Ein triebiges Pferd vorwärts reiten – Anleitung und Tipps, um faule Pferde zu motivieren
Pferd und Reiter bewegen sich im Einklang. Leicht und locker, scheinbar mühelos gleiten sie dahin. Prompt legt das Pferd auf ein leises Schnalzen zu und wird noch fleißiger. Es galoppiert an und fliegt mit raumgreifenden Sprüngen über den Reitplatz, um dann nach einem Übergang zum Schritt motiviert und losgelassen voranzuschreiten. Es ist der Inbegriff der Bewegungsfreude. So wünschen wir uns unser Pferd. Fleißig, motiviert, engagiert, leistungsbereit und freudig mitarbeitend. Leider entspricht dieser Wunsch nicht immer der Realität. Welche Wege es gibt, auch ein triebiges Pferd wieder zu motivieren, soll dieser Artikel zeigen. Bei faulen Pferden reichen die Ausprägungen von „nur etwas zäh am Schenkel“ bis hin zu kompletter „Arbeitsverweigerung“. Manche lassen sich durch korrektes Treiben und gutes Timing in der Hilfengebung schon ausreichend motivieren, andere werden bei zunehmenden Druck nur noch lethargischer oder setzen ihre Energie sogar gegen den Menschen ein, indem sie deutliches Abwehrverhalten zeigen. Beiden Fällen ist gemein, dass die Motivation zur Bewegung fehlt, keine Leistungsbereitschaft vorhanden ist und es kein harmonisches Zusammenspiel von Pferd und Reiter gibt. Besonders wenn das Problem schon länger besteht, ergeben sich dadurch oft gestörte Bewegungsabläufe: Beim Pferd fehlen Schub, Schwung und Losgelassenheit. Durch eine entweder verspannte, festgehaltene Muskulatur oder durch eine schlaffe, kraftlose Muskulatur nutzt es den Bewegungsradius seiner Gliedmaßen nicht voll aus. Der Reiter verkrampft wiederum durch übertriebenes Treiben und Schieben mit dem Sitz und kommt infolgedessen oftmals aus der Balance. Auf mentaler Ebene sieht es bei Pferd und Reiter meist nicht besser aus. So ist kein gesundes und harmonisches Reiten möglich. Falls du mit deinem Pferd in einer solchen Situation feststeckst oder dein Pferd zumindest phasenweise zur Triebigkeit neigt, lies gern weiter. Bevor du dich daran machen kannst, die Bewegungsfreude deines Pferdes wieder zu erarbeiten, musst du den Grund für seine Bewegungsunlust herausfinden. Nur so kannst du die Ursachen beheben und den richtigen Ansatz für dein Training wählen. Zum einen können die Ursachen körperlicher Art sein. Finde heraus, ob dein Pferd Blockaden oder Verspannungen hat, ob der Sattel passt und ob seine Zähne und Hufe in Ordnung sind. Schmerzen hemmen natürlicherweise die Bewegungslust und führen zu Schonhaltungen. Auch der Futterzustand kann eine bedeutende Rolle für die Leistungsbereitschaft spielen. Sowohl eine Über- als auch eine Unterversorgung haben einen negativen Einfluss. Zu dicke Pferde können unter Leistungseinbußen leiden, da das Herzkreislaufsystem übermäßig belastet wird. Aber auch Unterernährung oder ein Nährstoffmangel können zu Abgeschlagenheit und verminderter Leistungsbereitschaft führen. Gerade junge und körperlich noch nicht ausreichend entwickelte Pferde haben teils noch erhebliche Balanceprobleme. Diese mangelnde Balance kann sich in zu hohem oder auch zu geringem Tempo in den Gangarten zeigen. Wenn du dir nicht sicher bist, ob du dein Pferd und seinen körperlichen Zustand richtig einschätzen kannst, ziehe am besten einen oder mehrere Experten zu Rate. Zum anderen können die Ursachen auch auf der psychischen Ebene liegen. Beobachte und beurteile dein Pferd möglichst unvoreingenommen. Folgende Fragen können dir helfen: Ist mein Pferd traurig? Wenn ja, welche Gründe kann es dafür geben? (Veränderungen in der Herde oder Haltungsform, …) Erlebt mein Pferd unsere gemeinsame Zeit als sinnerfüllt oder eher sinnlos? Hat es Freude an der Zusammenarbeit mit mir? Zeigt es sich im Zusammensein mit mir als Mensch genauso wie es sich in der Herde zeigt? Welcher Typ ist mein Pferd? Introvertiert oder extrovertiert? Eher energetisch oder in sich ruhend? Ist seine Art / sein Verhalten rassetypisch? Gab es Zeiten, in denen mein Pferd nicht triebig war oder bestand das Problem schon immer? Ich finde besonders die Frage, ob sich das Pferd in jeder Situation triebig zeigt oder es nur beim Reiten oder in der Bodenarbeit faul zu sein scheint, sehr aufschlussreich. Hier erhältst du einen wertvollen Hinweis, ob die Triebigkeit mit dir als Mensch / Reiter zu tun hat, ob die Ursachen vielleicht Verspannungen oder Schmerzen während der Arbeit sind oder ob die Ursachen unabhängig von dir / bzw. dem Reiten bestehen. Wenn du dein Pferd ausreichend durchgecheckt und einen guten Überblick über alle wichtigen Faktoren hast, bist du selbst an der Reihe. Oft ist es gar nicht so einfach, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Achtsame Selbstwahrnehmung, Ehrlichkeit und eventuell auch Hilfe von außen sind hier gefragt. Es kann sein, dass du als Reiter dein Pferd unbewusst daran hinderst, frei und flüssig vorwärts zu gehen. Wenn du selbst Blockaden hast und dein Sitz verkrampft ist, hemmst du dein Pferd möglicherweise in der Vorwärtsbewegung. Auch übertriebenes Treiben und Schieben mit dem Sitz bewirken meist das Gegenteil von dem, was wir eigentlich erreichen wollen. Wenn dein Timing bei der Hilfengebung nicht stimmt, sieht dein Pferd vielleicht einfach keinen Vorteil darin, auf deine Hilfe zu reagieren und schneller zu werden. Es versteht dann deine Hilfengebung nicht und du verstärkst vielleicht sogar aus Versehen das falsche Verhalten (langsames Tempo). Es gibt auch Reiter, die nach außen hin kommunizieren, dass sie unbedingt Galoppieren wollen, im Inneren jedoch sind sie durch ihre Angst vor der höheren Geschwindigkeit und dem vermeintlichen Kontrollverlust gebremst. Das spüren die Pferde natürlich und nehmen folglich die treibende Hilfe nicht an. Für manche Pferde reicht aber auch schon eine gewisse Planlosigkeit des Menschen beim Reiten aus, um den Vorwärtsschub zu nehmen. Fehlen der Fokus und das Ziel, geht auch die Motivation flöten. Übertriebener Ehrgeiz des Reiters auf der anderen Seite, kann dem Pferd auch die Freude an der Arbeit und der Bewegung nehmen. Wollen wir zu viel auf einmal, bleibt für das Pferd unklar, für welche Bemühungen es konkret belohnt wird und Überforderung stellt sich ein. Belohnungen und Pausen sind jedoch essentiell, um die Motivation des Pferdes zu erhalten. Die Triebigkeit des Pferdes kann also auch auf der psychischen Ebene des Reiters ihre Ursache haben. So. Hast du schon eine Idee, wo du mit deinem Pferd ansetzen kannst? Wenn du die Ursache (oder auch die Kombination mehrerer Ursachen) herausgefunden und (soweit möglich) behoben hast, kannst du mit dem Training beginnen. Ich gehe an dieser Stelle davon aus, dass dein Pferd in einem körperlich und psychisch gesunden Zustand ist und grundsätzlich leistungsfähig und leistungsbereit ist. Außerdem hast du als Reiter deine eventuellen körperlichen und psychischen Themen bearbeitet, sodass einem harmonischen und motivierten Vorwärtsreiten nichts mehr im Wege steht. Wenn das Treiben bei deinem Pferd nicht mehr zu einer Erhöhung des Tempos führt, muss die treibende Hilfe erst wieder neu installiert werden. Vereinfacht gesagt, musst du erst wieder einen Knopf einbauen, den du drücken kannst und der dann auch zum Zulegen des Pferdes führt. Aber wie genau machst du das? Treiben funktioniert ja schließlich nicht. Das Zauberwort heißt Operante Konditionierung und ist ein Fachbegriff aus der Lerntheorie. Bei dieser Art des Lernens tritt ein bestimmtes Verhalten immer häufiger auf, weil es verstärkt wird, d. h. es folgen für das Pferd angenehme Konsequenzen auf das Verhalten. In unserem Fall des triebigen Pferdes heißt das, dass auf das Zulegen des Pferdes auf eine treibende Hilfe unmittelbar eine angenehme Konsequenz folgen muss (z. B. ein Lob oder eine Pause; Details s. unten), damit das Zulegen auf die treibende Hilfe künftig häufiger gezeigt wird. Die Verstärkung kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen. Die Begriffe positiv und negativ beziehen sich hier auf das Hinzufügen und das Wegnehmen von Etwas. Möchtest du das Schnellerwerden deines Pferdes positiv verstärken, kannst du es z. B. mit der Stimme loben oder ihm bestätigend über den Hals streichen. Wenn du die Tempoerhöhung negativ verstärken willst, nimmst du sofort den Schenkeldruck weg und setzt deine Hilfe aus. Wenn du dein Pferd ganz besonders loben und motivieren möchtest, kombinierst du die beiden Methoden und nutzt positive und negative Verstärkung zusammen. Jetzt schauen wir uns die Hilfengebung und das Timing noch einmal genauer an. Dein Ziel ist es, dein Pferd auf deine treibende Hilfe wieder zu sensibilisieren. Sagen wir, deine treibende Hilfe besteht aus einem leichten Druck deiner Waden. Damit dein Pferd künftig auf die kleinste Druckerhöhung deiner Wade mit Schnellerwerden reagiert, musst du deine Hilfe auf kleinster Stufe beginnen und so lange steigern, bis dein Pferd eine (vielleicht auch nur minimale) Reaktion (Schnellerwerden) zeigt. Dieses Schnellerwerden belohnst du dann sofort, indem du es positiv und / oder negativ verstärkst und deinen Schenkeldruck sofort wegnimmst. So funktioniert die Sensibilisierung auf die Schenkelhilfe. Was leider oft stattdessen passiert, ist Habituation. Bei der Habituation gewöhnt sich das Pferd an einen bestimmten Reiz, z. B. den dauerhaften Schenkeldruck, und reagiert mit der Zeit immer weniger darauf. Der Reiter braucht also immer mehr Schenkeleinsatz, um sein Pferd überhaupt noch vorwärts zu reiten. Die Reaktion des Pferdes, das Zulegen, wird immer geringer und verschwindet irgendwann ganz. Dein Gefühl und dein Timing sind in dieser Phase also ganz besonders wichtig, damit du dein Pferd auf die treibende Hilfe sensibilisierst und nicht habituierst. Aber was machst du, wenn dein Pferd nun auf den Schenkeldruck überhaupt nicht reagiert und kein bisschen schneller wird? Dann brauchst du weitere Hilfsmittel, um deinem Pferd eine Reaktion zu entlocken, die du belohnen kannst. Nutze auf jeden Fall auch deine Stimmhilfe, deinen Fokus (also die Blickrichtung) und achte darauf, dass dein Körper locker ist und du den Weg nach vorne wirklich frei machst. Es macht keinen Sinn an den Zügeln zu ziehen, wenn du einfach nur einen Schritt nach vorne möchtest. Wenn das alles nicht hilft, rate ich dir zu einer Gerte oder einem Stick, um dein Pferd touchieren zu können. Probiere aus, auf welchen Reiz dein Pferd am besten reagiert und wo du die Gerte zielführend einsetzen kannst. Pferde die zum Buckeln oder Austreten neigen, lassen sich oft besser an der Schulter antippen, als auf der Kruppe. Bei manchen Pferden funktioniert auch ein Fähnchenstock gut, da sie auf den optischen Reiz besser reagieren, als auf den Berührungsreiz der Gerte. Sporen eignen sich meiner Erfahrung nach schlechter als eine Gerte, um Pferde vorwärts zu treiben. Viele Pferde verspannen beim Einsatz des Sporen in der Rumpfmuskulatur, was eine losgelassene Vorwärtsbewegung hemmt. Nicht umsonst sind Sporen zur feineren, lateralen Hilfengebung gedacht und fördern richtig eingesetzt eher die Versammlungsbereitschaft. Viele Reiter verkrampfen sich mit Sporen außerdem zusätzlich im Sitz, weil sie versuchen, ihre Beine besonders gut unter Kontrolle zu halten. Bei aller Trainingstheorie darfst du nicht vergessen, dass es immer hilfreich ist, das Pferd auf deiner Seite zu haben. Je höher die intrinsische Motivation deines Pferdes ist, mit dir zusammenzuarbeiten, umso leichter hast du es im Training und umso mehr könnt ihr gemeinsam erreichen. Dein Pferd sollte die abgefragten Übungen darum als sinnvoll empfinden. Vielleicht hilft es euch, in der Reitbahn von Hütchen zu Hütchen zu reiten, anstatt planlos im Kreis herum. Wenn dein Pferd gerne im Gelände unterwegs ist, nutze das Ausreiten, um an der Triebigkeit zu arbeiten. Das Gleiche gilt für Stangenarbeit, Trailhindernisse, Reiten in der Gruppe, usw. Nutze alles, was die Motivation deines Pferdes erhöht, fleißig vorwärts zu gehen. Du kennst dein Pferd am besten und weißt, was ihm Freude bereitet. Gleichzeitig dürfen wir uns immer wieder bewusst machen, dass unser Pferd seinen eigenen Charakter hat und bis zum gewissen Grad eben einfach so ist, wie es ist. Aus einem Kaltblut wird meist kein Vollblutaraber. Auch durch das beste Training nicht. Trotzdem darf Reiten sich natürlich leicht anfühlen. Das sollte es sogar. Bei ganz hartnäckigen Energiesparmodellen kann es die Motivation fürs Vorwärtsgehen steigern, wenn in langsamem Tempo besonders anstrengende Übungen abgefragt werden: Wenn die Schrittarbeit nur aus Seitengängen, Hinterhand- und Vorhandwendungen, Anhalten, Rückwärtstreten und wieder Anreiten besteht, kann es fürs Pferd eine große Belohnung sein, endlich am losen Zügel ganze Bahn traben zu dürfen. Solche „Tricks“ kann man sich ganz gezielt zu Nutze machen. Oft geht man dabei sogar dem eigentlich Konfliktthema gewissermaßen aus dem Weg und baut stattdessen auf die Eigenmotivation des Pferdes. Wieder ein Beispiel dafür, dass Reiten Köpfchensache ist!
„Make the wrong things difficult and the right things easy. Let your idea become the horse’s idea.“ Tom Dorrance
Wenn ein Pferd triebig ist, kann das viele unterschiedliche Ursachen haben. Die Gründe können beim Pferd, aber auch beim Reiter (!), auf körperlicher oder psychischer Ebene zu finden sein. Körperliche und psychische Ursachen müssen gefunden und soweit wie möglich behoben werden, damit ein losgelassenes und fleißiges Vorwärtsreiten wieder möglich werden kann. Ist das erledigt, musst du mit deinem Pferd die treibende Hilfe wieder neu erarbeiten und es auf deinen Schenkel mittels positiver und negativer Verstärkung neu sensibilisieren. Eventuell brauchst du auch Hilfsmittel, wie deine Stimme oder eine Gerte. Hat dein Pferd den treibenden Schenkel grundsätzlich wieder verstanden, gilt es dein Pferd so weit wie möglich zu motivieren und ihm Freude am Vorwärtsgehen zu vermitteln. Gestalte die Übungen für dein Pferd sinnvoll und verständlich, arbeite kleinschrittig und lobe viel. Bringe Abwechslung ins Training indem du Dinge nutzt, die dein Pferd von sich aus gerne tut. Das steigert die Eigenmotivation am meisten. Dein Pferd ist ein Individuum und du kennst es am besten. Bewerte eure Leistung immer nur in Relation zu eurer eigenen Leistung aus der Vergangenheit und vergleiche dich und dein Pferd lieber nicht mit anderen Pferd-Reiter-Paaren! Dieser Vergleich hinkt nämlich meist. Wichtig ist nur, dass du und dein Pferd wieder fleißig, motiviert, leistungsbereit, losgelassen und freudig Vorwärtsreiten könnt.Was passiert, wenn ein Pferd triebig ist?
In diesem Artikel lernst du,
Mit diesen Schritten die Ursache(n) für die Triebigkeit herausfinden
Schritt 1: Ursachen beim Pferd
Körperlich
Psychisch
Schritt 2: Ursachen beim Reiter
Körperlich
Psychisch
Anleitung: So wird dein triebiges Pferd wieder fleißig
Die Hilfe neu etablieren
Operante Konditionierung
Negative und positive Verstärkung
Sensibilisierung versus Habituation
Hilfsmittel bei triebigen Pferden: Sporen oder Gerte?
Motivation für dein triebiges Pferd
Sinn und Abwechslung
Tipps und Tricks
Fazit