfügung stellen kann.
Und einen Newsletter gibt es auch! Wenn du den bekommen möchtest, dann melde dich gerne dazu an!
Als Dankeschön bekommst du meine 5 Übungen für mehr Kontrolle und Nachgiebigkeit. Mit diesen Übungen kannst du ganz leicht selbst überprüfen, wie gut eure Verständigung ist und diese mithilfe der Übungen auch verbessern.
So weit, so gut
So ist der jetzige Stand, aber ich habe noch sooo viele Ideen, die ich am liebsten alle sofort umsetzen möchte, aber … da war ja noch was!
Ich möchte ja auch noch von Herzen die Mama für meine Kinder sein, die sie verdient haben. Ich übe mich also in Geduld, Zuversicht und Vertrauen, dass alles schon kommen wird, eben zu seiner Zeit. Puh, was für eine Aufgabe für meine persönliche Weiterentwicklung!
Aber erstmal freue ich mich, dieses neue Format des Reitunterrichts anbieten zu können. Es war meine Lebenssituation und der Wunsch, die Arbeit mit den Pferden wirklich zu meinem alleinigen Beruf zu machen, die mich dazu gebracht haben, über eine moderne und zeitgemäße Art des Unterrichts nachzudenken, mich weiterzuentwickeln und professioneller zu werden.
Die Weiterentwicklung auf reiterlicher Ebene oder in der Kommunikation mit unseren Pferden ist noch mal ein ganzes Thema für sich und unbedingt etwas für einen weiteren Blogartikel.
Und natürlich ist auf allen Ebenen und in allen Bereichen immer noch ganz viel Luft nach oben oder schöner ausgedrückt: noch so viel Potenzial! 🙂
Pferde sind klaustrophobisch veranlagt. Fast alle Pferde. Wenn wir sie also an einem Ort fixieren wollen, und dazu gehört auch das Anbinden, ist das für unsere Pferde schon mal per se nicht gerade die absolute Traumsituation und viele Pferde und Menschen haben schon schlechte Erfahrungen mit dem Thema Anbinden gemacht.
Der Horror ist:
Das Pferd hängt sich auf, zerrt wie irre am Strick, sitzt mit der Hinterhand schon fast auf dem Boden und wir fragen uns, welcher Teil der Ausrüstung – Halfter, Haken, Strick, Anbinder – nun wohl als erstes klein beigibt und endlich dem immensen Druck weicht und unseren panischen Kraftprotz von Pferd loslässt, bevor unser Tier ernstlich zu Schaden kommt. Einmal befreit, prescht unser Pferd vielleicht sogar noch quer über den Hof davon. Aber das ist ein anderes Thema.
Puh, diese Situation mag keiner. Kein Mensch und kein Pferd. Mein Cortisolspiegel (Cortisol ist eines unserer Stresshormone) ist glaube ich allein durchs Beschreiben dieser Situation schon gestiegen. Was kannst du also tun, wenn dein Pferd zu oben beschriebenem Verhalten neigt?
Strategie 1
Du bindest dein Pferd nie mehr an und / oder kaufst alles, was der Markt hergibt an dehnbaren Stricken, mit Sollbruchstellen versehenen Halftern, sich selbstöffnenden Panikhaken und was es sonst noch alles gibt.
ODER
Strategie 2
Du zeigst deinem Pferd, wie es dem Gefühl der Beengung beim Anbinden entgegenwirken kann und wie es sich selbst aus dem Druck befreit – ohne darauf angewiesen zu sein, dass irgendein Teil des Materials nachgibt. Hilf deinem Pferd und zeige ihm, dass es auch beim Anbinden selbstbestimmt sein kann!
Die 3 Voraussetzungen für entspanntes Anbinden:
Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht.
Der Anbindeplatz muss sicher sein.
Lass dein Pferd nicht allein.
1. Dem Druck weichen
Dein Pferd muss wissen, wie es Druck weicht. Heißt für diese Situation, es muss vor allen Dingen wissen, wie es dem Druck im Genick weicht. Es sollte also in der Lage sein, dem Druck deiner Hand in seinem Genick nach unten zu weichen und seinen Kopf zu senken und dort unten auch eine Weile entspannt zu verharren und zu warten.
Beim Führen sollte es keinen Oppositionsreflex mehr zeigen, sich also nicht ins Halfter hängen bis du mithilfe des Stricks seinen Hals in die Länge gezogen hast, während es wie angewurzelt stehenbleibt, sondern es sollte dir willig am Seil folgen. Und es muss bereitwillig deine treibenden Hilfen nach vorne annehmen, um aus dem Druck heraus vorwärts zu weichen.
Genau diese Übung machst du mit ihm auch am Anbinder, damit es lernt aus dem Druck heraus nach vorne Richtung Anbinder zu gehen. Dazu legst du den Strick einmal um den Haltebalken und behältst ihn in der Hand während du so viel Kontakt aufnimmst, dass dein Pferd den Zug im Genick spürt.
Hilf ihm dann mit einer treibenden Hilfe z. B. mit einer Gerte oder einem Stick die richtige Lösung zu finden und auf den Anbinder zuzugehen anstatt sich aufzuhängen und loszureißen.
Wenn es deinem Pferd schwerfällt und es nach hinten in den Druck reinzieht, kannst du zur Not nachregulieren und das Seil etwas locker lassen, bevor dein Pferd in Panik gerät.
2. Sicherer Anbindeplatz
Der Anbindeplatz muss sicher sein. Heißt: Der Anbindebalken oder Haken in der Wand muss möglichst hoch angebracht sein. Das ist an den meisten Ställen leider nicht der Fall. Es gibt allerdings den Merksatz „Tie to the eye“, will heißen, Pferde am besten auf Augenhöhe anbinden. In der Höhe wirken weniger Kräfte auf die empfindlichen Strukturen unseres Pferdes, sollte es sich doch einmal unkontrolliert ins Seil hängen.
Außerdem kann dein Pferd nicht so gut mit dem Kopf unter dem Seil hindurchtauchen und sich dadurch aufhängen, wenn es so hoch angebunden ist.
Unsere Anbinder sind meist eher auf Brusthöhe, was ein Verheddern im Strick erleichtert. Besonders wenn dein Pferd versucht, sich zu Schubbern oder einfach eine Vorliebe dafür hat, mit dem Kopf unter dem Strick herumzuspielen. Vielleicht weil es dort unten das Grasbüschel erhaschen möchte? Oder weil es ein Spielkind ist und versucht, sich mit dieser Turnübung das Halfter auszuziehen?
Aber auch wenn der Anbinder an eurem Stall nun einmal niedrig ist, kannst du noch etwas tun, um ihn für dein Pferd sicherer zu machen:
Binde dein Pferd kurz an!
Klingt paradox, ist aber so. Ungefähr eine Unterarmlänge vom Haken unter dem Kinn bis zum Balken bzw. zum Ring in der Wand. So kann dein Pferd nicht mit dem Kopf unterm Seil durchtauchen, es kann nicht vom Boden fressen (was es ja eigentlich beim Putzen und Fertigmachen sowie nicht sollte) und es kann sich auch nicht mit den Beinen im Strick verheddern.
Dass die Anbindeumgebung ausreichend großzügig gestaltet sein sollte und möglichst frei von Verletzungsrisiken, setze ich hier einfach mal voraus.
3. Bleib dabei
Lass dein Pferd nicht allein! (Ja, du musst dann allen Kram aus der Sattelkammer vorher parat haben!) Dein Pferd weiß nun ja schon, wie es selbstständig aus dem ängstigenden und beengenden Druck wieder herauskommt, nämlich indem es einen Schritt nach vorne auf den Anbinder zugeht.
Trotzdem kann natürlich immer mal etwas Unvorhersehbares passieren. Es erschrickt sich zum Beispiel und dann ist es schön, wenn du da bist und ihm helfen kannst. Und zwar nicht, indem du schnellstmöglich den Strick durchschneidest (bitte nur im äußersten Notfall), sondern indem du ihm hilfst, auch in einer Stresssituation die richtige Lösung zu finden, nämlich selbstständig aus dem Druck herauszugehen und wieder einen Schritt auf den Anbinder zuzugehen.
Entspannt und ruhig stehen
Wenn du diese drei Aspekte hast, wird das Anbinden für euch kein Thema mehr sein. Dein Pferd wird sicher und entspannt am Anbinder stehen können und somit kannst auch du locker und entspannt sein.
Wir müssen uns klar machen, unser Pferd hat zwar Stress beim Losreißen, aber am Ende ist es frei. Es hat sich aus dem Druck befreit. Nur hat es eine Lösung gewählt, die für dich und dein Pferd stressig und gefährlich ist.
Zeige ihm also lieber die Lösung, die für euch beide viel entspannter und harmonischer ist, indem du ihm beibringst selbstständig dem Druck nach vorne zu weichen.
So fühlt sich dein vierbeiniger Klaustrophobiker viel selbstbestimmter und wohler in der ihm eigentlich eher unangenehmen Situation des Anbindens.