Hilfe, mein Pferd geht durch! Die 3 Must-Haves zum Reiten einer zuverlässigen, ganzen Parade
Mal im Ernst, wenn dein Pferd nicht zuverlässig anhält und du nie sicher bist, ob du es im Gelände vor der nächsten Landstraße auch wirklich durchparieren kannst, brauchen wir nicht darüber reden, ob deine ganze Parade so schön geritten ist, dass dein Pferd dabei den Rücken aufwölbt und sich auf die Hinterhand setzt. Ihr braucht jetzt erstmal überhaupt eine funktionierende Bremse und damit Kontrolle und Sicherheit. Du musst dein Pferd auf jeden Fall anhalten können. (Zumindest, wenn ihr außerhalb einer sicheren Einzäunung unterwegs seid.) Sonst wird es nämlich gefährlich, für dich, dein Pferd und eventuell auch für Dritte. Solange dein Pferd gegen deine Hand geht und sich durch deine Hilfen nicht bremsen lässt, geht es für mein Verständnis durch. Das klingt jetzt vielleicht etwas übertrieben, aber für mich kann ein Pferd auch im Schritt in der Reithalle durchgehen. Eben immer dann, wenn du keine Kontrolle über die (Vorwärts-) Bewegung deines Pferdes hast. Und eins ist klar: Ohne Bremse wird es brenzlig! Besonders im Gelände. Ich habe schon etliche Reiter kennengelernt, die wegen verschiedener Kontrollverlustthemen zu mir kamen. Die Probleme traten oft im Gelände oder in für Pferd und Reiter ungewohnten Situationen auf. Zu meinem Standard-Check-Up bei solchen Pferd-Reiter-Paaren gehört immer das Anhalten und Rückwärtsrichten in gewohnter Umgebung. Oft ist aber diese einfache Übung gar nicht abrufbar: Bremswege aus dem Schritt von mehreren Metern, ein einziger Tritt Rückwärts nicht möglich. Frage an dich:
Würdest du dich in dein Auto setzen und losfahren, wenn du weißt, dass die Bremse kaputt ist und der Rückwärtsgang nicht funktioniert?
Wohl kaum. Es ist nur logisch, dass dein Pferd in Stresssituationen, unter Anspannung oder bei Energieüberschuss dazu neigt durchzugehen, wenn es sich schon unter entspannten Bedingungen nicht gut anhalten oder rückwärtsrichten lässt. Wenn du wissen willst, wie du deinem Pferd helfen kannst, nie mehr durchzugehen, lies unbedingt weiter. Denn es darf endlich Schluss sein mit der Unsicherheit, die du verspürst – und automatisch auf dein Pferd überträgst, der ungewollt harten Einwirkung auf dein Pferd und deiner Angst davor, keine Kontrolle mehr zu haben. Es kann, wie immer, viele unterschiedliche Gründe geben. Die Ursache, die bei deinem Pferd und dir zugrunde liegt, solltest du unbedingt herausfinden, um zu wissen, wo du ansetzen musst, um das Thema aus der Welt zu schaffen. Wenn dein Pferd deine Parade nicht annimmt, ist das zunächst einmal einfach ein Nein zu deiner Hilfe und zu deinem dahinterstehenden Wunsch, das Tempo zu verlangsamen. Folgende Fragen können dir nun dabei helfen, den Grund für das Nein deines Pferdes herauszufinden: Die letzte Frage liefert dir wertvolle Hinweise darauf, ob es am Reiten liegt (vielleicht sogar an dir als Reiter speziell), oder ob dein Pferd generell Schwierigkeiten mit dem Anhalten und dem Rückwärts hat. Mögliche körperliche Ursachen solltest du natürlich unbedingt abklären lassen, um sie beheben oder ausschließen zu können. Ist das passiert, übst du das Anhalten und das Rückwärtstreten am Boden. So bekommst du eine Idee, wie dein Pferd auf deine Hilfen reagiert und ihr könnt euch beide mit der Aufgabe und dem Bewegungsablauf vertraut machen. Anschließend kannst du mit dem Üben unter dem Sattel loslegen. Die ganze Parade kann aus allen Gangarten erfolgen und führt IMMER zum Halten des Pferdes. Sie besteht aus dem Zusammenspiel aller Hilfen. Um dein Pferd für die einzelnen Komponenten deiner Hilfengebung zu sensibilisieren, zerlegst du deinen Hilfenkomplex in 3 Einzelteile: Das Ziel ist, dass alle drei Bausteine einzeln angewandt immer zum sicheren und sofortigen Anhalten deines Pferdes führen. Ein „Hooo“ ohne Sitz- oder Zügeleinwirkung sollte dein Pferd genauso anhalten, wie die alleinige Sitzhilfe oder die alleinige Zügelhilfe. Alle drei Hilfen übst du einzeln mit deinem Pferd, bis eure Kommunikation so gut ist, dass du eine zuverlässige Antwort auf eine feine Hilfe bekommst. Übe in einer sicheren, bekannten Umgebung. Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nur über deine Stimmhilfe anhalten. Du sagst zum Beispiel ein langgezogenes „Hooo“. Hält dein Pferd daraufhin an, lobst du es sofort und lässt es eine Weile stehen. Dann wiederholst du die Übung, um sie noch etwas zu verbessern. Dein Pferd sollte im Verlauf des Übens auf das „Hooo“ immer schneller reagieren und stehen bleiben. Wenn dein Pferd das Stimmkommando schon aus der Bodenarbeit kennt, wird das wahrscheinlich ziemlich schnell funktionieren. Hält dein Pferd auf deine Stimmhilfe jedoch nicht an, ergänzt du als nächstes eine weitere Hilfe. Ich selbst wirke meist begrenzend mit der Hand ein, sage weiterhin „Hooo“ und warte bis das Pferd stehenbleibt und ich es loben kann. Du kannst aber auch deine Sitzhilfe ergänzen, wenn sie deinem Pferd besser hilft. Das Ganze wiederholst du, bis dein Pferd irgendwann nur noch deine Stimme zum Anhalten benötigt. Aus dem Schritt heraus willst du dein Pferd nun ausschließlich über deine Sitzhilfe anhalten. Ich kippe dazu mein Becken ab, drücke die Knie leicht zusammen und bringe die Unterschenkel leicht weg vom Pferd. Dabei kommt etwas Gewicht in die Bügel. Vielleicht hast du eine andere Sitzhilfe zum durchparieren? Nutze das, was dein Pferd kennt, wenn es gut funktioniert. Wenn nicht, probiere gern meine Idee aus. Als letztes willst du dein Pferd nun aus dem Schritt heraus ausschließlich über deine Zügelhilfe anhalten. Dazu schließt du langsam und sanft die Hand, sodass ein leichter, stetiger Kontakt zum Maul oder zur Pferdenase hergestellt wird. Gib deinem Pferd Zeit, auf die Begrenzung zu reagieren und anzuhalten. Lobe es, sobald es stehenbleibt. Braucht es mehr Unterstützung, um anzuhalten, ergänze deine Sitz- oder Stimmhilfe. Übe wieder solange, bis dein Pferd allein auf den angenommenen Zügel anhält. Hast du diese drei Übungen im Schritt gemacht, weißt du schon mal, welche der drei Einzelhilfen deinem Pferd und dir am meisten liegt: Stimme, Sitz oder Schenkel? Worauf hält dein Pferd am besten an? Jetzt kannst du alle drei Hilfen wieder zusammenfügen und testen, ob sich ihre Wirkung addiert hat. Im Bestfall hast du jetzt eine richtig fein justierte Bremse in deinem Pferd installiert. Cool, oder? Vielleicht stellst du auch fest, dass du das Zusammenspiel deiner Hilfen anpassen musst. Fühle genau hin, was dein Pferd dir zeigt. Dein Leitsatz ist:
So wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Jetzt übst du das Durchparieren und das Anhalten am besten in unterschiedlichen Umgebungen (Halle, Platz, Gelände, …), in verschiedenen Situationen (alleine, in der Gruppe, bei Wind und Wetter, …) und aus allen Gangarten. Je größer die Außenreize sind und je höher das Stresslevel deines Pferdes ist, desto schlechter wird die Antwort auf deine Hilfen ausfallen. Deswegen ist es wichtig, wirklich präzise zu üben und sich so auf den Worst Case vorzubereiten. Wenn du im Normalfall eine 150%ige Antwort von deinem Pferd bekommst, erreichst du unter Stress vielleicht immerhin noch 90%. Und das ist definitiv besser als Durchgehen, oder? Erfahrungsgemäß treten die meisten Schwierigkeiten im Gelände auf. Pferde sind nun einmal Lauf- und Fluchttiere und auch wenn wir durch gute, vertrauensfördernde Ausbildung ihre Instinkte weitgehend eindämmen können, werden wir ihren Impuls zu flüchten nie ganz unterdrücken können. Wenn du ein sicheres und entspanntes Geländepferd mit einer guten Bremse haben willst, musst du vorher in die richtige Ausbildung investieren. Auch wenn manche Freizeitreiter glauben, ja „nur“ ein bisschen ausreiten zu wollen, muss ein Ausreitpferd doch ziemlich gut ausgebildet sein, um einen sicheren und zufriedenen Partner abzugeben. Auch du als Reiter kannst einiges dafür tun, um im Gelände sicher unterwegs zu sein: Du kannst das Ausreiten allein und in der Gruppe üben und du kannst dir angewöhnen, vorausschauend zu reiten, schwierige Situationen frühzeitig zu erkennen und auf sie zu reagieren. Allein das kann viele brenzlige Situationen verhindern! Wenn du zum Beispiel bemerkst, dass dein Pferd sich verspannt oder abgelenkt ist, warte nicht ab, bis es einen Satz macht oder das Tempo erhöht und gegen deine Hand geht. Sei proaktiv und bringe den Fokus deines Pferdes wieder zu dir zurück, indem du ihm eine kleine Aufgabe stellst. Das kann ein Tempowechsel nach unten, ein an die Hilfen stellen oder ein Übertreten sein. Oft genügt das schon, um eine ungewollte Reaktion, wie ein Durchgehen, zu verhindern. Zum Schluss habe ich noch einen letzten Tipp für dich: Wenn alle Stricke reißen und dein Pferd trotz Vorarbeit auf keine deiner Paraden reagiert, zieh die Notbremse! Bei Pferden ist das die sogenannte Einzügelbremse, bei der du dein Pferd im Hals biegst, es auf eine Volte lenkst und dabei die Hinterhand wegtreibst, bis dein Pferd sich in einer Vorhandwendung befindet. Natürlich musst du auch diese Einzügelbremse vorher üben, damit dein Pferd und du die Bewegungsabläufe kennenlernt und die Übung wie einen Reflex ohne nachzudenken abrufen könnt. Ich übe die Einzügelbremse mit allen Pferden von Anfang an, genau wie jede andere Übung auch. Es hat nichts mit Strafe oder harter Einwirkung zu tun, sondern es ist eines der wichtigsten Sicherheitselemente überhaupt für mich in der Pferdeausbildung. Halten wir die wichtigsten Punkte zum Thema (nicht!) Durchgehen noch einmal fest: Je sicherer du dich auf deinem Pferd fühlst, weil du weißt, dass du ein Durchgehen verhindern und anhalten kannst, desto mehr Sicherheit vermittelst du automatisch auch deinem Pferd. Das wiederum führt dazu, dass dein Pferd ruhiger und gelassener wird und sich ebenfalls wohler fühlt. Ein positiver Kreislauf also. Und wenn ihr an diesem Punkt seid und du dein Pferd auf feine Hilfen sicher anhalten kannst, dann könnt ihr auch an der schönen, runden, versammelten ganzen Parade arbeiten. Wobei, wahrscheinlich fällt euch die dann quasi in den Schoß, dank der guten Vorarbeit. 🙂Wenn das Pferd durchgeht
Deshalb erkläre ich dir in diesem Artikel
Ursachenforschung: Warum geht mein Pferd durch?
Die 3 Must-Haves für die ganze Parade
1. Anhalten nur mit Stimme
2. Anhalten nur mit Sitz und Schenkel
3. Anhalten nur mit dem Zügel
Durchparieren: Übung macht den Meister
Tipps fürs Durchparieren im Gelände
Plan B: Die Einzügelbremse
Fazit
Sicherheit
3 Must-Haves der Hilfengebung
Übung
Notbremse