Jede Reitstunde individuell gestalten: 8 Tipps für deine gelungene Trainingseinheit
Wie eine Reitstunde im klassischen Sinne aufgebaut sein sollte, weiß wohl jeder von uns. Laut Lehrbuch besteht eine Trainingseinheit immer aus Aufwärm- bzw. Lösephase, Arbeitsphase und Entspannungsphase. Je nach Bedarf kann der Schwerpunkt auf der lösenden Arbeit zu Beginn der Einheit oder auf der Arbeitsphase in der Mitte der Einheit liegen. Die Abwärm- und Entspannungsphase, in der das Pferd mit Puls und Atmung wieder zur Ruhefrequenz zurückkehrt, sollte niemals fehlen. Aber was kommt denn eigentlich in den einzelnen Phasen genau vor? Mit welchen Übungen füllst du sie konkret? Im Reitunterricht entscheidet das oft hauptsächlich der Reitlehrer zusammen mit dir und deinem Pferd. Aber wenn du alleine reitest, musst du selbst einen Plan haben, um nicht Runde um Runde ziellos im Kreis zu reiten. Aber wie findest du nun das Thema für die Reitstunde? Welche Faktoren spielen für die Themenwahl eine Rolle? Und wie behältst du während des Reitens den Überblick? Häufig passiert es, dass wir Reiter unterwegs irgendwie den Faden verlieren. Wir sind mit einem gewissen Plan aufs Pferd gestiegen, haben angefangen zu arbeiten und uns dann irgendwo zwischen Bahnfiguren, Idealvorstellungen und den anderen Reitern in der Bahn verloren. Wir haben unser Ziel nicht mehr klar im Blick und vielleicht sogar vergessen, worauf wir eigentlich unseren Fokus hatten legen wollen. Manchmal kommt einem auch ein unerwartetes „Problem“ in die Quere. Irgendetwas funktioniert nicht wie erwartet, wir geraten aus der Spur und haben zunächst vielleicht keine Ahnung, warum diese eine Übung heute einfach nicht klappt. Im Folgenden geht es nicht um einen übergreifenden, längerfristigen Trainingsplan für dein Freizeitpferd, sondern darum, wie du eine einzelne Trainingseinheit mit deinem Pferd individuell und planvoll gestaltest. Dazu habe ich dir einen Leitfaden erstellt, der dir hilft, deine Reitstunde sinnvoll aufzubauen und während des Reitens deinen roten Faden im Blick zu behalten. Bevor du zu deinem Pferd kommst, machst du dir am besten schon mal Gedanken darüber, was du heute mit deinem Pferd machen möchtest. Ich nutze dazu meist den Weg zum Stall und überlege, welche Art von Training – Bodenarbeit, Longieren, Handarbeit, Reiten, Gelände, …- heute gut passen würde. Ich stimme mich innerlich auf mein Pferd ein und spüre dann meist auch schon, in welcher mentalen Form ich bin und welche Art von Training mir persönlich in diesem Gemütszustand am meisten liegt. Die Frage der Verfassung betrifft natürlich nicht nur dich, sondern auch dein Pferd. Überprüfe am Stall also ganz unvoreingenommen, in welcher mentalen und körperlichen Verfassung sich dein Pferd befindet. Das kann von seiner aktuellen Tagesform, der Uhrzeit, dem Wetter, der Situation in der Herde und vielen weiteren Faktoren abhängen und kann großen Einfluss auf seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit haben. Frage dich immer: Was kannst du heute mental und körperlich leisten und was kann dein Pferd heute mental und körperlich leisten? Anschließend schaust du, welche Bedingungen ihr heute zum Trainieren vorfindet: Wie sind die Wetterverhältnisse? Ist es nass oder trocken? Windig, kalt oder heiß? Wie sind entsprechend die Bodenverhältnisse draußen? Ist dein Pferd in der Sattellage nass und matschig? Wie voll ist die Reithalle? Habt ihr Tageslicht? Müsst ihr auf den Longierzirkel ausweichen oder könnt ihr ins Gelände gehen? Und so weiter … Unter Berücksichtigung aller nun bekannten Faktoren kannst du jetzt entscheiden, woran du mit deinem Pferd arbeiten und in welcher Form du das tun möchtest. Willst du an der Schenkelakzeptanz arbeiten? Die Schulterkontrolle verbessern? An eurer Kommunikation am Boden arbeiten? Dein Pferd an einen neuen Reiz im Gelände gewöhnen? Es gibt unendlich viele Themen! So viel ist klar. Die wichtigste Frage für dich: Welche Art von Training passt für euch beide am heutigen Tag am besten? Vielleicht passt auch gar kein Training und ihr verbringt einfach nur etwas schöne Zeit miteinander? Bevor du jetzt mit dem eigentlichen Training beginnst, solltest du dir im Klaren darüber sein, was dein Ziel für diese Einheit mit deinem Pferd ist. Du musst ein klares Bild dessen im Kopf haben, was du erreichen möchtest und für welche Teilschritte und welches Endergebnis du dein Pferd konkret belohnen willst. Nur wenn du das in deinem Kopf klar definiert hast, hast du wirklich einen Fokus, dem auch dein Pferd folgen kann. Dieses innere Bild kann das gewünschte Endergebnis darstellen oder aber kleine Teilschritte auf dem Weg zum Ziel verdeutlichen. Manchmal suchst du vielleicht nur nach einem ganz bestimmten Gefühl in der Bewegung mit deinem Pferd, anstatt nach einer perfekt ausgeführten Lektion. Trotz Struktur und rotem Faden müssen wir beim Reiten natürlich flexibel bleiben und auf Veränderungen im Pferd oder in unserem Zusammenspiel reagieren können. Ich nehme mir für eine Reitstunde oft ein übergreifendes Thema vor. Während ich dann beginne mich und mein Pferd unter dem Sattel auf dieses Thema vorzubereiten, kann es sein, dass mir etwas auffällt, was sich gerade nicht gut anfühlt. Ein Beispiel: Nimmt mein Pferd den treibenden Schenkel in der Lösungsphase nicht gut an, reagiere ich natürlich auf das, was ich gerade fühle und versuche, meinem Pferd wieder mehr ins Vorwärts zu helfen. Starr an meinem eigentlichen Thema für die Stunde festzuhalten, macht dann wenig Sinn. Erst wenn mein Pferd den treibenden Schenkel wieder gut annimmt, lege ich den Fokus wieder auf mein ursprüngliches Thema. Eine gewisse Flexibilität und Achtsamkeit solltest du dir auf oder am Pferd immer bewahren. Jetzt kann es natürlich sein, dass während der Reitstunde Schwierigkeiten auftreten und dein Pferd und du das Geplante nicht so umsetzen könnt, wie gedacht. Oft ist das der Punkt, an dem wir den Faden verlieren, weil wir keinen Plan B haben und nicht wissen, wie wir mit den unerwarteten Problemen umgehen sollen. Hier kommt mein ultimativer Tipp:
Anhalten, durchatmen und nachdenken!
Ja, so einfach. Denn Weiterreiten hilft in dem Moment erstmal überhaupt nicht. Du musst dir des aufgetretenen Problems bewusst werden, es in allen Details wahrnehmen und dir dann Zeit nehmen, es zu analysieren, die möglichen Ursachen herauszufinden und dir einen Plan zum Weiterarbeiten zurechtlegen. Diese Fragen kannst du dir stellen: Unsere Pferde danken es uns sehr, wenn wir ehrlich und ganz in Ruhe versuchen den Fehler zu finden, um dann mit System und Plan und in aller Ruhe daran zu arbeiten. Mit „drüber weg reiten“ ist es (besonders langfristig) meist nicht getan. Arbeit mit Pferden ist eben oft Köpfchensache. Ein weiterer wichtiger Punkt, um den Überblick zu behalten, ist dieser: Du musst euren Fortschritt wahrnehmen. Kommt ihr voran? Klappen die Übungen, die du dir vorgenommen hast? Verbessert ihr euch während der Einheit? Dann lob dein Pferd und gib ihm eine Pause. Hier kommt deine Zielsetzung wieder ins Spiel: Um die Entwicklung innerhalb der Trainingseinheit richtig einschätzen und beurteilen zu können, ist dein klares, inneres Bild wichtig. Du musst wissen, wonach du suchst, um dein Pferd im richtigen Moment belohnen zu können und ihm damit zu bestätigen, dass es auf dem richtigen Weg ist. Wenn du denkst, das bestmögliche Ergebnis für diesen Tag erreicht zu haben, beende die Trainingseinheit, steige ab und freue dich. Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am Schönsten ist und das trifft auf die Arbeit mit Pferden in vielerlei Hinsicht auch zu. Egal ob es um das Erreichen kleinster Teilerfolge oder das Erlernen neuer Lektionen geht. Du willst dein Pferd ja motiviert halten und es soll immer mit einem positiven Eindruck aus der Reitstunde kommen. Mach also nicht weiter, bis dein Pferd sich aus purer Ermüdung wieder verschlechtert, bloß weil es ja gerade so schön läuft. Das ist die falsche Idee. Du weißt am besten, was dein Pferd nach getaner Arbeit als größtes Lob empfindet: Absatteln und wälzen? Spazieren im Gelände? Grasen lassen? Zurück zur Herde? So meditativ und schön es ist, sich beim Reiten im Flow zu befinden und sich ganz im Moment zu verlieren, so wichtig ist es auch, mit Plan vorzugehen und das Pferdetraining innerhalb der Reitstunde individuell und sinnvoll aufzubauen. Mit ein bisschen mentaler Vorbereitung und einem Leitfaden im Kopf kannst du deine Reitstunde individuell und sinnvoll aufbauen. Denn du bist der Trainer deines Pferdes und verantwortlich für die Harmonie in deiner Reitstunde und den Erfolg deiner Trainingseinheit.Klassischer Aufbau einer Reitstunde
In diesem Artikel erkläre ich dir,
8 Tipps zum individuellen Aufbau einer Reitstunde
1. Verfassung
2. Bedingungen
3. Thema
4. Ziel
5. Flexibilität
6. Schwierigkeiten
7. Fortschritt
8. Ergebnis
Fazit